Frankreich

Solidarität mit einem Killer

Im Jahr 2002 wurde Majdi al-Rimawi (r.) von einem Gericht der Palästinensischen Autonomiebehörde wegen seiner Beteiligung an dem Mord an Rechaw’am Ze’ewi verurteilt Foto: dpa

»Wie die Liebe, so lässt sich auch die Solidarität ausschließlich anhand von Taten beweisen.« Dieser wunderbare Satz ist in der März-Ausgabe des Gemeindeblattes von Bezons zu lesen, einer französischen Vorstadt im Nordwesten von Paris. Nun könnte der Leser annehmen, dass er sich auf ein besonderes soziales oder humanitäres Engagement bezieht. Tatsächlich ist in dem betreffenden Artikel aber die Rede von der Ehrenbürgerwürde, die die Stadt einem verurteilten palästinensischen Mörder zugesprochen hat.

Es handelt sich um keinen Geringeren als Majdi Ihrima al-Rimawi, der am 17. Oktober 2001 als Befehlshaber des bewaffneten Arms der »Volksfront zur Befreiung Palästinas« (PFLP) den israelischen Tourismusminister Rehawam Zeewi in Jerusalem mithilfe von Komplizen ermordete. Im Jahr darauf wurde er von einem Gericht der Palästinensischen Autonomiebehörde für seine Beteiligung an dem Anschlag verurteilt.

Kommunisten Eine zweite Verurteilung erfolgte 2006 durch ein israelisches Gericht, dessen Urteil lebenslang mit zusätzlich 80 Jahren Haft lautete. Seit zehn Jahren sitzt al-Rimawi inzwischen im Gefängnis. Nun haben ihn die Kommunisten von Bezons symbolisch dort herausgeholt, um so allen Palästinensern ihre bedingungslose Solidarität in ihrem »Befreiungskampf gegen Israel« zu demonstrieren. Nach einstimmigem Votum im Gemeinderat organisierten sie am 13. Februar im Beisein von al-Rimawis Familie eine feierliche Zeremonie zu Ehren des verurteilten Terroristen.

Der kommunistische Bürgermeister Dominique Lesparre preist die Verleihung der Ehrenbürgerwürde als starken »politischen Akt«, mit dem seine Stadt ein Zeichen gegen die »Kolonisierung des palästinensischen Volkes« setze. Er bezieht sich darauf, dass der ermordete Zeewi die palästinensische Bevölkerung in arabische Nachbarländer abschieben wollte. Vor diesem Hintergrund, so Lesparre, sei al-Rimawis einziges Verbrechen gewesen, »seine Stadt und deren Bewohner zu verteidigen«.

Seit 2008 unterhält die 28.000 Einwohner starke Gemeinde Bezons eine Städtepartnerschaft mit al-Rimawis Heimatort West-Bani-Zaïd. Diese Art der kommunistischen Sympathiebekundung hat in vielen Pariser Vorstädten Tradition. Besonders in den 30er- und 40er-Jahren waren sie mehrheitlich fest in kommunistischer Hand. Man fasste die Gebiete um die Hauptstadt deshalb unter dem Begriff »Roter Gürtel« (Ceinture Rouge) zusammen. Die Kommunisten haben in jüngster Zeit an Einfluss verloren, aber in einigen Vorstädten ist ihr Gewicht immer noch überproportional hoch.

Die Tatsache, dass die großen französischen Medien aus al-Rimawis Ernennung zum Ehrenbürger keinen öffentlichen Skandal machten, zeigt einmal mehr deren Gleichgültigkeit gegenüber all dem, was sich in den Vorstädten politisch abspielt. Die jüdische Gemeinde sieht in dieser Haltung vor dem aktuellen Hintergrund vor allem eines: Gleichgültigkeit gegenüber Antisemitismus

Berlin

Israel-Flagge vor Rotem Rathaus eingeholt

Nach mehr als zwei Jahren wurde die Fahne am Dienstag vom Mast geholt. Die Hintergründe

 02.12.2025

Berlin

Steinmeier erinnert an Stiftungsgründung für NS-Zwangsarbeiter

Im Jahr 2000 gründeten die deutsche Wirtschaft und der Bund nach langem Vorlauf die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Millionen NS-Opfer erhielten zumindest einen symbolischen Betrag

 02.12.2025

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

München

Hugendubel streicht antisemitisches Kinderbuch aus Sortiment

»Sofort nach Kenntnisnahme über dessen Existenz« sei das Malbuch entfernt worden, heißt es aus dem Unternehmen

 01.12.2025

Berlin

Karoline Preisler bei Marsch gegen Antisemitismus

»Es ist ganz besonderer Marsch, weil Männer Frauen und Kinder, Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus zusammengekommen sind«, sagt die Juristin und Politikerin

 01.12.2025

Potsdam

Anne Frank mit Kufiya: Jüdische Gemeinde fordert Ausstellungs-Stopp

Eine Ausstellung im Museum Fluxus+ will Ähnlichkeiten zwischen Palästinensern und Israelis aufzeigen. Doch die Darstellung zieht Kritik aus der Jüdischen Gemeinde und von Brandenburgs Antisemitismusbeauftragten auf sich

 01.12.2025

Interview

»Nach dem Waffenembargo gibt es einiges zu kitten«

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter über den Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in Israel, Siedlergewalt im Westjordanland und die Kooperation mit dem Mossad

von Joshua Schultheis  01.12.2025