Meinung

Selfies in Auschwitz

Selfies sind peinlich. Selfies zeugen von mangelndem Selbstbewusstsein oder vom Gegenteil. Selfies heischen nach Bestätigung. Und mit dem iPhone fand eine ganze Generation das Werkzeug, um ihre Konterfeis so zurechtzubiegen, dass sie all den oberflächlichen Ansprüchen ihrer Zeit gerecht werden.

Aber ist die Kritik an den digitalen Selbstporträts berechtigt? Nein. Denn Selfies gehören, und daran zeigt sich die Ambivalenz ihrer Kritik, zu den populärsten Bildern auf Facebook, Instagram und Twitter. Mit den Selfies ist es wie mit der BILD-Zeitung. Alle kritisieren sie, und trotzdem erfahren sie größte Popularität.

Lasziv Das Problem liegt woanders. Es ist die Schwemme an Swag-Selfies aus Buchenwald, Instagood-Selfies in Auschwitz und Ducklip-Selfies im Berliner Stelenfeld. Die lasziven, pietätlosen und primitiven Posen auf diesen Bildern zeigen, dass die Jugendlichen, die sie schießen, sich weder der historischen Bedeutung jener Orte noch der ganz individuellen Leidensgeschichten, die mit ihnen verbunden sind, bewusst sind. Diese Bilder frönen genau jenem Hedonismus, für den das Selfie steht. Jedoch am falschen Ort! Sie dokumentieren eine politische Unbedarft- und emotionale Verkommenheit einer heranwachsenden Generation.

Aber sind diese Entgleisungen neu? Nein. Wer je in der selfiefreien Vergangenheit mit einer Schulklasse eine Gedenkstätte besuchte, hat ähnliche Übersprungshandlungen schon immer beobachten können. Die Ducklip-Selfies im Holocaustmahnmal, nun dank digitaler Medien millionenfach verbreitet, bringen lediglich das Scheitern einer seit Jahrzehnten fehlgeschlagenen Bildungspolitik ungeschönt ans Tageslicht. Eltern, Lehrer und Institutionen vermochten es nicht, die Bedeutung der Schoa für unser politisches Handeln auch denen nahezubringen, die keinen persönlichen Bezug zum Massenmord an den europäischen Juden haben.

Dating Zu guter Letzt landen diese Bilder jener nach Aufmerksamkeit lechzenden Teenies oder der vermeintlich vor Selbstsicherheit strotzenden Typen in den Bildergalerien einschlägiger Datingportale. Dort versuchen ihre Urheber, unbeeindruckt vom millionenfachen Mord, damit ihren nächsten One-Night-Stand »klarzumachen«. Eine Freundin antwortete kürzlich einem jener Anwärter aus dem Stelenfeld, die sechs Millionen toten Juden im Hintergrund ließen ihn extrem sexy wirken. Das Foto verschwand kurzerhand aus seinem Profil, ein weiterer Annäherungsversuch blieb aus.

Der Autor ist WELT-Kolumnist und schreibt alle 14 Tage über seine jiddische Mamme.

Wien

Juden protestieren gegen FPÖ-Veranstaltung für Antisemiten im Parlament

Als »radikalen Antisemiten« hatte sich der Österreicher Franz Dinghofer einst selbst bezeichnet - auch der NSDAP trat er bei. Die rechtsextreme FPÖ gedenkt des Politikers nun - und wird dafür hart kritisiert

 11.11.2025

Projekte gegen Antisemitismus

Berliner Kultursenatorin räumt Defizite bei Fördermittel-Vergabe ein

In Berlin sollen Mittel für Projekte gegen Antisemitismus nach unklaren Kriterien und auf Druck und Wunsch aus der CDU-Fraktion vergeben worden sein. Kultursenatorin Wedl-Wilson will nun »aufräumen«

 11.11.2025

Initiative

Knesset stimmt über Gesetz zu Todesstrafe ab

Wer in Israel tötet, um dem Staat und »der Wiedergeburt des jüdischen Volkes« zu schaden, soll künftig die Todesstrafe erhalten können. Das sieht zumindest ein umstrittener Gesetzentwurf vor

 11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Terror

Netanjahu: Israels Kampf gegen Feinde noch nicht vorbei

Laut Ministerpräsident Netanjahu beabsichtigen die Hamas und die Hisbollah weiterhin, Israel zu vernichten. Die Waffenruhe-Abkommen mit beiden will Israel demnach durchsetzen - solange diese gelten

 11.11.2025

Diplomatie

Al-Schaara schließt normale Beziehungen zu Israel aus

Der syrische Staatschef wurde von US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus empfangen. Bei dem historischen Treffen ging es auch um die Abraham-Abkommen

 11.11.2025

Meinung

Wahlen in Ostdeutschland: Es gibt keine Zeit zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt wird im September gewählt. Es steht viel auf dem Spiel: Eine AfD-Regierung könnte großen Schaden anrichten. Leidtragende wären nicht zuletzt die jüdischen Gemeinden

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  10.11.2025 Aktualisiert

Würzburg

Zentralrat der Juden fordert mehr Zivilcourage gegen Hass

Beim Gedenken an die Novemberpogrome in Würzburg hat Juden Schuster die grassierende Gleichgültigkeit gegen Judenhass kritisiert

 10.11.2025