Kiew

Selenskyj an Russland: »Wie kann ich ein Nazi sein?«

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am vergangenen Wochenende auf der Münchner Sicherheitskonferenz Foto: imago images/Xinhua

Nur wenige Stunden, bevor Russlands Präsident Wladimir Putin den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine befahl, wandte Wolodymyr Selenskyj sich per TV-Ansprache direkt an die Bürger des östlichen Nachbarlandes. Auf Russisch – seiner Muttersprache - sagte der ukrainische Staatschef: »Man sagt Ihnen, wir [Ukrainer] seien Nazis. Aber kann ein Volk, das mehr als acht Millionen Menschen im Kampf gegen den Nationalsozialismus verloren hat, den Nationalsozialismus unterstützen?«

SCHOA Dann wurde Selenskyj persönlich. Nach einer kurzen rhetorischen Pause sagte er: »Wie kann ich ein Nazi sein? Erklären Sie das mal meinem Großvater, der den ganzen Krieg in der Infanterie der sowjetischen Armee mitgekämpft hat und als Oberst in einer unabhängigen Ukraine gestorben ist.« Der ukrainische Präsident erwähnte indirekt auch, dass er Jude ist. Drei Brüder seines Großvaters wurden im Holocaust ermordet.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der 44-jährige Selenskyj wuchs in der Stadt Krywyj Rih im Südosten der Ukraine auf. »Wofür kämpfen Sie und mit wem?«, fragte er in seiner Ansprache die Russen. »Viele von Ihnen sind in der Ukraine gewesen. Viele von Ihnen haben Familie in der Ukraine. Einige haben an ukrainischen Universitäten studiert. Andere waren mit Ukrainern befreundet. Sie kennen unseren Charakter. Sie kennen unser Volk. Sie kennen unsere Grundsätze.« Er appellierte an die Russen, auf die Vernunft zu setzen.

»ENTNAZIFIZIERUNG« Doch Selenkyjs Ansprache war vergebens. In den frühen Morgenstunden am Donnerstag war es Wladimir Putin, der sich im Fernsehen an sein Volk wandte. Und der Ukraine den Krieg erklärte. Und anderem kündigte Putin an, er werde das Land »entmilitarisieren und entnazifizieren«. Die Schuld für mögliche Opfer des Konflikts gab er schon vorab der ukrainischen Regierung.

Seine Pläne beinhalteten keine Besetzung des ukrainischen Territoriums, wir werden niemandem etwas mit Gewalt aufzwingen«, behauptete Putin in seiner Ansprache. »Russland kann sich nicht sicher fühlen, sich nicht entwickeln und nicht existieren, wenn eine ständige Bedrohung vom Territorium der modernen Ukraine ausgeht«, sagte er. Und fügte hinzu: »Alle Verantwortung für das Blutvergießen wird auf dem Gewissen des herrschenden Regimes in der Ukraine lasten.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

PARALLELEN Im Dezember hatte Selenskyj in einer Rede die Lage in der Ukraine mit der in Israel verglichen. »Wir [Juden] wissen, wie es ist, keinen eigenen Staat zu haben. Wir wissen, was es bedeutet, den eigenen Staat und das Land mit Waffen in der Hand verteidigen und unser Leben dafür aufs Spiel setzen zu müssen.«

Nach dem Angriff des russischen Militärs am Donnerstagfrüh zog der ukrainische Präsident eine weitere Parallele. »Russland hat unseren Staat heute Morgen heimtückisch angegriffen, wie es Nazi-Deutschland in den Jahren des Zweiten Weltkriegs getan hat. Von heute an stehen unsere Länder auf verschiedenen Seiten der Weltgeschichte. Russland hat einen Weg des Bösen eingeschlagen, aber die Ukraine verteidigt sich und wird ihre Freiheit nicht aufgeben, egal was Moskau denkt«, schrieb Selenskyj auf Twitter. Die Botschaft war dieses Mal auf Englisch verfasst.

Josef Schuster

»Was bedeutet die Schoa heute noch für Deutschland?«

In seiner Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen reflektiert der Zentralratspräsident die Herausforderungen und Gefahren, vor denen die Erinnerung an die Schoa heute steht. Eine Dokumentation

von Josef Schuster  29.04.2025

Mauthausen

Überlebenswunderkind Eva Clarke: Geburt im KZ vor 80 Jahren

Es war eines der größten und gefürchtetsten Konzentrationslager der Nazizeit. Im Mai 1945 wurde es von US-Soldaten befreit. Unter den Überlebenden waren eine Mutter und ihr Neugeborenes

von Albert Otti  29.04.2025

Umfrage

Mehrheit hält AfD wegen deutscher Geschichte für unwählbar

Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fragt die »Memo«-Studie Menschen in Deutschland nach dem Blick zurück

 29.04.2025

Potsdam

Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert besseren Schutz für Synagoge

Vermutlich wurde in Halle ein zweiter Anschlag auf die Synagoge verhindert. Brandenburgs CDU-Chef Redmann fordert deshalb dazu auf, auch die Potsdamer Synagoge besser zu schützen

 29.04.2025

Menschenrechte

Immer schriller: Amnesty zeigt erneut mit dem Finger auf Israel

Im neuesten Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation wirft sie Israel vor, einen »live übertragenen Völkermord« zu begehen

von Michael Thaidigsmann  29.04.2025

Berlin

Streit um geforderte Yad-Vashem-Straße

Zwischen dem Freundeskreis Yad Vashem und dem Roten Rathaus herrscht Unmut

von Imanuel Marcus  29.04.2025

Den Haag

Strafgerichtshof verpflichtet Chefankläger zur Vertraulichkeit

Karim Khan, der unter anderem gegen Benjamin Netanjahu einen Haftbefehl erwirkt hat, darf einem Bericht des »Guardian« zufolge künftig nicht mehr öffentlich dazu Stellung nehmen

 29.04.2025

Urteil

»Impfen macht frei«-Bild ist Volksverhetzung

Ein 65-Jähriger hatte während der Corona-Pandemie die Schutzmaßnahmen der Regierung mit dem Holocaust verglichen

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025