Wuligers Woche

Selektion in Köln?

Damit sich die Übergriffe an Silvester nicht wiederholten, hatte die Kölner Polizei die Sicherheitsvorkehrungen 2016 verstärkt. Foto: imago

In Köln hat an Silvester die Polizei am Hauptbahnhof junge nordafrikanische Männer gezielt kontrolliert. Andere Reisende durften das Gebäude meist ohne Überprüfung verlassen. Verhindert werden sollte – und wurde – damit, dass sich die Ereignisse vom vergangenen Jahr wiederholten, als Migranten aus dem Maghreb vor dem Bahnhof massenhaft Frauen sexuell genötigt hatten. Eine ganze Reihe der diesmal Überprüften war, wie sich herausstellte, tatsächlich bereits ein Jahr zuvor am selben Ort auffällig geworden, etliche wurden gar per Haftbefehl gesucht.

Die Kölner Aktion war spektakulär, jedoch nicht einzigartig. Ähnliche vorbeugende Maßnahmen, wenn auch in kleinerem Maßstab, führt die Polizei regelmäßig vor Fußballspielen durch. Weil diesmal aber nicht deutsche Hooligans, sondern Angehörige einer ethnischen Minderheit betroffen waren, reagierte das linke politische Spektrum reflexhaft mit Rassismusverdacht. Den Vogel schoss dabei die Berliner Tageszeitung »taz« ab. Deren Korrespondent Christoph Herwartz bezeichnete das Vorgehen der Polizei in seinem Bericht als »Selektion«. In einem Kommentar sprach er von »Sonderbehandlung«.

Gaskammern Herwartz, der auch für Zeit.de und n-tv arbeitet, wird seine Worte mit Bedacht gewählt haben. So unbedarft kann er nicht sein, dass er die Konnotation dieser Begriffe nicht kennt. »Sonderbehandlung« und »Selektion« sind im Deutschen eindeutig besetzt. Sonderbehandlung lautete der offizielle Tarnbegriff der SS für die physische Vernichtung der europäischen Juden. Selektion war der Vorgang, bei dem in Auschwitz die ankommenden Deportierten getrennt wurden, in noch Arbeitsfähige auf der einen und »unnütze Fresser« auf der anderen Seite – Kinder, Frauen, Ältere –, die sofort in die Gaskammern gebracht und dort ermordet wurden.

Auch die Redakteure des linken Blatts dürften gewusst haben, was die Worte implizieren, die sie da unbeanstandet durchgehen ließen. Redaktion und Autor haben bewusst mit Vokabeln hantiert, die selbst bei kritischster Beurteilung der Kölner Polizeiaktion deplatziert in jedem Sinne waren – sachlich, semantisch und moralisch. Das ist perfide. Und es ist selbstentlarvend. Die politische Korrektheit, die überall Rassismus wittert, führt sich selbst ad absurdum, wenn ausgerechnet der mörderische Höhepunkt des eigenen deutschen Rassismus begrifflich bagatellisiert wird.

Es ist nicht das erste Mal, dass die »taz« sich sprachlich an der Schoa vergreift. 1988 formulierte der Autor Thomas Kapielski dort fröhlich von einer Disko, die »gaskammervoll« gewesen sei; Proteste gegen diese Wortwahl kommentierte der Redakteur Wiglaf Droste mit der launigen Beschreibung »Endlösung der Dudenfrage«. Am Ende mussten Kapielski und zwei Redakteurinnen das Blatt verlassen. So viel Anstand hatte die »taz« damals.

Ab dieser Ausgabe erscheint an dieser Stelle regelmäßig die Kolumne unseres Autors Michael Wuliger.

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  02.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Ich kann euch nicht hören

Während im Sudan die schwerste humanitäre Krise der Welt tobt, schweigen die selbst ernannten Menschenrechts-Demonstranten in Europa und auf der Welt

von Sophie Albers Ben Chamo  02.11.2025

Berlin/München

Nach Terror-Skandal beim ZDF: ARD überprüft Mitarbeiter in Gaza

Alle in Gaza tätigen Mitarbeiter hätten versichert, keinerlei Nähe zu Terrororganisationen zu haben, sagt der zuständige Bayerische Rundfunk

 02.11.2025 Aktualisiert

Jerusalem/Düsseldorf

Yad Vashem will beim Standort in Deutschland eine schnelle Entscheidung

In Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Sachsen soll erstmals außerhalb Israels ein Bildungszentrum zum Holocaust entstehen. Die Entscheidung soll zügig fallen

 02.11.2025 Aktualisiert

Düsseldorf

Wolfgang Rolshoven mit Josef-Neuberger-Medaille geehrt

Mit der Auszeichnung würdigte die Jüdische Gemeinde Rolshovens jahrzehntelanges Engagement für jüdisches Leben und seinen entschlossenen Einsatz gegen Judenhass

 31.10.2025

Nürnberg

»Nie wieder darf Hass die Oberhand gewinnen«

Kongressabgeordnete aus Washington D.C., Touristen aus China und Geschichtsinteressierte aus Franken: Das Interesse an den Nürnberger Prozessen ist 80 Jahre nach dem Start des historischen Justizereignisses ungebrochen

von Michael Donhauser  31.10.2025

Ankara

Offene Konfrontation zwischen Erdogan und Merz über Israel und Gaza

Eigentlich wollte der Bundeskanzler bei seinem Antrittsbesuch neue Harmonie in die deutsch-türkischen Beziehungen bringen. Bei einer Pressekonferenz mit mit türkischen Präsidenten kommt es stattdessen zur offenen Konfrontation

von Anne Pollmann, Michael Fischer, Mirjam Schmitt  31.10.2025

Halle

»Hetze gegen Israel«: Rektorin der Uni Halle gibt Fehler zu 

Die Veranstaltung an der (MLU) fand unter dem Titel »Völkermord in Gaza« statt

 30.10.2025

Bayern

Jüdischer Landesverband kritisiert Dehler-Preis für Imam Idriz scharf

Kritisch äußert sich der Verbandspräsident Josef Schuster insbesondere zu Äußerungen des Imams in Zusammenhang mit dem Krieg in Gaza

 30.10.2025