Recht

Schachmatt

Den Feind ins Visier nehmen – darf ein Rechtsstaat das? Bei Osama bin Laden haben die USA die Frage beantwortet. Foto: dpa / (M) Frank Albinus

Die Entscheidung, Osama bin Laden gezielt zu töten, wird von allen rechtschaffenen Menschen begrüßt. Sowohl US-Präsident Barack Obama als auch sein Amtsvorgänger George W. Bush hatten gebilligt, den Massenmörder und Terroristenchef gefangen zu nehmen oder endgültig auszuschalten – eine in moralischer und juristischer Hinsicht richtige Entscheidung.

Obwohl bin Laden weder eine Uniform trug noch einen offiziellen Dienstgrad innehatte, war er zweifellos ein legitimes militärisches Ziel. Als nomineller und geistiger Führer von Al Qaida war der Saudi oberster Befehlshaber einer Terroristenarmee und entsprach faktisch einem Staatsoberhaupt. Seit es Aufzeichnungen gibt, ist das Töten des Königs in der Weltgeschichte ein legitimes Ziel von Kampfmaßnahmen. Dennoch behaupten viele, gezielte Tötungen seien unmoralisch und illegal. Diese Kritiker bezeichnen derartige Maßnahmen als »außergerichtliche Hinrichtungen« und fordern, Top-Terroristen wie gewöhnliche Kriminelle zu behandeln, sie also zu verhaften und vor ein Gericht zu stellen.

Wahl der Mittel Die Kommandoaktion der Navy Seals war eher darauf ausgerichtet, bin Laden zu eliminieren, als ihn festzunehmen. Wäre der Beschuss mit Raketen militärisch sinnvoller gewesen, hätte man sich bestimmt für diese Option entschieden. Dieses Mittel wählten zum Beispiel jüngst die NATO-Streitkräfte in Libyen, um den Wohnsitz von Diktator Muammar al-Gaddafi anzugreifen. Tatsächlich wurde der Tod bin Ladens einer Gefangennahme und einem möglichen Prozess letztendlich vorgezogen. So sollte verhindert werden, dass Al Qaida Geiseln nimmt und versucht, sie gegen den Terrorpaten auszutauschen. Ein amerikanischer Sicherheitsbeamter bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, es sei nicht das Ziel gewesen, bin Laden lebend gefangen zu nehmen. Dennoch hielt es Washington für wichtig, bekanntzugeben, der Islamisten-Ideologe sei erschossen worden, nachdem er Widerstand geleistet habe. Dies soll nahelegen, dass er nicht kaltblütig ermordet wurde.

Es wäre zu erwarten gewesen, dass all jene, die die Idee einer gezielten Tötung grundsätzlich ablehnen, die Militäraktion von Abbottabad jetzt lautstark kritisieren würden. Großbritanniens ehemaliger Außenminister Jack Straw sagte bei früherer Gelegenheit: »Die britische Regierung hat wiederholt deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sogenannte gezielte Attentate illegal, ungerechtfertigt und kontraproduktiv sind.« Ähnlich äußerte sich der italienische Amtskollege einmal: Sein Land habe ebenso wie die Europäische Union als Ganzes diese Praxis immer verurteilt. Die Russen versicherten, ihre Regierung habe wiederholt betont, dass die außergerichtliche Begleichung offener Rechnungen nicht hinnehmbar sei. Und die UN erklärten mehrfach, ein solches Vorgehen verstieße klar gegen internationales Recht.

Europas Feind Dennoch hat keine dieser Nationen, Organisationen oder Einzelpersonen Kritik an der gezielten Tötung Osama bin Ladens durch die USA geübt. Der Grund liegt auf der Hand. All die erwähnten Verdammungen waren gegen Israel gerichtet. Jerusalem hat die Idee der gezielten Tötung entwickelt und gegen die Osama bin Ladens der Hamas, die Terrorangriffe gegen israelische Zivilisten verübten, wirkungsvoll zum Einsatz gebracht. Dem jüdischen Staat gelang es, Islamistenführer zu eliminieren, was die internationale Gemeinschaft prompt zum Anlass nahm, diese Vorgehensweise für illegal und unmoralisch zu erklären, mit der bemerkenswerten Ausnahme der Vereinigten Staaten. Jetzt, da dieses Mittel gegen einen angewendet wurde, der auch Europas Feind war, klingt das alles ganz anders. Plötzlich ist diese Art, den Gegner auszuschalten, nicht nur legal und moralisch, sondern auch lobenswert.

Vorbild Israel Gezielte Tötungen haben es nicht verdient, in Bausch und Bogen verdammt zu werden, selbst wenn sie von Israel ausgeführt werden, dem Land, an das anscheinend immer und unausweichlich ein anderer Maßstab angelegt wird. Dabei unterliegt im jüdischen Staat der Einsatz gezielter Anschläge den strengen Vorschriften des Obersten Gerichtshofs. Sie sind ausschließlich zulässig gegen Terroristen, die aktiv an Attentaten beteiligt waren. In den Vereinigten Staaten hingegen wird die Entscheidung für eine solche Maßnahme allein durch den Präsidenten getroffen, ohne jegliche richterliche Überprüfung.

Die Welt sollte aufhören, mit zweierlei Maß zu messen und anfangen, die Vor- und Nachteile von gezielten Tötungen abzuwägen. Sie können – wohlüberlegt gegen tatsächliche militärische Ziele eingesetzt – ein wirksames, legales und moralisches Instrument im Krieg gegen den Terror sein.

Der Autor gehört zu Amerikas bekanntesten Rechtsanwälten. Er lehrt als Professor in Harvard. Zuletzt erschien von ihm »The Trials of Zion«.

Urteil

Verbot des Berliner Palästina-Kongresses war rechtswidrig

Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Verbot eines Palästina-Kongresses nachträglich für rechtswidrig erklärt

 26.11.2025

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025

Wehrpflicht

Freiheit gemeinsam verteidigen

Russlands Angriffskrieg unterstreicht die Notwendigkeit einer starken Bundeswehr. Wenn die Situation es erfordert, dann müssen auch wir Juden bereit sein, unseren Beitrag zu leisten

von Josef Schuster  26.11.2025

Verhandlung

Verbot israelfeindlicher Proteste: Berlin mit Klagen konfrontiert

Das Verwaltungsgericht prüft zwei unterschiedlich gelagerte Klagen von Veranstaltern einer Demonstration im Dezember 2023 und des sogenannten Palästina-Kongresses im April 2024

 26.11.2025

Potsdam

BSW vor Zerreißprobe: Dorst stellt Parteiverbleib infrage

Die jüngsten Ereignisse haben Implikationen für die Landesregierung. Bei nur zwei Stimmen Mehrheit im Landtag könnte jeder Bruch in der BSW-Fraktion ihr Ende bedeuten

 26.11.2025

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 26.11.2025

Buenos Aires

Milei will 2026 Botschaft in Jerusalem eröffnen

Israels Außenminister Sa’ar erklärte in der argentinischen Hauptstadt, »im April oder Mai« werde die Eröffnung erfolgen

 26.11.2025

Montréal

Air Canada prüft Beschwerde über Palästina-Anstecker in der Form Israels

Der Passagier Israel Ellis beschwert sich über das israelfeindliche Symbol an der Jacke einer Stewardess. Sie habe ihn zudem angeschrien, als sie seine Davidstern-Kette gesehen habe

 26.11.2025

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 25.11.2025