Antisemitische Vorfälle

Rias Thüringen legt erstmals Bericht vor

Foto: RIAS

Antisemitismus ist für Thüringer Juden und Jüdinnen einem neuen Bericht zufolge ein alltagsprägendes Phänomen.

Sowohl im Privat- wie auch im Berufsleben sähen sich die Mitglieder der Landesgemeinde mit antisemitischen Äußerungen konfrontiert, sagte Anja Thiele von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Thüringen (Rias) am Dienstag in Erfurt. Zugleich zeigten sich Betroffene enttäuscht darüber, dass viele dieser Vorfälle nicht entscheiden genug geächtet würden, betonte sie bei der Vorstellung der Rias-Studie zu Antisemitismus in Thüringen.

So werde das Vermeiden der Erkennbarkeit als jüdisch nicht selten von den Eltern übernommen, insbesondere, wenn diese aus der ehemaligen Sowjetunion stammten. Die Wahrnehmung, sich einer Gefahr auszusetzen, wenn sie sich als Jude oder Jüdin öffentlich zu erkennen gäben, sei groß. Als Konsequenz würden die meisten der in der Studie befragten Juden und Jüdinnen in Thüringen weitgehend unsichtbar.

Zugleich legte Rias Thüringen erstmals einen Bericht zur Dokumentation antisemitischer Vorfälle in Thüringen vor. Insgesamt zählte die Recherchestelle im vergangenen Jahr 212 antisemitische Vorfälle. Davon seien allein 120 auf zwei organisierte Aktionen im Kontext der Proteste gegen die Coronaschutzmaßnahmen zurückzuführen, sagte Thiele.

Diese hätten sich mehrheitlich in Form von E-Mails gegen zwei Thüringer Institutionen gerichtet. Unter den 92 übrigen Vorfällen wurden drei körperliche Angriffe, 13 gezielte Sachbeschädigungen, eine Bedrohung, sowie 56 Fälle verletzenden Verhaltens und 19 Massenzuschriften erfasst. Corona sei als Gelegenheit genutzt worden, um Antisemitismus zum Teil auch mit Gewalt zu artikulieren, sagte Thiele.

Für die Jahre 2015 bis 2020 habe die Polizei im Freistaat Thüringen 396 als antisemitisch bewertete Straftaten in ihrer Statistik zur politisch-motivierten Kriminalität erfasst, sagte Thiele weiter. Dabei äußere sich Antisemitismus in Thüringen am häufigsten bei Versammlungen und durch Schmierereien. Nur 15 von hundert Vorfällen ereigneten sich demnach im direkten Kontakt.

Insgesamt sei von einer hohen Dunkelziffer von Vorfällen auszugehen, die weder Ermittlungsbehörden noch der Recherche-Stelle bekannt geworden seien, hieß es. Die Fälle würden auch aufgrund der mangelnden Erfolgsaussichten auf Ermittlung der Täter nicht immer angezeigt.

Für die Landesregierung, die den Bericht im Kabinett am Dienstag entgegennahm, erklärte Staatskanzleiminister Benjamin Immanuel Hoff (Linke), die Ergebnisse von Bericht und Studie müssten insbesondere mit Innen- und Justizministerium diskutiert werden. So müssten die gewonnenen Erkenntnisse auch in die Ausbildung von Polizisten und Justizpersonal einfließen.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Thüringen am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft ist eine vom Land Thüringen geförderte Einrichtung. Sie wurde 2020 gegründet. Ihre Aufgabe ist es, antisemitische Vorfälle in Thüringen auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu dokumentieren und über Antisemitismus aufzuklären.

Senat

Mehrere Berliner Abgeordnete verlassen Linkspartei

Wegen eines Antisemitismus-Streits kehren einige Politiker der Linkspartei den Rücken - auch der ehemalige Senator Klaus Lederer

 23.10.2024

Straßburg

Alle Klarheiten beseitigt

Der Streit über EU-Gelder für die Palästinenser und die UNRWA entzweit das Europäische Parlament

von Michael Thaidigsmann  23.10.2024

USA/Israel

FBI übernimmt Ermittlungen nach Geheimdienstleck

Dokumente über Israels Vorbereitungen für einen Angriff gegen den Iran gelangten an die Öffentlichkeit. Wer steckt dahinter?

 23.10.2024

Washington D.C.

Trump wollte »Militärs wie Hitlers Generäle«

Sein ehemaliger Stabschef John Kelly erinnert sich an höchst problematische Aussagen

 23.10.2024

Herta Müller

»Das Wort ›Märtyrer‹ verachtet das Leben schlechthin«

Die Literaturnobelpreisträgerin wurde mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

von Herta Müller  23.10.2024

Dokumentation

»Eine Welt ohne Herta Müllers kompromisslose Literatur ist unvorstellbar«

Herta Müller ist mit dem Arik-Brauer-Publizistikpreis ausgezeichnet worden. Lesen Sie hier die Laudatio von Josef Joffe

von Josef Joffe  23.10.2024

Antisemitismus

Auch in Halle Stolpersteine gestohlen

In Halle wurden ebenfalls Stolpersteine aus dem Boden gebrochen

 22.10.2024

USA

Israelfeindliche Gruppen an Unis werden immer radikaler

Auch an der Columbia University ist die Situation alarmierend

von Imanuel Marcus  22.10.2024

Umfrage

Grüne am ehesten für Waffenexporte nach Israel

Die Mehrheit der Deutschen lehnt Waffenlieferungen an den jüdischen Staat jedoch ab

 22.10.2024