Krieg in Gaza

Regierungschefs fordern Überprüfung von EU-Pakt mit Israel

Machen Druck auf Israel: Pedro Sánchez (l.) und Leo Varadkar Foto: IMAGO/ANP

Noch hat die Europäische Union keine praktischen Schritte unternommen. Doch die Stimmen, die einen Stopp europäischer Waffenlieferungen und sogar Sanktionen gegen Israel fordern, werden immer lauter. Anfang der Woche sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell: »Jeder fährt nach Tel Aviv und fleht, dass Zivilisten verschont und nicht so viele Menschen getötet werden. Wie viele sind zu viel? Was ist die Messlatte? Netanjahu hört doch auf niemanden mehr.«

Auch einen Stopp von Waffenlieferungen an Israel forderte Borrell. »Wenn Sie glauben, dass zu viele Menschen sterben, vielleicht sollten Sie dann keine Waffen mehr liefern«, sagte er bei einer Pressekonferenz. Gefragt, was er als EU-Chefdiplomat denn selbst zu einem Stopp des Krieges in Gaza beitragen könne, spielte Borrell den Ball weiter. Die EU liefere ja selbst keine Waffen, einige ihrer Mitgliedsstaaten hingegen schon.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez Castejón (ein Parteifreund Borrells) und sein irischer Amtskollege Leo Varadkar nahmen den Ball. Schriftlich wandten sie sich am Mittwoch an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. In ihrem Brief drücken die beiden Regierungschefs nicht nur große Besorgnis über Israels Militäroperation im Gazastreifen aus. Diese stelle »eine ernste und unmittelbare Bedrohung dar, der sich die internationale Gemeinschaft dringend stellen muss.« Fast 28.000 Palästinenser seien getötet und mehr als 67.000 verletzt worden. Und »wir haben die Vertreibung von 1,9 Millionen Menschen (85 Prozent der Bevölkerung) innerhalb des Gazastreifens und die Zerstörung von Häusern und umfangreiche Schäden an lebenswichtiger ziviler Infrastruktur, einschließlich Krankenhäuser«, so die Regierungschefs.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Zwar habe Israel ein Recht auf Selbstverteidigung. Dieses könne aber nur im Rahmen des humanitären Völkerrechts ausgeübt werden. Zwischen den Zeilen machen Sánchez und Varadkar ihre Zweifel deutlich, dass Israel sich an dieses Regelwerk hält. Sie regen daher konkrete Schritte an, um die Regierung in Jerusalem zum Einlenken zu bewegen. Namentlich wird in dem Schreiben eine Überprüfung des Assoziationsabkommens zwischen der EU und Israel durch die Kommission gefordert.

Dieser Vertrag, der Mitte der 90er-Jahre ausgehandelt wurde und 2000 in Kraft trat, sieht eine enge wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit zwischen den 27 EU-Staaten und Israel vor, inklusive eines Freihandelsabkommens. Auch mit anderen Anrainerstaaten im Mittelmeerraum hat die EU solche Abkommen.

In ihrem Brief an von der Leyen, der am Mittwoch verschickt und auch veröffentlicht wurde, bitten Sánchez und Varadkar – »vor dem Hintergrund der Gefahr einer noch größeren humanitären Katastrophe, die durch die drohenden israelischen Militäroperationen in Rafah und angesichts dessen, was seit dem was seit Oktober 2023 in Gaza geschehen ist und weiter geschieht, einschließlich der weit verbreiteten Besorgnis über mögliche Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsnormen durch Israel« – von der Leyen und ihre Kommission, »eine dringende Überprüfung vorzunehmen«, ob Israel seinen Verpflichtungen aus dem Assoziationsabkommen nachkomme im Hinblick auf die Achtung der Menschenrechte.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Sollte die Kommission zur gegenteiligen Ansicht kommen, möge sie dem Rat (der Vertretung der EU-Mitgliedsstaaten) einen Vorschlag unterbreiten für »geeignete Maßnahmen«. Auch von der Leyen-Vize Josep Borrell wurde in dem Schreiben in Kopie gesetzt. Der Sozialist Pedro Sánchez steht vor allem innenpolitisch wegen des Krieges in Gaza unter Druck. Seine linken Koalitionspartner fordern seit Langem eine härtere Gangart gegenüber Israel, inklusive von Sanktionen und einer Aussetzung des Assoziationsabkommens.

Für die Verhängung solcher Maßnahmen wäre aber ein einstimmiger Beschluss der 27 Mitgliedsstaaten nötig. Der ist im Moment nicht in Sicht – vor allem, weil Israel bei vielen mittel- und osteuropäischen Staaten trotz der anschwellenden Kritik nach wie vor Rückendeckung hat, was sein Vorgehen gegen die Hamas angeht. mth

Nahost

Israel: Wir stehen kurz vor Abschluss des Einsatzes in Gaza

US-Präsident Donald Trump sagte jüngst, dass es bald im Gaza-Krieg eine Waffenruhe geben könnte. Auch Israels Verteidigungsminister Katz äußert sich nun optimistisch

 30.06.2025

Debatte

Anti-Israel-Parolen: USA entziehen britischer Band Visa

Ein britischer Festivalauftritt mit israelfeindlichen Parolen wird live von der BBC übertragen. Der Sender steht unter Druck – und die USA kündigen an, der Band die Einreise zu verweigern

 30.06.2025

Interview

Nuklearforscher: »Das iranische Atomprogramm neu aufzubauen wird Jahre dauern«

Georg Steinhauser über die israelischen und amerikanischen Schläge gegen Atomanlagen im Iran, die Eigenschaften von Uran-235 und mögliche Szenarien für die Zukunft

von Michael Thaidigsmann  30.06.2025

Israel

Früherer Geheimdienstchef der israelischen Armee: Jerusalem musste das Atomprogramm der Mullahs stoppen

Im Juni 1981 war Amos Yadlin an der Zerstörung von Saddam Husseins Kernreaktor beteiligt. Nun hat er ausführlich über Israels Präventivschlag gegen das Mullah-Regime und den angeblichen »Völkermord« in Gaza Auskunft gegeben

von Imanuel Marcus  30.06.2025 Aktualisiert

Drohung

Iranische Zeitung fordert Todesstrafe gegen IAEA-Chef Grossi

Das staatliche Propagandablatt wirft Rafael Grossi vor, für Israel spioniert zu haben

 30.06.2025

Düsseldorf

Islamistischer Tiktok-Star gesteht Spendenbetrug

Der Islamist »Abdelhamid« hat unter seinen Followern Spenden »für Palästina« gesammelt und diese dann unter anderem für einen BMW ausgegeben. Das gestand er nun vorm Düsseldorfer Landgericht

von Martin Höke  30.06.2025

Düsseldorf

NRW: Zahl antisemitischer Straftaten gestiegen

Fast 700 Fälle wurden im vergangenen Jahr registriert - ein Zuwachs von 27 Prozent

 30.06.2025

Uni Duisburg

Online-Mahnmal gegen Schändung jüdischer Friedhöfe gestartet

Die Universität Duisburg-Essen hat ein Online-Projekt zum Schutz jüdischer Friedhöfe vorgestellt. Grundlage dafür ist eine interaktive Karte

von Raphael Schlimbach  30.06.2025

Atomprogramm

Iran signalisiert Bereitschaft zu Verhandlungen

Nach den US-Angriffen auf iranische Nuklearanlagen wurden die Atomgespräche zunächst unterbrochen. Nun mehren sich Signale Teherans, an den Verhandlungstisch zurückzukehren - unter Bedingungen

 30.06.2025