Meinung

Polen am Rande der Schoa-Leugnung

Gabriele Lesser Foto: Adam Chełstowski/FORUM

Meinung

Polen am Rande der Schoa-Leugnung

Die Regierung in Warschau geht angeblich gegen »Geschichtslügen« vor. Doch der Schaden ist gewaltig

von Gabriele Lesser  29.08.2016 18:40 Uhr

War der Kommandant des NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau ein Pole? Oder war Heinrich Himmler, der Reichsführer SS, der die Schoa in Gang setzte, ein Pole? Die Fragen klingen zwar völlig absurd, weiß doch jeder halbwegs gebildete Weltbürger, dass es die Deutschen waren, die Polen am 1. September 1939 überfielen und wenig später mit einem SS-Konzentrations- und Vernichtungslager-System überzogen.

Doch Polens Regierung beschloss nun ein Gesetzesprojekt »zum Schutz des guten Rufes Polens«, das Journalisten weltweit eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren androht, wenn in ihren Artikeln die Wortkombination »polnisches KZ«, »polnisches Auschwitz« oder ähnliche »Geschichtslügen« vorkämen.

kampagne Warschau versucht seit Jahren, den Polen weiszumachen, dass ausländische Journalisten eine gigantische Lügenkampagne in Gang gesetzt hätten, um die Deutschen von ihrer Schuld am Holocaust reinzuwaschen und stattdessen die Polen als die eigentlichen Täter zu brandmarken.

Obwohl aus dem Kontext der wenigen Artikel mit der missverständlichen Wortkombination »polnisches KZ« klar hervorgeht, dass kein einziger Autor behauptet, Höß, Himmler oder Heydrich seien Polen gewesen, sind viele Polen inzwischen vom Gegenteil überzeugt.

Auch der Hinweis, dass beim Warschauer oder Krakauer Ghetto niemand auf die Idee kommt, die Warschauer oder Krakauer hätten die Ghettos eingerichtet oder betrieben, fruchtet nicht mehr. Die jahrelange Propaganda zeigt ihre Wirkung. Sogar die UNESCO wurde 2007 überredet, Auschwitz-Birkenau in »Deutsches nationalsozialistisches Konzentrations- und Vernichtungslager« umzubenennen.

pogrome Mit dem Gesetz zum »Schutz des guten Rufes Polens« sollen nun aber auch noch andere angebliche »Geschichtslügen« verboten werden, die das Ansehen Polens in der Welt schädigen könnten. Gemeint sind die zahlreichen Pogrome, in denen katholische Polen ihre jüdischen Nachbarn ermordeten, der Antisemitismus in der Vorkriegszeit sowie die gesellschaftliche und wirtschaftliche Kollaboration mit den Besatzern.

All das soll künftig auf dem Index stehen und straf- oder zivilrechtlich verfolgt werden können. In Yad Vashem, der Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem, ist man entsetzt. Der Historiker Yehuda Bauer wirft dem polnischen Gesetzesprojekt gar »Nähe zur Holocaustleugnung« vor. Und er hat recht. Denn was sonst bedeutet ein Verbot, über polnische Pogrome reden und schreiben zu dürfen?

Die Autorin ist freie Journalistin in Warschau.

Bergen-Belsen

Die Lebenden und die Toten

Das Lager war ein Ort des Sterbens, doch hier wurden auch Menschen geboren. Überlebende, Angehörige und sogenannte DP-Babys trafen sich nun zum gemeinsamen Gedenken. Unsere Autorin war dabei

von Amie Liebowitz  30.04.2025

Joshua Schultheis

Lieber Friedrich Merz!

Der künftige Kanzler steht vor einer historischen Aufgabe im Umgang mit den Juden und mit Israel. Unser Autor hat ihm einen Brief geschrieben

von Joshua Schultheis  30.04.2025

Prozess

Terror-Unterstützerin kommt mit Verwarnung davon

Aitak Barani hatte kurz nach dem 7. Oktober 2023 die Massaker der Hamas als »gelungene Widerstandsaktion« bezeichnet. Dafür bekam sie vom Amtsgericht Frankfurt eine Geldstrafe - die sie aber vorerst nicht zahlen muss

 30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

 30.04.2025

Bern

Schweiz verbietet Terrororganisation Hamas

Deutschland hat die Terrororganisation schon kurz nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023 verboten. Die Schweiz zieht jetzt erst nach

 30.04.2025

Den Haag

USA rechtfertigen vor UN-Gericht Israels Blockade humanitärer Hilfe

Israel habe ein berechtigtes Sicherheitsinteresse, sagt der Rechtsvertreter aus Washington D.C.

 30.04.2025

Regierung

Mit Davidstern ins Kabinett

Karin Prien wird Deutschlands erste Bundesministerin mit jüdischen Wurzeln. Erst seit wenigen Jahren spricht die CDU-Politikerin öffentlich über ihre Familiengeschichte

von Michael Thaidigsmann  30.04.2025

Iran

Mullahs lassen angeblichen Mossad-Informanten hinrichten

Die Zahl der Hinrichtungen hat in den vergangenen Jahren drastisch zugelegt

 30.04.2025

Buenos Aires

Argentinien stellt Dokumente über geflohene Nazis online

Viele hochrangige Nationalsozialisten flohen nach dem Zweiten Weltkrieg vor Strafverfolgung – vor allem nach Südamerika. In Argentinien sind Dokumente zu den NS-Tätern nun digital zugänglich

 30.04.2025