Meinung

NSU-Bericht: Trau, schau, wem

Die Juden in Thüringen haben mit Respekt den schonungslosen Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses unseres Landtags zur Kenntnis genommen. Abgeordnete der fünf Parlamentsparteien haben ihn in zweieinhalb Jahren akribisch erarbeitet und einhellig gebilligt.

Das gemeinsame Urteil über das Versagen von Verfassungsschutz, Landeskriminalamt, Justiz und Aufsichtsbehörden bei der Aufklärung von zehn rassistisch motivierten Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen ist verheerend: Das Mordtrio des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) hätte ohne dieses Behördenversagen früh gestoppt werden können. Bestenfalls kann man den Ämtern Desinteresse vorwerfen, nahe liegt aber auch der Verdacht der Sabotage bei der Verfolgung rechtsextremistischer Straftaten, wie die Ausschussvorsitzende feststellte.

sensibilität Die Jüdische Landesgemeinde Thüringen hat insbesondere nach dem Brandanschlag auf unsere Erfurter Synagoge am 20. April 2000 immer wieder auf die tödliche Gefahr des Rechtsextremismus auch in Thüringen hingewiesen. In den Folgejahren entwickelte sich hier schrittweise ein Konsens aller demokratischen Parteien.

Und doch hielt die Politik eine rechtsextremistische Mordserie mit Thüringer Ursprung nicht für möglich. Jüdische Sensibilität lässt sich kaum übertragen. Nach der Aufdeckung der NSU-Mordserie hat sich das Engagement der Thüringer Parteien weiter verstärkt. Aber das wachsende Engagement hatte seine Wirkung auf die Sicherheitsbehörden verfehlt, wie das Versagen im Fall NSU beweist.

Unser Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist erschüttert. Erste durchgeführte Reformen des Verfassungsschutzes reichen nicht aus, genauso wie die Abschaffung des Amtes keine Lösung wäre. Nur rasche und weitgehende Konsequenzen können die tiefe Krise beenden.

Überzeugende personelle Veränderungen bis in die Arbeitsebene der Behörden hinein, umfassende Weiterbildung ihres Personals zu Fragen des Rechtsextremismus, konsequente Weiterführung von NSU-Untersuchungsausschüssen bis zur Klärung aller offenen Fragen, Übertragung des modellhaften Zusammenwirkens der demokratischen Parteien im Thüringer Landtag insbesondere auf Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen, keine Toleranz gegenüber rechtsextremistischen Organisationen und Netzwerken, neue Dialogformen mit rechtsextremistischen Jugendlichen – all das kann helfen, das Vertrauen unserer Gemeinden zurückzugewinnen.

Der Autor ist Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen.

Jubiläum

Stimme der Demokratie

Vor 75 Jahren wurde der Zentralrat der Juden in Deutschland gegründet. Heute hat das Gremium vielfältige Aufgaben und ist unverzichtbarer Teil dieses Landes

von Detlef David Kauschke  17.09.2025

Europäische Union

Wie die EU-Kommission Israel sanktionieren will

Ursula von der Leyens Kommission will Israel alle Handelsvergünstigungen streichen. Doch eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist (noch) nicht in Sicht. Die Hintergründe

von Michael Thaidigsmann  17.09.2025

Meinung

Sánchez missbraucht ein Radrennen für seine Israelpolitik

Dass Spaniens Regierungschef die Störer der Vuelta lobte, ist demokratieschwächend und gehört zu seinem Kalkül, Israel weltweit zu isolieren

von Nicole Dreyfus  17.09.2025

Meinung

Die Tränen des Kanzlers

Bei seiner Rede in München gab Friedrich Merz ein hochemotionales Bekenntnis zur Sicherheit jüdischen Lebens ab. Doch zum »Nie wieder dürfen Juden Opfer werden!« gehört auch, den jüdischen Staat nicht im Stich zu lassen

von Philipp Peyman Engel  17.09.2025

Zentralrat

Schuster: Zwei-Staaten-Lösung nach Friedensverhandlungen mit Israel

Ein jeweils selbstständiger Staat Israel und Palästina - dafür spricht sich auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland aus. Unter bestimmten Voraussetzungen

von Leticia Witte  17.09.2025

Köln

Antisemitische Ausschreitungen bei Kreisliga-Spiel

Spieler des Vereins Makkabi wurden offenbar beschimpft, bespuckt und körperlich attackiert

 17.09.2025

Antisemitismus

Berliner Treitschkestraße wird am 1. Oktober umbenannt

Der Straßenname erinnert künftig an die im KZ Theresienstadt gestorbene ehemalige Direktorin des früheren jüdischen Blindenheims von Steglitz, Betty Katz (1872-1944)

 17.09.2025

Kritik

Toni Krahl hat »kein Verständnis« für israelfeindliche Demonstrationen

Was in der Region um Israel passiere, sei ein Drama, das sich über Jahrzehnte entwickelt habe, sagte Krahl

 17.09.2025

Berlin

Ahmetovic: Berlin muss Weg für Israel-Sanktionen freimachen

Der SPD-Politiker fordert, dass die schwarz-rote Koalition ihre »Blockadehaltung« beendet und die Vorschläge von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für konkrete Maßnahmen gegen den jüdischen Staat unterstützt

 17.09.2025