Der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad hat am Wochenende die Namen von mutmaßlichen Kommandeuren der Islamischen Revolutionsgarden des Iran (IRGC) veröffentlicht, die in diesem und im vergangenen Jahr dutzende Anschläge auf jüdische und israelische Ziele in Europa und Australien geplant haben sollen. Auch Deutschland soll laut Mossad von diesen Aktivitäten betroffen gewesen sein.
Das iranische Regime habe in den letzten Monaten und Jahren verstärkt Ziele in westlichen Ländern ins Visier genommen, heißt es in der Erklärung des Geheimdienstes, die das Büro von Premierminister Benjamin Netanjahu verbreitete. Dem Mossad sei es »durch verschiedene Operationen« jedoch gelungen, Terroranschläge in Deutschland, Griechenland und in Australien zu verhindern und dafür zu sorgen, dass strafrechtliche Ermittlungen gegen die Beteiligten eingeleitet werden konnten.

Unter anderem wirft die australische Regierung dem Iran vor, 2024 Brandanschläge auf die Adas Israel-Synagoge in Melbourne und auf das jüdische Restaurant »Lewis Continental Kitchen« in Sydney in Auftrag gegeben zu haben. Im August bezichtigte Australien die Islamische Republik dieser Taten und verwies ihren Botschafter in Canberra, Ahmad Sadeghi, und drei weitere Diplomaten des Landes. Zudem wurde die australische Botschaft in Teheran geschlossen. Die Hinweise auf iranische Terror-Aktivitäten kamen offenbar vom Mossad.
Das Geheimdienst-Communiqué nennt auch Namen. So soll direkt unter Generalmajor Esmail Qaani, dem Kommandeur der Quds-Truppe, die innerhalb der IRGC für Auslandseinsätze zuständig ist, ein Kommando eingerichtet worden sein, das Anschläge auf Ziele innerhalb Israels und in anderen westlichen Ländern koordiniere. Die sogenannte »Brigade 11.000« unter der Leitung von Sardar Amar hat laut Mossad schon mehrere Anschläge in Auftrag gegeben.
Amar sei unter anderem Drahtzieher von Anschlägen. So habe seine Einheit Angriffe auf jüdische Einrichtungen und gegen Einzelpersonen in Auftrag gegeben, vor allem gegen führende Persönlichkeiten der jüdischen Gemeinden. Laut Mossad nutzt das von den iranischen Quds-Einheiten überwachte Netzwerk dabei gezielt Nicht-Iraner sowie kriminelle Banden, um selbst nicht mit Anschlägen in Verbindung gebracht zu werden zu bleiben.
Auch die Ausspähungsaktivitäten in Berlin, wegen derer im Juni im Auftrag des Generalbundesanwalts der 53-jährige Ali S., ein Däne mit afghanischen Wurzeln, in Aarhus verhaftet wurde, hatte Amars Einheit laut Mossad in Auftrag gegeben. Das Auswärtige Amt bestellte damals den iranischen Botschafter ein, der die Vorwürfe jedoch als »unbegründet« zurückweisen ließ.
Auch Karin Prien und Berliner DIG-Geschäftstelle im Visier des Iran
Mögliche Anschlagsziele waren Berichten zufolge unter anderem das Büro der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und das Bundesfamilienministerium in Berlin. Ministerin Karin Prien (CDU) hat jüdische Wurzeln. Ali S. soll den Erkenntnissen der Ermittler zufolge auch Brandanschläge auf jüdische Einrichtungen vorbereitet haben. Das sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt im Juli.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte damals von einem »letzten Signal« an all diejenigen gesprochen, »die den Hass und die Vernichtungsfantasien des Mullah-Regimes gegen Israel und Juden in aller Welt immer noch kleinreden«. Die Bundesregierung müsse »aktiv politisch gegen das iranische Regime vorgehen«, denn, so Schuster: »Eine andere Konsequenz für diesen mutmaßlich geplanten Terrorangriff kann es nicht geben.«
Als weitere führende IRGC-Kommandeure für Auslandsaktivitäten nennt der Mossad unter anderem Atzir Bakari und Mohammad Reza Ansari, die die Einheit 840 der Quds-Truppe befehligen sollen, sowie Mohsen Badangi, Abteilungsleiter für Spezialoperationen in Westeuropa und Amerika und Mahmud Reza Ezai, Chef der Abteilung für Spezialoperationen gegen Israel.
Terrorexperte Neumann: »Erwarte von der Politik ein deutliches Signal«
Man werde auch künftig zusammen mit den Partnern Israels auf der ganzen Welt »entschlossen handeln, um terroristische Bedrohungen durch den Iran und seine Stellvertreter zu vereiteln und die Bürger Israels und die jüdischen Gemeinden auf der ganzen Welt zu schützen«, so der Mossad in der Erklärung.
Unterdessen kritisierte der Londoner Terrorismusexperte Peter Neumann Deutschland und die Europäische Union für ihre seiner Ansicht nach zu ängstliche und vorsichtige Reaktion gegenüber den terroristischen Aktivitäten des Iran. »Ich erwarte von Politikern, die der jüdischen Gemeinschaft Schutz versprechen, dass sie hier ein deutliches Signal setzen«, sagte Neumann im Interview mit der Jüdischen Allgemeinen.
So solle die Bundesregierung dem Beispiel Australiens folgend härtere Maßnahmen ergreifen und die Handelsbeziehungen mit dem Iran überprüfen. Auch die IRGC müsse endlich auf die EU-Liste der verbotenen Terrororganisationen gesetzt werden, forderte Neumann.
Dass in Bezug auf den Iran bislang nicht mehr passiert sei, nannte er einen »ziemlichen Skandal. «Wir agieren viel zu ängstlich und zu vorsichtig gegenüber dem Iran», so der am Londoner King›s College tätige Professor für Sicherheitsstudien. Vor allem die deutschen Geheimdienste müssten besser ausgerüstet werden. Die Zusammenarbeit mit den israelischen Diensten sei aber trotz der politischen Spannungen nach wie gut, so Neumann.