Regierung

Mit Davidstern ins Kabinett

Karin Prien mit Magen-David-Kette im Landtag von Schleswig-Holstein Foto: picture alliance/dpa

Früher redete man nicht groß darüber. Zumindest nicht öffentlich.

So war es bei Gerhard Jahn (1927–1998), Bundesjustizminister im Kabinett Willy Brandt. Jahns Vater ist evangelisch, seine Mutter Lilli Jüdin. Sie wird 1944 in Auschwitz ermordet.

Auch Karin Prien (geborene Kraus), die designierte Bundesbildungsministerin, hat christliche und jüdische Wurzeln. Erst 2016 machte die schleswig-holsteinische Kultusministerin öffentlich, dass ihre beiden Großväter jüdisch waren. Auslöser für Priens »Bekenntnis« war, wie sie später der »Zeit« anvertraute, ein Besuch in der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem.

Priens Eltern lernten sich in Amsterdam kennen

Mehrere Urgroßeltern der CDU-Politikerin wurden als Juden von den Nationalsozialisten ermordet. Nach dem Krieg flieht Priens Vater aus der Tschechoslowakei. Zuerst geht er nach Wien, dann nach Amsterdam. Dort lernt er Karins Mutter kennen, Tochter eines jüdischen Vaters und einer christlichen Mutter, die in den 30er-Jahren aus Nazi-Deutschland geflohen und in die Niederlande gegangen waren.

Als Karin Kraus kommt ihre gemeinsame Tochter 1965 in Amsterdam zur Welt. Als sie vier Jahre alt ist, zieht die Familie nach Neuwied bei Koblenz. Im Kindergarten muss sie erst einmal die deutsche Sprache lernen. Sie sei nicht religiös erzogen worden, sagt sie später. Weil ihre beiden Eltern halachisch gesehen Vaterjuden gewesen seien und es in Neuwied damals auch keine jüdische Gemeinde gegeben habe, sei man nicht Mitglied in einer solchen gewesen. »Aber die jüdische Kultur spielte bei uns eine sehr große Rolle«, so Prien 2022 im »Zeit«-Interview.

Erst im Erwachsenenalter lässt Prien sich einbürgern. Später macht sie als Fachanwältin für Wirtschafts-, Handels- und Insolvenz­recht Karriere. Bereits als Jugendliche tritt sie 1981 in die CDU ein. »Meine Entscheidung, politisch aktiv zu werden, hat natürlich auch viel mit meiner Familiengeschichte zu tun«, sagt sie 2019 der »Jüdischen Allgemeinen«. Die Schoa und ihre Folgen hätten in der Familie eine »beherrschende Rolle« gespielt.

Prien galt schon 2021 als Kandidatin für ein Bundesministerium

2011 zieht Karin Prien in die Hamburgische Bürgerschaft ein, 2017 ereilt sie der Ruf nach Kiel. Dort wird sie schleswig-holsteinische Bildungsministerin im Kabinett ihres Parteifreundes Daniel Günther. Schnell wird sie für noch höhere Aufgaben gehandelt. Schon 2021 ist Prien Mitglied im »Kompetenzteam« des Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet und damit praktisch als künftige Bundesministerin gesetzt. Doch Laschet verliert die Wahl, Prien bleibt in Kiel.

Lesen Sie auch

Vier Jahre später ist die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende am Ziel: Kurz vor ihrem Geburtstag im Juni soll Prien nun Mitglied im Kabinett von Friedrich Merz werden, mit Zuständigkeiten für Bildung, Familie, Frauen, Senioren und Jugend. Nach Gerhard Jahn ist sie die zweite Person mit jüdischen Hintergrund seit 1949, die am Kabinettstisch Platz nimmt.

Über ihre Wurzeln spricht Prien seit einigen Jahren offener. Doch Illusionen macht sie sich nicht. Nach dem Terroranschlag auf Israel am 7. Oktober 2023 postet sie auf X das Foto einer Halskette mit Davidstern. Adressiert an ihre Mutter, schreibt sie: »Du hattest Angst, dich in Deutschland als Jüdin zu bekennen. Ich hielt das für übertrieben, und ich habe mich geirrt. Du hattest recht.«

Bern

Schweiz verbietet Terrororganisation Hamas

Deutschland hat die Terrororganisation schon kurz nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023 verboten. Die Schweiz zieht jetzt erst nach

 30.04.2025

Den Haag

USA rechtfertigen vor UN-Gericht Israels Blockade humanitärer Hilfe

Israel habe ein berechtigtes Sicherheitsinteresse, sagt der Rechtsvertreter aus Washington D.C.

 30.04.2025

Iran

Mullahs lassen angeblichen Mossad-Informanten hinrichten

Die Zahl der Hinrichtungen hat in den vergangenen Jahren drastisch zugelegt

 30.04.2025

Buenos Aires

Argentinien stellt Dokumente über geflohene Nazis online

Viele hochrangige Nationalsozialisten flohen nach dem Zweiten Weltkrieg vor Strafverfolgung – vor allem nach Südamerika. In Argentinien sind Dokumente zu den NS-Tätern nun digital zugänglich

 30.04.2025

Hanau

Antisemitisches Plakat an Schule: Staatsschutz ermittelt

In einem angrenzenden Park gab es eine Veranstaltung der Jüdischen Gemeinde. Besteht ein Zusammenhang?

 30.04.2025

Jom Hasikaron

Israel gedenkt der Terroropfer und Kriegstoten

Seit dem 7. Oktober 2023 sind 850 israelische Soldaten und 82 Sicherheitskräfte getötet worden

 30.04.2025

Josef Schuster

»Was bedeutet die Schoa heute noch für Deutschland?«

In seiner Rede zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Bergen-Belsen reflektiert der Zentralratspräsident die Herausforderungen und Gefahren, vor denen die Erinnerung an die Schoa heute steht. Eine Dokumentation

von Josef Schuster  29.04.2025

Mauthausen

Überlebenswunderkind Eva Clarke: Geburt im KZ vor 80 Jahren

Es war eines der größten und gefürchtetsten Konzentrationslager der Nazizeit. Im Mai 1945 wurde es von US-Soldaten befreit. Unter den Überlebenden waren eine Mutter und ihr Neugeborenes

von Albert Otti  29.04.2025

Umfrage

Mehrheit hält AfD wegen deutscher Geschichte für unwählbar

Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes fragt die »Memo«-Studie Menschen in Deutschland nach dem Blick zurück

 29.04.2025