Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen angekündigt, dass ihre Regierung für einige der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Sanktionen gegen Israel stimmen werde.
Die israelische Armee habe mit ihrem Vorgehen im Gazastreifen »eine Grenze überschritten« und »ein Massaker an der Zivilbevölkerung verursacht«, so Meloni am Donnerstagabend in New York. »Die Grausamkeit und Brutalität« des Angriffs der Hamas am 7. Oktober 2023 und »die Jagd auf wehrlose Zivilisten« hätten Israel zu einer »zunächst legitimen Reaktion« veranlasst. »Jeder Staat und jedes Volk hat das Recht, sich zu verteidigen«, sagte die italienische Regierungschefin.
Dann fügte sie aber hinzu: »Die Reaktion auf einen Angriff muss jedoch immer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Das gilt für Einzelpersonen und gilt umso mehr für Staaten. Und Israel hat diese Grenze überschritten, mit einem groß angelegten Krieg, der die palästinensische Zivilbevölkerung übermäßig in Mitleidenschaft zieht. Und genau an dieser Grenze hat der jüdische Staat letztendlich gegen die humanitären Normen verstoßen und ein Massaker unter der Zivilbevölkerung verursacht.«
Israels Handeln »inakzeptabel«
Dieses Handeln habe Italien mehrfach als inakzeptabel angeprangert, so Meloni, und ihre Regierung nun dazu gebracht, »einigen der von der Europäischen Kommission gegen Israel vorgeschlagenen Sanktionen zuzustimmen«. Welche Strafmaßnahmen das sind, sagte Meloni nicht. Die von Ursula von der Leyen geführte EU-Behörde hatte zuletzt vorgeschlagen, Israel alle Handelsvorteile zu streichen und das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union teilweise auszusetzen.
Außerdem will Brüssel israelische Unternehmen von einem Forschungsförderprogramm ausschließen und gewalttätige Siedler und zwei rechtsextreme israelische Minister auf die Sanktionsliste setzen. Bislang sind die dafür erforderlichen Mehrheiten unter den EU-Ländern noch nicht zustande gekommen – auch, weil große Mitgliedsstaaten wie Deutschland und Italien sich quergestellt hatten.
Damit der Vorschlag der Kommission angenommen wird, ist die Zustimmung von 15 der 27 Regierungen notwendig, wobei eine solche Mehrheit gleichzeitig mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren muss. Deshalb kommt dem Abstimmungsverhalten bevölkerungsreicher Staaten wie Italien und Deutschland ein größeres Gewicht zu. Für einige Maßnahmen ist im Rat der EU aber ein einstimmiger Beschluss notwendig. Dies gilt unter anderem für Sanktionen gegen Einzelpersonen.
Keine bedingungslose Anerkennung von Palästinenserstaat
In ihrer Rede betonte Meloni jedoch, dass die Schuld nicht nur bei Israel zu suchen sei. »Wir schließen uns nicht denen an, die Israel die gesamte Verantwortung für das Geschehen in Gaza zuschreiben. Denn es war die Hamas, die den Krieg ausgelöst hat«, sagte sie. Israel müsse aber »aus der Falle dieses Krieges herauskommen«, forderte sie. »Es muss dies für die Geschichte des jüdischen Volkes, für seine Demokratie, für die Unschuldigen und für die universellen Werte der freien Welt, zu der es gehört, tun.«
Um den Krieg in Gaza zu beenden und Frieden zu erreichen, brauche es aber mehr als nur Appelle oder ideologische Proklamationen, so Meloni weiter. »Frieden lässt sich nur mit Geduld, Mut und Vernunft erreichen.« Italien wolle sich an konstruktiven Lösungsansätzen beteiligen.
»Wir sind der Meinung, dass Israel weder das Recht hat, die Gründung eines palästinensischen Staates zu verhindern, noch neue Siedlungen im Westjordanland zu bauen, um dies zu verhindern. Aus diesem Grund haben wir die New Yorker Erklärung zur Zwei-Staaten-Lösung unterzeichnet. Dies ist die historische Position Italiens zur Palästinafrage, eine Position, die sich nie geändert hat.«
Die sofortige Anerkennung eines Palästinenserstaates, wie von einigen EU-Mitgliedsstaaten jüngst vollzogen, lehnte Meloni aber ab. »Wir sind der Meinung, dass die Anerkennung Palästinas zwei unverzichtbare Voraussetzungen haben muss: die Freilassung aller israelischen Geiseln und den Verzicht der Hamas auf jegliche Rolle in der palästinensischen Regierung. Denn wer den Konflikt ausgelöst hat, darf nicht belohnt werden«, sagte sie vor der UN-Vollversammlung. mth