Brandenburg

Linken-Politiker soll Antisemitismusbeauftragter werden

Brandenburgs Antisemitismusbeauftragter Andreas Büttner Foto: imago images/Christian Spicker

In Potsdam sind nach Informationen der Jüdischen Allgemeinen die Würfel gefallen: Andreas Büttner, Landtagsabgeordneter für die Linke, soll erster Antisemitismusbeauftragter des Landes Brandenburg werden - zumindest, wenn es nach dem Willen der SPD-Fraktion im Landtag geht.

Deren Vorsitzender Daniel Keller werde Büttner morgen bei der Sitzung des Hauptausschusses des Landtags vorschlagen, hieß es aus gut unterrichteten Kreisen. Eine Sprecherin der Fraktion wollte sich auf Nachfrage nicht dazu äußern.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Potsdam, Evgueni Kutikow, zeigte sich »sehr enttäuscht« über die Vorentscheidung zugunsten Büttners. Er wolle dies aber nicht als Kritik an der Person verstanden wissen, sagte Kutikow dieser Zeitung.

»Ich habe persönlich nichts gegen Herrn Büttner und habe mit ihm bereits sehr angenehme Gespräche geführt. Aber politisch hielte ich das für falsch, dass man jetzt ausgerechnet einen Vertreter der Linken für diesen Posten ernennt«, so Kutikow.

Er habe die Vermutung, dass der Grund für die Entscheidung der SPD zugunsten Büttners politischen Erwägungen geschuldet sei, die nichts mit dem Kampf gegen Judenhass zu tun hätten. »Es geht da doch nicht mehr in erster Linie um Antisemitismus und nicht um jüdisches Leben.«

AfD aktuell stärkste Partei

Kutikow kritisierte, das Verfahren zur Einrichtung der Stelle habe viel zu viel Zeit in Anspruch genommen. Das sei zum Schaden Brandenburgs. »Es besteht dringender Handlungsbedarf«, sagte er. Das habe man bei der Europawahl am vergangenen Sonntag wieder gesehen.

Die AfD wurde mit großem Abstand stärkste Kraft und erzielte 27,5 Prozent landesweit. Bislang haben von den 16 Ländern nur Brandenburg und Bremen keine eigenen Beauftragten für jüdisches Leben. Brandenburg hat seit rund zwei Jahren aber als erstes Bundesland eine Klausel in der Landesverfassung, wonach der Kampf gegen Antisemitismus Ziel staatlicher Arbeit ist.

In den vergangenen Monaten waren zahlreiche Namen für das neu geschaffene Amt im Umlauf. Sechs Bewerber wurden vom Hauptausschuss des Landtags befragt.

Als Favoritin galt lange Zeit Susanne Krause-Hinrichs, Geschäftsführerin der Friedrich-Christian-Flick Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz in Potsdam. Die 60-Jährige wird auch von der jüdischen Gemeinde vor Ort präferiert und hat im Gegensatz zu anderen Kandidaten auch Erfahrung in der brandenburgischen Landesverwaltung. Da sie SPD-Mitglied ist, stieß Krause-Hinrichs aber auf Widerstand bei einigen anderen Parteien.

Zu Beginn des Verfahrens sollten Bündnis90/Die Grünen das Vorschlagsrecht haben. Dann gab es aber aus den jüdischen Gemeinden im Land Proteste, weil diese nicht einbezogen worden waren. Daraufhin wurde die Stelle ausgeschrieben und der Hauptausschuss führte eine Anhörung durch.

Dass nun ausgerechnet die SPD einen Politiker aus der Opposition ins Amt befördern will, verwundert in Potsdam viele. Der 50-jährige Büttner, ehemals Staatssekretär im brandenburgischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, wurde nach Informationen dieser Zeitung von SPD-Fraktionschef Keller persönlich in der Fraktionssitzung vorgeschlagen.

Von der FDP zu den Linken

Andreas Büttner wuchs im hessischen Baunatal auf und lebt heute in der Uckermark. Er ist seit 1995 im Polizeidienst und arbeitete bis 2018 als Streifenpolizist in Berlin. In seiner Jugend war er in der Jungen Union engagiert.

In Brandenburg startete er seine politische Karriere aber bei der FDP, wurde 2010 Generalsekretär der Landespartei und später Vorsitzender der Landtagsfraktion. 2014 war er sogar Spitzenkandidat der FDP für die Landtagswahl, trat ein Jahr später aber aus der Partei aus und später in die Linke ein, für die er seit 2019 wieder im Landtag sitzt.

Aktuell regiert in Brandenburg eine Koalition aus SPD, CDU und Grünen. Am 22. September wird ein neuer Landtag gewählt, zu der Büttner nicht mehr antreten wird. In aktuellen Umfragen liegt die AfD bei 25 Prozent, SPD und CDU kämen auf jeweils 19 Prozent und das Bündnis Sahra Wagenknecht auf 13 Prozent der Stimmen.

Der Antisemitismusbeauftragte soll noch vor der Wahl benannt werden. Dem Vernehmen nach geht SPD-Fraktionschef Keller davon aus, dass der neugewählte Landtag das Verfahren, inklusive der Anhörung der Bewerber und der jüdischen Gemeinden, wiederholen müsste, was eine weitere Verzögerung nach sich ziehen würde.

Am Mittwoch findet die letzte Sitzung des Hauptausschusses statt, dem Keller vorsitzt. Ob die anderen Fraktionen seinem Vorschlag zustimmen werden, ist noch unklar.

Eine Sprecherin der Fraktion wollte sich auf Nachfrage nicht zum möglichen Abstimmungsverhalten der CDU-Parlamentarier bezüglich des Linken-Politikers äußern. Man werde die Sitzung des Ausschusses am Mittwoch abwarten und dann »hoffentlich das Verfahren zu einem guten Ergebnis bringen.«

Die Stelle eines Antisemitismusbeauftragten wurde auf Wunsch von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) beim Landtag angesiedelt. Woidke überließ den Koalitionsfraktionen im Landtag auch das Verfahren zur Bestellung eines Beauftragten.

Allerdings war zunächst kein Anhörungsverfahren für die jüdischen Gemeinden im Land vorgesehen. Ursprünglich hatten diese sich unisono für Susanne Krause-Hinrichs ausgesprochen. Zuletzt hatte aber Ud Joffe, Vorsitzender des Landesverbandes West, Sympathien für Büttner bekundet.

»Es bringt mich auf die Palme«

Der Jüdischen Allgemeinen sagte Andreas Büttner, falls er gewählt werde, würde er sich sehr über die neue Aufgabe freuen. Er sei seit 30 Jahren mit der Thematik jüdisches Leben befasst und engagiere sich für die Stärkung der Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Deshalb habe er sich auch nach der Ausschreibung auf die neue Stelle beworben.

Es gebe in Deutschland einen tief verankerten, strukturellen Antisemitismus, den es zu bekämpfen gelte. Zudem will Büttner einen Runden Tisch einberufen, um alle Beteiligten besser miteinander zu vernetzen.

Die lautstarken und regelmäßig auch antisemitischen Proteste gegen Israel an Hochschulen und auf deutschen Straßen bezeichnete er als »unerträglich« und forderte ein entschiedenes Eingreifen des Rechtsstaats. Auch die Präsidentin der TU Berlin, Geraldine Rauch, kritisierte er: »Man sollte sich als Uni-Präsidentin schon fragen, wo man so seine Likes anbringt.«

Büttner gegenüber der Jüdischen Allgemeinen: »Es bringt mich echt auf die Palme, wenn Israel als Apartheidstaat bezeichnet wird. Das ist schlicht und einfach Desinformation und zeugt von großer Unwissenheit.«

Es müsse mehr Projekte zur Föderung des deutsch-israelischen Jugendaustauschs geben. »Eigentlich müssten alle Deutschen mal die Chance haben, nach Israel zu gehen, und umgekehrt müssten alle Israelis einmal nach Deutschland kommen können«, forderte der Politiker. »Aber es besteht bislang keine Bereitschaft, das nötige Geld auch in die Hand zu nehmen.«

In Deutschland sei man zwar an der Seite der jüdischen Gemeinschaft und an der Israels, wenn wie am 7. Oktober Juden umgebracht würden. Wenn sich Juden aber dagegen zur Wehr setzten, wie Israel das momentan tue, dann würden sie kritisiert, so Büttner.

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