Musik

Kollegah & Kollegen

Muss immer öfter Auftritte absagen: Kollegah, hier 2017 in Magdeburg Foto: imago/Future Image

Ein Gerichtsurteil, in dem eine Songzeile verboten wird, Lokalpolitiker, die ihn in ihrer Stadt als nicht willkommen bezeichnen, ein abgesagtes Abschlusskonzert – so hatte sich der Rapper Kollegah, bürgerlich: Felix Blume, die Tour zur Vorstellung seines neuesten Albums sicher nicht vorgestellt.

Ein geplanter Auftritt im November in Rastatt war von der Stadt abgesagt worden. In Offenbach hatten Politiker der SPD und der Grünen bereits im Vorfeld den für den 10. Dezember angesetzten Gig kritisiert. Henryk Fridman, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde, sagt, Kollegah bediene und verstärke »sämtliche Klischees und Vorurteile«. Eine Konzertabsage zu fordern, schloss Fridman jedoch aus: Jede Aufmerksamkeit für den Rapper sei zu viel.

Ein geplanter Auftritt im November in Rastatt war von der Stadt abgesagt worden.

Vor dem Auftritt am 11. Dezember in Saarbrücken hatte es ebenfalls Kritik gegeben, auch von der Jüdischen Gemeinde. Und es erging ein Gerichtsurteil, das dem Rapper verbot, die Zeile »Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen« öffentlich zu Gehör zu bringen.

Ein jüdischer Kläger, Gilbert Kallenborn, hatte das Landgericht Saarbrücken mit der Begründung angerufen, seine Grundrechte seien durch den Text verletzt. Kollegah hielt sich an das Verbot – die Zeile stammt aber ohnehin nicht von ihm, sondern von seinem Kollegen Farid Bang. Als Duo hatten beide den »Echo« erhalten; der Preis wurde nach heftiger Kritik nie wieder vergeben.

PHÄNOMEN Antisemitische Ansichten von Rappern und Hip-Hoppern sind kein neues Phänomen. Professor Griff, Gründungsmitglied von Public Enemy, wurde bereits 1989 zeitweise gefeuert, unter anderem hatte er der »Washington Post« gesagt: »Juden sind mehrheitlich für die Niedertracht auf der Welt verantwortlich.«

Warum Rapper bei der Verbreitung von Antisemitismus eine Rolle spielen, erklärt Glenn Altschuler, Professor für American Studies an der Universität Cornell: Gerade Public Enemy habe bereits in den 80er-Jahren explizit antisemitische Texte verbreitet – und so die Grundidee des Rap, dass sich primär schwarze Künstler kreativ gegen alltäglichen Rassismus wehren, missbraucht. Aber, so Altschuler, mit dem Gangsta-Rap sei die Musik um Themen wie Street Life, Drogen, Gewalt und Frauen als Objekte erweitert worden. Antisemitische Statements hätten in den USA abgenommen.

Das ist in Europa anders. »Rap ist ein katastrophaler Vektor, der den Antisemitismus auf den Teil der Bevölkerung überträgt, der dafür am anfälligsten ist«, sagte Phi­lipp Schmidt, der sich in der französischen Liga gegen Rassismus und Antisemitismus mit dem Thema beschäftigt, in einem Interview.

subkultur Joel Rubinfeld von der Belgischen Liga gegen Antisemitismus geht noch etwas weiter: »Als Subkultur mit deutlichen Anti-Establishment-Merkmalen« habe Rap in Europa dabei mitgewirkt, »Tabus in Bezug auf judenfeindliche Rhetorik zu lüften, während diese judenfeindliche Rhetorik gleichzeitig der Kontrolle von Hate Speech in den Internetforen entging.«

Europäische Rapper seien mehrheitlich »Muslime aus armen Vororten, wo Antisemitismus weit verbreitet« sei. Nicht, dass es im US-Rap keinen Antisemitismus mehr geben würde – oft mit Stereotypen über Macht und Geld –, aber in Europa gibt es deutlich mehr Vorfälle.

In Nordamerika ging Judenhass im Rap zurück. In Europa wächst er.

Im Juni gab es in den Niederlanden einen Skandal um eine Rapperin, die als Künstlernamen »Anne Frank« gewählt hatte. Zunächst hatte die 25-Jährige erklärt, dass Anne Frank für sie ein Vorbild sei; dann aber kam heraus, dass sie im Internet jahrelang antisemitische Statements veröffentlicht hatte – etwa den Satz: »Wenn Taylor Swift jüdisch wäre, würde ich sie persönlich vergasen.«

In Frankreich veröffentlichte die Gelbwesten-Bewegung im Januar einen Rap-Song, der vor antisemitischen Stereotypen nur so strotzte. 2018 sang der belgische Rapper Bissy Owa live im staatlichen Sender VRT einen Song, in dem es hieß: »Geldgierige Juden laufen jedem Cent hinterher«.

Vor diesem Hintergrund ist auch der jüngste Skandal um Kollegah zu verstehen, der nun darüber schimpft, dass seine Konzerte immer seltener stattfinden. Erst vergangenen Samstag musste er auf einen Auftritt in München verzichten. Nicht der Veranstalter, sondern der Hallenvermieter hatte den Auftritt gecancelt. Der »entscheidende Faktor« für die Absage sei »die weiterhin provozierende, nicht vertrauensbildende, widersprüchliche und auch uns gegenüber viel zu passive Haltung des Künstlers«.

POLIZEI Das Kollegah-Management fand einen anderen Auftrittsort in München, doch auch dieser Gig wurde abgesagt. Grund für Kollegah, dies in die Welt zu posten: Ihm sei gedroht worden, dass »ein Sondereinsatzkommando grundlos das Konzert stürmen würde & das Konzert abgebrochen wird«, schreibt er auf Instagram.

Die Münchner Polizei teilt mit, dass das falsch ist. Vielmehr habe Kollegah den Auftritt selbst abgesagt, vermutlich, weil für die erste, letztlich abgesagte Veranstaltung schon mehr als 1000 Tickets verkauft waren und in die Ersatz-Location gerade einmal ein Drittel gepasst hätte. Die Enttäuschung von Fans, die nicht in die Halle gekommen wären, wollte Kollegah vermutlich dergestalt umlenken, dass er die Polizei zum Schuldigen erhob.

Marcus da Gloria Martins von der Münchner Polizei sagt, das sei zwar »für uns sicherlich kein täglicher Sachverhalt«, aber dennoch bleibe man gelassen. »Die bislang bekannten Vorwürfe tragen nicht dazu bei, dass wir dadurch unseren Ruhepuls verlassen.«

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