Debatte

Warum »From the river to the sea« nicht strafbar ist

»From the river to the sea, Palestine will be free«: Ein Aufruf zur Vernichtung Israels Foto: picture alliance / Sipa USA

Seit Israel Ziele der Hamas im Gazastreifen angegriffen hat, um seine Bürger zu schützen und weitere Terrorattacken der Hamas zu unterbinden, gehen »propalästinensische Gruppen« auf die Straße und protestieren gegen den Krieg in Gaza. So versammelten sich auch am vergangenen Wochenende wieder in Basel rund 3000 Menschen zu einer großen Kundgebung, zu der verschiedene propalästinensische Gruppen im Vorfeld aufgerufen hatten.

Die Kundgebung war von den Behörden des Kantons Basel-Stadt bewilligt. Auch an dieser Demonstration wurde wieder der Slogan »From the River to the Sea, Palestine will be free« skandiert. Er fand sich wie bereits in der Vergangenheit auf Bannern und Schildern wieder und wurde auf Flyern oder in Aufrufen als übergreifender Kampfbegriff verwendet.

»Die Forderung ›From the River to the Sea‹ ist nicht Kritik am israelischen Staat, sondern klar antisemitisch.«

Schweizerisch Israelitischer Gemeindebund (SIG)

Allgegenwärtig präsent ist er auch in den sozialen Medien oder als gesprayter Schriftzug auf Häuserwänden. Die postulierte Freiheit für ein Palästina stammt nicht von der Hamas selbst, sondern hat ihren Ursprung in den 1960er-Jahren. Damals wurde sie von der »Palästinensischen Befreiungsorganisation« (PLO) verwendet. Die vollständige Parole drückt das Ziel aus, ganz Palästina vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer, zu »befreien« - wodurch implizit die Auslöschung des israelischen Staates gefordert wird.

»Die Forderung ›From the River to the Sea‹ ist nicht Kritik am israelischen Staat, sondern klar antisemitisch«, schreibt der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) in einem Statement, das er am Mittwochabend veröffentlicht hat. Dieser Befund ergibt sich auf Grundlage der sogenannten IHRA-Antisemitismusdefinition, die von zahlreichen Staaten und Organisationen weltweit anerkannt und angewendet wird und auf welche sich auch der SIG bezieht.

Um einheitliche Vorgehensweisen bei Erinnerung, Bildung und Forschung zum Thema Holocaust garantieren zu können, wurde 1998 die International Holocaust Remembrance Alliance IHRA gegründet (IHRA). Stand 2021 gehören der IHRA 35 Mitgliedstaaten an.

Proklamierte Auslöschung Israels

Es sei dabei entscheidend, was der Slogan tatsächlich insinuiert und als Forderung in den Raum stellt, heißt es weiter im Schreiben des SIG. Der »Fluss« und das »Meer«, von denen die Rede sei, seien der Jordan und das Mittelmeer. »Dazwischen liegen heute der Staat Israel, das Westjordanland und der Gazastreifen.« Ein Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer könne es also nur geben, wenn der Staat Israel vorher ausgelöscht wird. »Damit wird dem jüdischen Staat das Existenzrecht abgesprochen.« Hier werde exakt jene Definition zum Ausdruck gebracht, die dies als antisemitisch wertet.

»In einem zweiten Schritt müssen die Konsequenzen einer solchen Staatsauflösung Israels in der Realität beachtet werden. In Israel leben gegen sieben Millionen Jüdinnen und Juden, deren Sicherheit existentiell mit dem Staat Israel verbunden ist«, so der SIG in seiner Mitteilung weiter. Damit komme der Slogan einem Gewaltaufruf gleich.

Zur Erinnerung: Am 7. Oktober 2023 wurde der Welt offensichtlich vorgeführt, wie eine solche Auslöschung aussehen könnte. Auch die Hamas nutzt diesen Kampfbegriff in ihrer Charta von 2017, in welcher sie auch explizit die Vernichtung Israels proklamiert.

Nicht gesetzesverletzend

Dass »From the River to the Sea« antisemitisch ist, geht nicht mit der Tatsache einher, ob der Slogan auch tatsächlich strafbar ist. Hier tappt die Gesetzgebung weiterhin im Dunkeln. Mehrere schweizerische Staatsanwaltschaften haben aber unterdessen die Strafbarkeit des umstrittenen israelfeindlichen Slogans geprüft.

So kommt unter anderem die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt zum Schluss: Die Parolen verletzen offenbar nicht das Gesetz. Gemäß der Staatsanwaltschaft wurden dabei zwei Straftatbestände untersucht: die Antirassismus-Bestimmung und der Tatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit im Strafgesetzbuch. Weder die Parole »From the River to the Sea«, noch der Ausruf »Stop the Genocide in Gaza« seien strafbar, sagt die Basler Staatsanwaltschaft.

Noch gibt es aber kein abschließendes Urteil, ob »From the River to the Sea« juristisch gegen die Rassismusstrafnorm Art. 261bis StGB verstößt oder einen strafbaren Aufruf zur Gewalt darstellt. Doch die Basler Staatsanwaltschaft folgt damit der Einschätzung der Rechtslehre: Schon im Herbst sagte der Freiburger Strafrechtsprofessor Marcel Niggli gegenüber der »Neuen Zürcher Zeitung«: »Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sind nicht strafbar, solange nicht die Minderwertigkeit einer Gruppe oder deren Minderberechtigung behauptet wird.«

Der Slogan heizt den Konflikt auch in der Schweiz weiter an

Eine weitere Demonstration, für die aktuell mit diesem Slogan geworben wird, soll am 27. Januar 2024 in Zürich stattfinden. Für den SIG sowie die jüdische Gemeinschaft in der Schweiz ist die Zurschaustellung klar antisemitischer Parolen und der damit zusammenhängende Gewaltaufruf nicht tragbar. Dass die Kundgebung ausgerechnet auf den 27. Januar, dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust gesetzt ist, wird zudem als Provokation verstanden.

In den vergangenen Monaten sind jeweils im Nachgang von Demonstrationen zahlreiche Anzeigen hinsichtlich des Slogans eingegangen. Ob strafbar oder nicht: Der Slogan schürt Hass und heizt den Konflikt auch hier weiter an.

Thüringen

Verfassungsschutzchef warnt vor islamistischen Anschlägen gegen jüdische und israelische Einrichtungen

Kramer: Wir müssen davon ausgehen, dass die Hemmschwelle weiter sinken wird, auch gewalttätig zu werden

 13.06.2025

Gerhard Conrad

»Regime Change im Iran wäre noch wichtiger als die Zerstörung der Atomanlagen«

Der Ex-BND-Geiselunterhändler und Nahostexperte zum israelischen Militärschlag gegen den Iran und die Konsequenzen für den Nahen Osten

von Michael Thaidigsmann  13.06.2025

Gespräch

Beauftragter Klein: Kirche muss Antijudaismus aufarbeiten

Der deutsche Antisemitismusbeauftragte Felix Klein kritisiert die Heiligsprechung des Italieners Carlo Acutis. Ihm geht es um antijüdische Aspekte. Klein äußert sich auch zum christlich-jüdischen Dialog - und zum Papst

von Leticia Witte  13.06.2025

Schlag gegen Iran

Ein notwendiger Schritt

Israel hat alles Recht der Welt, sich gegen das iranische Atomprogramm zu wehren. Teheran darf niemals in den Besitz von Atomwaffen gelangen. Ein Kommentar von Philipp Peyman Engel

von Philipp Peyman Engel  13.06.2025

Angriff auf Iran

Dobrindt hält Israels Angriff für richtig

Die Operationen seien Israels Sicherheit dienlich, sagt der deutsche Innenminister. Die Sicherheitsbehörden wappnen sich für mögliche Folgen in Deutschland

 13.06.2025

Bundesregierung

»Das Ziel muss sein, dass Iran keine Nuklearwaffen entwickelt.«

Regierungssprecher Stefan Kornelius äußerte sich in Berlin zum israelischen Angriff auf Ziele im Iran und dem Recht Israels auf Selbstverteidigung

 13.06.2025

Schlag gegen Iran

Israelische Botschaften geschlossen

Der Krieg zwischen Israel um dem Iran hat Folgen in Berlin und anderen Hauptstädten. Die diplomatischen Vertretungen des jüdischen Staates arbeiten aus Sicherheitsgründen nicht

 13.06.2025

USA

Trump droht Iran mit »noch brutaleren Angriffen«

Nach den Angriffen Israels hat Präsident Donald Trump das Regime in Teheran aufgefordert, jetzt einem neuen Atomdeal zuzustimmen

 13.06.2025

Iran

Kronprinz Pahlavi will Sturz von Chamenei

Reza Pahlavi ruft zu Straßenprotesten und landesweiten Streiks in der Islamischen Republik auf

von Nicole Dreyfus  13.06.2025