Interview

»Kinder müssen Grenzen kennen«

Frau Öney, Lehrer, Schüler und Eltern klagen darüber, dass der Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen zunimmt. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Der Antisemitismus ist nicht nur auf Schulhöfen ein großes Problem, sondern inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Bei muslimischen Jugendlichen, die einen Bezug zum Palästinenserkonflikt haben, ist er stärker präsent als bei anderen muslimischen Jugendlichen.

Wie sollten die Lehrer darauf reagieren?
Unabhängig davon, ob es sich um muslimische oder andere Jugendliche handelt: Die Lehrer müssen aufklären und im Konfliktfall schlichten oder strengere Maßnahmen ergreifen. Da haben Pädagogen verschiedene Möglichkeiten. Aufklären ist langfristig gesehen die beste, weil geeignetste Methode.

Was kann man tun, damit »Jude« an deutschen Schulen nicht mehr als Schimpfwort gebraucht wird?
Kinder können grausam sein. »Jude«, »Du Opfer« und »Scheiß-Türke« werden genauso als Schimpfworte gebraucht wie »Schweinefresser«. Lehrer und Eltern dürfen das nicht dulden und sollten sofort einschreiten. Auch Kinder müssen ihre Grenzen kennen und in die Schranken gewiesen werden.

Was raten Sie jüdischen Schülern, die aus Angst vor dem Hass der Klassenkameraden ihre Herkunft lieber verschweigen?
Bedauerlicherweise kann ich Schülern nichts raten. Dieser Tatbestand als solcher ist schon traurig genug, aber leider kein neues Phänomen. Viele deutsche Intellektuelle haben in der Vergangenheit ihre Religion verschwiegen oder sind zum Christentum konvertiert – aus Angst. Ich werbe deshalb für mehr Offenheit, Akzeptanz und gegenseitigen Respekt. Alle Menschen, alle Religionen haben ihre Daseinsberechtigung.

Wie wichtig ist die Kenntnis der deutschen Vergangenheit für Migranten?
Sehr wichtig! Allerdings identifizieren sich viele Migrantenkinder nicht mit Deutschland, folglich auch nicht mit der deutschen Geschichte. Wir müssen dafür sorgen, dass sie Deutschland als neue Heimat akzeptieren und sich damit auseinandersetzen. Das erfordert aber auch, dass wir umgekehrt Migrantenkinder in ihrer Unterschiedlichkeit respektieren. Sonst werden sie hier nicht heimisch.

Wissen muslimische Migrantenkinder genug über den Holocaust?
Wissen denn die deutschen Kinder genug darüber? Auf beiden Seiten sehe ich da Nachholbedarf. Wir müssen uns neue Wege in der Geschichtsaufarbeitung einfallen lassen, weil muslimische Kinder sich nicht für den Holocaust verantwortlich sehen. Übrigens denken deutsche Kinder in der vierten und fünften Generation genauso. Möglicherweise müssen wir parallel zur Schoa auch die Neuere Geschichte und den Palästinenserkonflikt beleuchten. Dann wären vielleicht wenigstens die nicht-palästinensischen Muslime etwas objektiver.

Mit der Integrationsministerin von Baden-Württemberg sprach Tobias Kühn.

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 20.12.2025

Analyse

Ankaras Machtspiele

Manche befürchten schon einen »neuen Iran«. Warum Israel die Türkei zunehmend als Bedrohung wahrnimmt

von Ralf Balke  20.12.2025

Bundestag

Zentralrat verteidigt Weimers Gedenkstättenkonzept

Der Ausschuss für Kultur und Medien hörte Experten zu der Frage an, ob über den Holocaust hinaus auch andere Verbrechen Teil der deutschen Erinnerungskultur sein sollen

 19.12.2025

Frankreich

Drei Jahre Haft für antisemitisches Kindermädchen

Ein französisches Gericht hat eine Algerierin zur einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einer jüdischen Familie Reinigungsmittel ins Essen, Trinken und die Kosmetika mischte

 19.12.2025

Berlin

Bericht über Missbrauch internationaler Hilfe durch Hamas im Bundestag vorgestellt

Olga Deutsch von der Organisation NGO Monitor sagt, während die Bundesregierung über Beiträge zum Wiederaufbau Gazas berate, sei es entscheidend, auf bestehende Risiken hinzuweisen

von Imanuel Marcus  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Tel Aviv/Berlin

Israel unterzeichnet weiteren Vertrag mit Deutschland über Raketenabwehr

Es handelt sich um das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des jüdischen Staates

 19.12.2025

Sydney/Canberra

Nach Terroranschlag von Bondi Beach: Australien plant nationalen Trauertag

Die Regierung kündigt zudem umfassende Maßnahmen an. Dazu gehört eine landesweite Rückkaufaktion für Schusswaffen

 19.12.2025