Philipp Peyman Engel

Keine Reise wie jede andere

Philipp Peyman Engel, Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen Foto: Marco Limberg

Philipp Peyman Engel

Keine Reise wie jede andere

Bundespräsident Steinmeier besuchte am Montag den von Hamas-Mördern zerstörten Kibbuz Be’eri – und sicherte Israel die volle Unterstützung der Bundesrepublik zu

von Philipp Peyman Engel  27.11.2023 17:51 Uhr

Es ist ein offenes Geheimnis: Kein Spitzenpolitiker wird von der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland mit größerer Skepsis betrachtet als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Gründe dafür gibt es viele – die meisten, doch längst nicht alle, fallen in Steinmeiers insgesamt achtjährige Amtszeit als Außenminister.

Unvergessen ist die Verneigung des Bundespräsidenten am Grab des Terroristen und früheren Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat; auch an die unkritische Nähe Steinmeiers zur »Palästinensischen Befreiungsorganisation« PLO und deren Chef, den Judenhasser und Holocaust-Leugner Mahmud Abbas, sei an dieser Stelle erinnert.  

Nachgiebigkeit Steinmeiers gegenüber dem Mullah-Regime in Teheran

Viel Kritik zieht bis heute zudem die Nachgiebigkeit Steinmeiers gegenüber dem Mullah-Regime in Teheran auf sich, dem wohlgemerkt größten Terrorexporteur in Nahost, der die Hamas unterstützt und regelmäßig die Auslöschung Israels ankündigt. Und nicht zuletzt: Unter Außenminister Steinmeier versäumte es die Bundesrepublik bei den Vereinten Nationen nur allzu oft – Staatsräson hin oder her –, gegen die zahlreichen Anti-Israel-Resolutionen zu stimmen.

Der Israel-Besuch in diesen Tagen war seit Längerem geplant gewesen, doch nach den Pogromen entschied sich Steinmeier bewusst dafür, an dem Termin festzuhalten.

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass eine Reise von Bundespräsident Steinmeier nach Israel nie ein Besuch wie jeder andere ist. Durch die Massaker der Hamas am 7. Oktober, dem Tag, seit dem in Israel und in der jüdischen Diaspora weltweit nichts mehr ist wie zuvor, gilt dies umso mehr.

Der Staatsbesuch in diesen Tagen war schon seit Längerem geplant gewesen, doch nach den Pogromen entschied sich Steinmeier bewusst dafür, am Termin festzuhalten und anders als Bundeskanzler Scholz und Außenministerin Baerbock vergleichsweise spät nach Israel zu reisen.

Steinmeiers Begründung ist überzeugend: Mehr als sieben Wochen nach der Ermordung von mehr als 1200 israelischen Zivilisten erodiert weltweit die Unterstützung für den jüdischen Staat. Den Krieg der Bilder gegen die Hamas hat Israel ohnehin längst verloren, weil die Terrororganisation sich bewusst hinter der eigenen Bevölkerung verschanzt, um die Bilder von zivilen Opfern möglichst medienwirksam gegen Israel zu verwenden.

Steinmeier setzt ein bewusstes Zeichen der Solidarität mit dem wehrhaften Staat Israel

In dieser Situation wollte Steinmeier ein bewusstes Zeichen der Solidarität mit dem jüdischen Staat senden. Ein bewusstes Zeichen für den wehrhaften Staat Israel, der sich verteidigen muss, um nicht von seinen Feinden ausgelöscht zu werden. »Unsere Solidarität mit Israel gilt«, sagte Steinmeier dann auch am Sonntagabend in Jerusalem bei seinem Treffen mit Israels Staatspräsident Isaac Herzog. Israel habe jedes Recht, sich selbst zu verteidigen und seine Existenz zu sichern.

Und weiter: »Sie gilt nicht nur mit dem Israel als Opfer des Terrors. Unsere Solidarität gilt auch mit dem Israel, das sich wehrt, das kämpft gegen eine existenzielle Bedrohung.« Heute im Kibbuz Be’eri, dem Ort des Grauens überhaupt, erneuerte er dieses Versprechen.

Es sind Einlassungen, die man so bislang noch nicht gehört hat von Steinmeier. Einen solch unverstellten Blick auf Israel, ein solch großes Verständnis für die Notwendigkeit der Selbstverteidigung des kleinen Landes ließ der Bundespräsident und erst recht Steinmeier als Außenminister in der Vergangenheit vermissen.

Dass Israel sich gegen seine Feinde verteidigen muss und die Unterstützung jedes demokratischen Staates erhalten sollte, ist immer noch keine Selbstverständlichkeit, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat es dieser Tage demonstriert. Aus Angst, es könnte für Unruhe in den Vorstädten sorgen, wo mehrheitlich muslimische Einwanderer leben, sagte Macron seine Teilnahme an der zentralen Demonstration gegen Antisemitismus und für Solidarität mit Israel kurzerhand ab.

Stattdessen forderte Macron Israel auf, die Angriffe auf Gaza einzustellen. Ein Appell an die Hamas, endlich alle Geiseln freizulassen und den Beschuss Israels zu stoppen? Fehlanzeige!

Wenn ein demokratischer Staat wie Israel von Terroristen attackiert wird, darf es keinen Raum für Relativierungen und Appeasement geben.

Der 7. Oktober hat einmal mehr gezeigt: Wenn ein demokratischer Staat wie Israel von Terroristen attackiert wird, darf es keinen Raum für Relativierungen, Appeasement und die Gleichstellung der Hamas-Terroristen mit dem demokratischen Staat Israel geben. Es ist ein Kampf zwischen Gut und Böse, auch das hat der 7. Oktober verdeutlicht.

Umso erfreulicher sind die Worte, ja man muss sagen, die neuen Worte des Bundespräsidenten zum Selbstverteidigungsrecht Israels. Krisen machen ehrlich. In Krisen, wenn es wirklich darauf ankommt, zeigt sich, wie belastbar eine Freundschaft ist und bei wem der moralische Kompass funktioniert. Diese ganz und gar nicht alltägliche Reise gibt Anlass zu der Hoffnung, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, anders als früher, wirklich zu Israel steht – und zwar ohne jede Einschränkung.

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