Einspruch

Kein Schlussstrich, keine Bilanz

Martin Krauß Foto: Stephan Pramme

Der Prozess gegen den »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) geht in seine letzte Phase. Vier Jahre wurde verhandelt, wurden Zeugen gehört und Angeklagten beim Schweigen zugesehen. Juristen sagen, dass es ein Indizienprozess sei, dass jedem Angeklagten, auch Beate Zschäpe, einzeln die Verantwortung für die Mordtaten nachgewiesen werden müsse, und dass die, die letztlich geschossen haben, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, ja schon tot seien.

Ist die Öffentlichkeit auf den Urteilsspruch, den das Münchner Gericht sprechen wird, angewiesen, um zu einem sicheren Urteil zu gelangen? Nein. Wir wissen viel. Nur leider nicht genügend. Wir wissen, dass zehn Menschen umgebracht wurden, acht von ihnen aus der Türkei stammend.

rassismus Wir wissen, dass es offener Rassismus war, der die Täter antrieb und ihre Mitwisser sie unterstützen ließ. Wir wissen, dass es zumindest versteckter Rassismus war, der die Ermittlungsbehörden jahrelang von »Dönermorden« schwadronieren und die Angehörigen verdächtigen ließ. Das ist schon mehr, als man aushalten kann.

Was wir nicht wissen und was im Prozess gar keine Rolle spielte, ist die Bedeutung, die der offene Judenhass von Zschäpe & Co. bei den Taten spielte. Tatsächlich ist bislang ein möglicher Zusammenhang von NSU-Terror und dem Attentat auf jüdische Zuwanderer 2000 an einem Düsseldorfer S-Bahnhof, Anschläge auf einen jüdischen Friedhof 1998 in Berlin oder dem Mord an Abraham Grünbaum 2001 in Zürich nicht ermittelt.

Aber dass die NSU-Terroristen schon 1996 eine Puppe mit Davidstern an einer Jenaer Autobahnbrücke aufhängten, wissen wir. Und das bringt uns, leider, zu einem anderen, vielleicht nicht sicheren Wissen, aber doch einer Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit: Hätten die Behörden diese Straftaten als das verstanden, was sie waren – von Judenhass getriebene Morde und Mordaufrufe –, dann hätte man dem NSU früher auf die Spur kommen können. Menschenleben hätten gerettet werden können.

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Vor 80 Jahren

Zentralrat der Juden: Nürnberger Prozesse waren Wendepunkt

Es waren hochrangige NS-Kriegsverbrecher, die vor 80 Jahren in Nürnberg vor Gericht standen. Was diese Prozesse aus Sicht des Zentralrats der Juden bedeuten - auch heute

von Leticia Witte  21.11.2025

Paris

EJC warnt vor wachsender Radikalisierung junger Menschen im Netz

»Hass ist viral gegangen«, sagt Moshe Kantor, der Präsident der Organisation

 21.11.2025