Debatte

Jüdische Gemeinde zu Berlin fordert Rücktritt von SPD-Landeschef Raed Saleh

In der Kritik: Raed Saleh, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Foto: picture alliance/dpa

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, will beim Wiederaufbau der Synagoge am Fraenkelufer nicht mehr mit SPD-Landeschef Raed Saleh zusammenarbeiten. In einem Gastbeitrag im »Tagesspiegel« forderte er den Politiker am Dienstag auf, mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt aus dem Kuratorium für das Projekt zu erklären.

Joffe warf Saleh vor, den Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober nicht eindeutig verurteilt zu haben. Der Vorsitzende des Vereins Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer, Dekel Peretz, wies Joffes Kritik allerdings mit deutlichen Worten zurück und distanzierte sich von dessen Forderung.

Joffe erinnerte in seinem »offenen Brief« an Saleh an den Terrorangriff, bei dem rund 1200 Israelis getötet wurden. »Und wie reagierst Du, Raed, darauf? Mit ohrenbetäubendem Schweigen - und das schon seit neun Wochen!«, schrieb Joffe. »Nach den ersten Tagen Deines Schweigens hatte ich die Hoffnung, Du würdest nach passenden Worten suchen. Mittlerweile weiß ich, dass Du Dich entschieden hast, die Worte «Terror», «Hamas» und «Verurteilung» nicht in den Mund zu nehmen.«

Saleh sagte dazu am Dienstagabend: »Die Kritik von Gideon Joffe hat mich sehr getroffen, ich habe mich immer klar positioniert gegen jede Form von Antisemitismus.« Er verurteile selbstverständlich den Angriff der Hamas auf Israel.

Joffe äußerte sich anerkennend über das Engagement Salehs für den Wiederaufbau der Synagoge in Kreuzberg. Seine Schlussfolgerung lautet allerdings: »Man kann nicht die von den Nazis ermordeten Juden durch den Wiederaufbau der Synagoge Fraenkelufer ehren, wenn man zugleich zu den von den Islamisten ermordeten Juden schweigt.« Das zu tolerieren, wäre aus seiner Sicht unaufrichtig, so Joffe. »Schweren Herzens teile ich Dir daher mit, dass die Jüdische Gemeinde die Zusammenarbeit mit Dir bezüglich des Wiederaufbaus der Synagoge wird beenden müssen.«

Der Vorsitzende des Vereins Jüdisches Zentrum Synagoge Fraenkelufer, Peretz, teilte am Dienstagabend mit: »Der Vorstand und das Kuratorium des Jüdischen Zentrums Synagoge Fraenkelufer e.V. können die Kritik von Gideon Joffe nicht nachvollziehen.« Raed Saleh meine es mit seinem Engagement für den Wiederaufbau der Synagoge ernst. »Sein Einsatz für die Vielfalt an jüdischen Organisationen und Initiativen in Berlin ist beispiellos und erregt weltweit Respekt.«

In den vergangenen Wochen habe sich Saleh tatkräftig für das jüdische Leben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Berlin eingebracht. »Wir würden den Rücktritt von Herrn Joffe aus dem Kuratorium begrüßen, denn er hat sich leider schon lange als unzuverlässiger Partner erwiesen.«

Auch Rabbiner Yehuda Teichtal, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Chabad Berlin, äußerte sich anerkennend über Saleh: »Ich kenne ihn seit rund zehn Jahren. Er ist ein echter Unterstützer von jüdischem Leben in Berlin«, sagte er auf Anfrage. Er habe das mehrfach erlebt, etwa bei Salehs Unterstützung für den Jüdischen Campus in Wilmersdorf, einem Ort für Bildung, Kultur und Sport.

»Vor dem 25. Jahrestag des Mauerfalls hat er mir gesagt: Wir dürfen den 9. November 1938 nicht vergessen«, erinnerte sich Teichtal. »Wir haben damals gemeinsam mit jüdischen und muslimischen Studenten Stolpersteine in Neukölln geputzt.«

Saleh habe sich nach dem Terrorangriff der Hamas aber auch dafür eingesetzt, Präventionsprogramme gegen Antidiskriminierung und Antisemitismus auf den Weg zu bringen, sagte Teichtal.

Der SPD-Politiker hatte Anfang November Berliner Organisationen, die sich gegen Antisemitismus und für gesellschaftlichen Zusammenhalt engagieren, zu zwei Treffen eingeladen und eine engere Vernetzung angestoßen.

Münster

Gericht macht Unterschiede bei propalästinensischen Parolen

Wann ist Kritik am Staat Israel von der Meinungsfreiheit gedeckt? Ein Gericht in NRW sieht das generelle Verbot, das Existenzrecht Israels zu bestreiten, als rechtswidrig an

 24.11.2025

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 24.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  24.11.2025

Potsdam

BSW-Fraktionsvize tritt nach Reaktion auf AfD-Zitat zurück

Die Landtagsfraktion in Brandenburg ist nach vier Parteiaustritten in einer Krise. Nun tritt auch noch Fraktionsvize Dorst von seinem Amt zurück. Die Hintergründe

 24.11.2025

Soziale Medien

Plattform X: Israelfeindliche und antisemitische Inhalte aus Pakistan und der Türkei

Ein neues Transparenz-Feature zeigt: Angeblich von westlichen »Israelkritikern« betriebene Konten werden in Wirklichkeit aus anderen Teilen der Welt bearbeitet

 24.11.2025

Washington D.C.

Trump kündigt Einstufung der Muslimbrüder als Terrororganisation an

Der Organisation würde mit diesem Schritt der Zugang zu finanzieller Unterstützung verwehrt. Die Muslimbruderschaft wird immer wieder mit radikalen Ablegern in Verbindung gebracht

 24.11.2025

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025