Entwicklung

»Inzwischen bin ich Hardcore-Zionist«

Henryk M. Broder über sein Verhältnis zu Israel früher und heute

von Philipp Peyman Engel  08.04.2013 20:00 Uhr

»Seit Entebbe 1976 ist mir bewusst geworden, was Israel nicht nur für mich, sondern für alle Juden bedeutet«: Henryk M. Broder Foto: imago

Henryk M. Broder über sein Verhältnis zu Israel früher und heute

von Philipp Peyman Engel  08.04.2013 20:00 Uhr

Herr Broder, Israel wird 65. Wie wichtig ist Ihnen das Land?
Mittlerweile extrem wichtig. Israels Gründung ist das einzige positive Ereignis in der neueren jüdischen Geschichte – alles andere war von Horror, Terror und Unterdrückung bestimmt. Die Unabhängigkeitserklärung war der erste Schritt, um diesem Kreislauf von Verfolgung und Demütigung zu entkommen. Dass unser kleines Volk entgegen aller Wahrscheinlichkeit überlebt hat und einen eigenen Staat besitzt, erfüllt mich mit Genugtuung. Wenn ich gläubig wäre, was ich nicht bin, würde ich sagen, dass wir tatsächlich das auserwählte Volk sind.

Dachten Sie als junger Mann anders?
Absolut. Das Land war mir früher völlig wurscht. Ich bin damals zwar mit den linken deutschen Gutmenschen durch die Straßen gelaufen und habe »USA, SA, SS« skandiert. Und mancher von einst behauptet heute noch, ich sei Antizionist gewesen. Tatsächlich aber war ich schlicht nicht an Israel interessiert. Es war nicht meine Wirklichkeit. Inzwischen würde ich mich mit einem Lächeln als Hardcore-Zionisten bezeichnen.

Wodurch hat sich das geändert?
Der Auslöser war die Entführung einer Air-France-Maschine am 3. Juli 1976 nach Entebbe. Palästinensische Terroristen selektierten die Passagiere damals mithilfe der deutschen Geiselnehmer in jüdische und nichtjüdische Gefangene. Die Palästinenser waren zu blöd, um die jüdischen Namen zu erkennen, deshalb mussten sie auf bewährte deutsche Präzisionsarbeit zurückgreifen. Seit diesem Tage ist mir bewusst geworden, was Israel nicht nur für mich, sondern für alle Juden bedeutet – und vor allem, wie verlogen dieses ganze linke Gutmenschenpack in Deutschland ist.

War das der Grund, warum Sie wenig später Deutschland verließen und rund zehn Jahre lang in Israel lebten?
Natürlich wollte ich damals auch dem linken Pack entkommen. In Wahrheit aber war vermutlich der Wunsch, meiner Mutter zu entkommen, viel stärker. So oder so waren diese rund zehn Jahre eine meiner positivsten Erfahrungen im Leben. Ich wäre vermutlich noch heute dort, wenn ich nicht berufshalber nach New York und Berlin gekommen wäre. Trotzdem gehöre ich nicht zu den Spinnern, die sagen, jeder Jude müsse in Israel leben. Ich möchte nichts vorgeschrieben bekommen und möchte auch niemandem etwas vorschreiben. Jeder Jude in Israel – das ist romantischer Größenwahn.

Die Israel-Obsession der deutschen Linken bleibt eines Ihrer Haupthemen. Weshalb?
Sie kennen sicherlich das alte Sprichwort: Der Täter kehrt immer wieder zum Tatort zurück. Bis Anfang 30 war ich ja, wie gesagt, Teil dieses linken Gutmenschenpacks. Ich beobachte die Israel-Obsession der Linken bis heute mit Erstaunen und Faszination. Die Doppelmoral der Gutmenschen stinkt zum Himmel: Sie beschäftigen sich obsessiv mit Israel und schweigen bei schlimmsten Menschenrechtsverbrechen in Syrien oder Iran. Das alles geht ihnen an ihrem Gutmenschenarsch vorbei, weil sie sich jede Sekunde lang über Israel den Kopf zerbrechen.

Wie beurteilen Sie die Zukunft Israels?
Vor ein, zwei Jahren noch hätte ich eine extrem pessimistische Antwort gegeben. Heute sehe ich das ganz anders. Kürzlich hat Israel damit begonnen, Erdgas aus dem Mittelmeer zu fördern. Würden die USA und Israel dadurch von den Arabern wirklich energieunabhängig werden, würden die Karten im Nahen Osten komplett neu gemischt werden.

Das Gespräch führte Philipp Engel.

Frankreich

Spezialeinsatz vor iranischem Konsulat in Paris

Ein Mann soll mit Granaten am Gürtel das Gebäude betreten haben

 19.04.2024

Wiesbaden

Hessen lädt iranischen Generalkonsul aus

Es könne nicht so getan werden, »als ob nichts gewesen wäre«, sagt Manfred Pentz (CDU)

 19.04.2024

Nahostkonflikt

»Israel muss iranische Rakete mit Atomsprengkopf fürchten«

John Bolton warnt im NZZ-Interview vor der Verbreitung von Nukleartechnologie durch Nordkorea

 19.04.2024

Meinung

Gezielte Aktionen gegen das iranische Regime werden weitergehen müssen

Warum Teheran nicht nur eine Gefahr für die Region, sondern auch für die Ukraine ist

von Saba Farzan  19.04.2024

Iran/Israel

Scholz warnt erneut vor Eskalation im Nahen Osten

Es habe »erneut eine militärische Aktivität« gegeben, stellt der Bundeskanzler fest

 19.04.2024

Gmund

Merz: Selbstverteidigungsrecht Israels endet nicht an eigener Grenze

»Die Eskalationsdominanz liegt allein beim Mullah-Regime in Iran«, so der CDU-Chef

 19.04.2024

Antisemitismus

Zentralrat der Juden äußert sich zu Hallervordens Gaza-Video

Das Gaza-Gedicht des Schauspielers wurde in den vergangenen Tagen massiv kritisiert

 19.04.2024

Vereinte Nationen

Amerikanisches Veto gegen UN-Vollmitgliedschaft für Palästina

Die USA sehen Einigung auf eine Zweistaatenlösung als Voraussetzung für eine Anerkennung

 19.04.2024

Berlin

Zeitung: Anstieg rechtsextremer und antisemitischer Straftaten

Durch Judenhass motivierte Straftaten nehmen stark zu

 19.04.2024