Dornburg

In den Niederungen der Kreisliga

Ort für Fußball und Rassismus: Sportplatz in Dornburg Foto: dpa

Angriffe von Rechtsextremen gibt es täglich. Nur bekannt werden sie kaum. Entsprechende Meldungen werden von der Lokalpolitik, die sich um das Image ihres Ortes sorgt, gerne ignoriert. Es sei denn, eine überregionale Publikation nimmt sich des Themas an. Dann wird der Druck zu groß.

So geschehen auch im Fall des Amateur-Fußballvereins FC Ostelbien-Dornburg aus Sachsen-Anhalt. Was für die überregionale Öffentlichkeit ein erst vor wenigen Wochen aufgetauchter Skandal war, ist für Fußballer der Region um Magdeburg schon lange bekannt: Der FC Ostelbien-Dornburg besteht aus Rechtsradikalen, die auf dem Platz Angst und Schrecken verbreiten. Zehn bis 15 Spieler gelten als offen rechtsextrem.

Hooligan Jahrelang wurden die übrigen Vereine der Kreisliga allerdings mit der Gewalt, die Ostelbien besonders gegen ausländische Spieler verübt, allein gelassen: Der erste Zeitungsbericht darüber erschien erst Anfang Januar 2015 in der Magdeburger »Volksstimme«. Am Tag zuvor musste ein Fußballturnier des CV Eintracht Gommern abgebrochen werden, unter anderem hat angeblich der bei Ostelbien spielende Hooligan Dennis Wesemann, gegen den unter anderem wegen Volksverhetzung ermittelt werden soll, einen Zuschauer »angegriffen und geschlagen«.

Immerhin, beruhigte die »Volksstimme«, berieten bereits Fußballfunktionäre und Polizei darüber. Ganz neu dürfte das Problem damals im Januar keinem der Beteiligten gewesen sein, denn schon 2011 hatte der sächsisch-anhaltinische Landessportbund versucht, den 1. FC Dornburg gerichtlich verbieten zu lassen – vergeblich. Stattdessen wurde der Verein zum festen Bestandteil der Kreisliga Jerichower Land. Immerhin konnte im Januar 2015 vermeldet werden: Gegen Wesemann werde ermittelt, und er sei gesperrt.

Wie wenig ernsthaft diese verfügte Sperre umgesetzt wurde, zeigte sich drei Monate später, als mit der »tageszeitung« zum ersten Mal ein überregionales Medium berichtete: Im Spiel gegen die SG Blau-Weiß Niegripp waren die Kicker von Ostelbien wieder aggressiv geworden, diesmal gegen einen aus dem Kosovo stammenden Fußballer des Gegners.

Hallenfußball Insbesondere Dennis Wesemann bespuckte und schubste den jungen Mann, der bei den Jusos aktiv ist, derart ausdauernd, dass der Niegripper Coach ihn schließlich auswechselte und in die Kabine schickte, damit er sicherheitshalber dort bleibe. Dass Wesemann überhaupt auflaufen durfte, erklärte der Fußballverband mit einem Missverständnis. Man habe wohl geglaubt, die Sperre gelte nur für Hallenfußball.

Dass der Schiedsrichter den aus dem Kosovo stammenden Spieler der SG Niegripp nicht vor den Angriffen Wesemanns schützte, hat offenbar Methode. Klaus Ludewig vom Schiedsrichterausschuss des zuständigen Kreisverbandes Jerichower Land bestätigte, dass einige, und »nicht nur ein oder zwei« Referees sich weigerten, Spiele von Ostelbien zu pfeifen. Auch Berichte über sehr seltsame Schiedsrichterentscheidungen zugunsten von Ostelbien wurden bekannt – und von Unverschämtheiten: Ausländischen Spielern des Gästeteams FC Steglitz sei die Nutzung der sanitären Anlagen verboten worden – sie hätten nicht duschen dürfen.

Dem Bericht in der »taz« folgte Anfang Mai eine Anhörung im sachsen-anhaltinischen Landtagsausschuss. Der grüne Abgeordnete Sebastian Striegel zeigt sich danach nicht überzeugt von den Bemühungen der Funktionäre. Derweil tauchten die Ostelbier bei einem Spiel des SG Niegripp auf, der auf seiner Facebook-Seite einen Aufruf gegen Rechtsextremismus gepostet hatte. Die Polizei musste eingreifen.

Verein Dann aber berichtete der »Stern« über »das wohl rechtsextremste Team Deutschlands«. Der öffentliche Druck auf den Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) wurde so groß, dass er handeln musste: 59 der insgesamt 65 Schiedsrichter des KFV Jerichower Land hatten erklärt, Ostelbien nicht mehr pfeifen zu wollen. Und vier Vereine der Liga kündigten an, in dieser Saison nicht mehr gegen das Team anzutreten. Der Vorsitzende des Kreissportgerichts, Wilmut Pflaumbaum, reagierte auf eigene Art: Das Nichtantreten werde jeden Klub 200 Euro Strafe kosten.

Immerhin: Der FSA hat nun beim Landessportbund ein Ausschlussverfahren gegen Ostelbien beantragt. Am 31. August soll darüber entschieden werden, zwei Tage nach dem Saisonbeginn der Kreisliga. Mindestens einmal wird der Klub noch antreten.

Der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht (CDU), ist davon überzeugt, dass das Ausschlussverfahren gegen Ostelbien nicht vor Gericht angefochten werden kann. Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes reichten dazu aus. Die allerdings lagen auch schon vor Jahren vor – und würden vermutlich auch jetzt noch ohne Belang sein, wenn nicht überregional über den Naziverein berichtet worden wäre.

Meinung

Die Kluft zwischen Juden und Nichtjuden wird offensichtlich

Es lebt sich grundsätzlich anders mit dem Wissen, dass ein Regime, das den eigenen Tod zur Staatsdoktrin erhoben hat, sich in aller Ruhe daran macht, dieses Ziel zu erreichen. Wer sich nicht bedroht fühlt, kann dagegen gelassen auf Verhandlungen setzen, für deren Scheitern andere den Preis zahlen müssen.

von Esther Schapira  22.06.2025

Extremismus

Karin Prien stellt »Demokratie Leben« auf den Prüfstand

Fließen Fördergelder des Bundes auch an Akteure, die mit Antisemitismus in Verbindung stehen könnten? Das legen Recherchen der »Welt am Sonntag« nahe. Die Familienministerin verspricht eine Prüfung.

 22.06.2025

Krieg gegen Iran

USA warfen 14 bunkerbrechende Bomben auf Atomanlagen ab

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth informierte bei einer Pressekonferenz über die Angriffe

 22.06.2025 Aktualisiert

Diplomatie

Europäer nach US-Angriff auf Iran düpiert

Noch am Freitag hatten die Außenminister Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands und der EU versucht, Iran mit diplomatischen Mitteln vom Atomprogramm abzubringen

von Jörg Blank  22.06.2025

Schoa-Gedenken

Zentralrat setzt auf digitale Erinnerung

Es gibt immer weniger Zeitzeugen der Nazi-Verbrechen. Darum wird an neuen Formen des Erinnerns gearbeitet. Der Zentralrat der Juden befürwortet Digitales wie Computerspiele - aber nicht auf Kosten der Würde der Opfer

von Leticia Witte  22.06.2025

Krieg gegen Iran

Angela Merkel: Israel muss sich wehren können

Die Altkanzlerin hat auch eine Meinung zum Nahost-Konflikt. Das Recht Israels, sich gegen eine Auslöschung zur Wehr zu setzen, steht für sie außer Frage

 22.06.2025

Nahost

Setzen die Angriffe auf die iranischen Atomanlagen radioaktive Strahlung frei?

Die internationale Atombehörde IAEA meldet sich mit einer ersten Einschätzung zu Wort

 22.06.2025

Judenhass

Entsetzen über antisemitische Gewalttat in Berlin

Ein alarmierter Beamter zog seine Schusswaffe, woraufhin der Kufiya-Träger sein Messer niederlegte

 22.06.2025

Rabbiner Pinchas Goldschmidt

Skandal in Sarajevo

Wenn europäische Rabbiner zur Zielscheibe eines Regierungsboykotts werden, ist das nicht mehr legitime Kritik an Israel. Es ist Hasspropaganda

von Rabbiner Pinchas Goldschmidt  21.06.2025