Beschneidung

Im Ermessen

Brit Mila – der ewige Bund. Ein Rabbiner spricht den Segen über das Kind. Foto: dpa

Beschneidung

Im Ermessen

Warum die Brit Mila zum Elternrecht gehört

von Ingo Way  18.05.2010 09:56 Uhr

Sie ist ein kleiner Schnitt für einen Menschen, aber ein großes Thema für die Menschheit: die Beschneidung der männlichen Vorhaut. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man die Erregtheit betrachtet, mit der das Thema derzeit in der Rechtswissenschaft diskutiert wird: Ist die Beschneidung von Jungen eine strafbare Körperverletzung? Zu dieser Frage hat der Jurist Bijan Fateh-Moghadam, Wissenschaftler am Exzellenzcluster »Religion und Politik« an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, nun einen neuen Ansatz vorgelegt. Er plädiert zwar für das Recht der Eltern, ihre Söhne beschneiden zu lassen, beruft sich dabei aber nicht auf die Religionsfreiheit.

körperverletzung Im Judentum wie im Islam zählt die Beschneidung der Vorhaut zu den religiösen Pflichten. Aus juristischer Sicht ist der Vorgang zunächst einmal eine Körperverletzung – wie übrigens jeder andere ärztliche Eingriff auch. Doch im Falle eines medizinisch notwendigen Eingriffs bleibt dieser Akt der Körperverletzung straffrei. Doch wie sieht es bei der Beschneidung aus? Mehrere deutsche Juristen, darunter Holm Putzke von der Ruhr-Universität Bochum und Günter Jerou- schek, Strafrechtsprofessor in Jena, vertreten die Auffassung, die Beschneidung männlicher Neugeborener und Heranwachsender solle strafbar sein (vgl. JA vom 18. Februar). So argumentiert etwa Putzke im Deutschen Ärzteblatt, die religiöse Beschneidung sei medizinisch nicht notwendig, ferner sei kein Nutzen festzustellen, der in einem vernünftigen Verhältnis zum »Verlust von Körpersubstanz« stehe. Diejenigen, die die Beschneidung nach wie vor straffrei wissen wollen, führen dazu meist die Religionsfreiheit an.

Fateh-Moghadam hält dem in einem Beitrag für die Zeitschrift Rechtswissenschaft (Heft 2/2010) nun entgegen, dass es sich gar nicht um eine Frage der Religionsfreiheit handle. Das grundgesetzlich geschützte Elternrecht (Art.6 Abs.2 GG), schreibt der Jurist, gestatte es den Eltern, ihre nicht zustimmungsfähigen Kinder (Heranwachsenden, die bereits Einwände äußern können, will Fateh-Moghadam ein Vetorecht einräumen) beschneiden zu lassen – ganz gleich, ob aus religiösen, hygienischen, gesundheitlichen oder sonstigen Gründen.

Risiko All diese Gründe gingen den Staat nichts an, vielmehr sei dieser in der Begründungspflicht, wenn er die Beschneidung verbieten wolle. Er müsse beweisen, dass diese unzumutbare negative Folgen habe. Dies sei aber nach dem gegenwärtigen Forschungsstand nicht der Fall, so Fateh-Moghadam. Im Gegenteil hätten beschnittene Männer sogar ein geringeres Risiko, sich mit Geschlechtskrankheiten anzustecken.

Das Fazit des Autors: »Die Legitimation auch religiöser Beschneidungen von Knaben« gilt nicht nur als Ausnahme für bestimmte Religionsgruppen. »Sie folgt vielmehr aus der für jedermann geltenden Be- stimmung der Reichweite des elterlichen Sorgerechts.« Die Vorstellung sei absurd, erklärt Fateh-Moghadam der Jüdischen Allgemeinen, wenn jüdische oder muslimische Eltern ihre Söhne beschneiden lassen dürften, Eltern, die dies aus präventiv-medizinischen Gründen erwägen, jedoch nicht.

Doch warum steht das Thema überhaupt zur Debatte? Bisher wurde in der Bundesrepublik noch kein Fall von Beschneidung strafrechtlich verfolgt. »Sowohl in der Medizin als auch bei Juristen gibt es eine Tendenz, Normalitätsstandards zu formulieren und mit den Mitteln des Rechts durchzusetzen«, glaubt Fateh-Moghadam. Es solle paternalistisch festgeschrieben werden, »was für alle Kinder richtig oder für alle Kinder falsch ist«. Aus dem Grundgesetz folge aber ein Vorrang der elterlichen Personensorge, der den Staat auf eine »Unvertretbarkeitskontrolle« beschränke.

Gesundheit Mit dem Argument, eine Beschneidung schütze vor bestimmten Krankheiten, macht sich Fateh-Moghadam möglicherweise angreifbar. Denn längst gibt es kritische Stimmen von Wissenschaftlern, die etwa das geringere Risiko einer HIV-Infektion bei beschnittenen Männern bezweifeln. Doch der Jurist betont, dass seine Argumentation davon nicht abhängt: »Die Beschneidungsgegner sagen: Die Vorteile müssen objektiv die Nachteile überwiegen, um eine Beschneidung rechtfertigen zu können. Aus meiner Sicht reicht es aber, dass die Frage in der Wissenschaft kontrovers diskutiert wird. Schon allein, dass die Mediziner sich nicht einig sind, zeigt, dass es diesen objektiven Maßstab nicht gibt.«

Australien

Polizei: Angreifer in Sydney waren Vater und Sohn 

Weitere Details des judenfeindlichen Terroranschlags werden bekannt

von Denise Sternberg  14.12.2025

Hintergrund

Der Held von Sydney

Laut australischen Medien handelt es sich um einen 43-jährigen muslimischen Vater von zwei Kindern, der einen Laden für lokale Produkte betreibt

 14.12.2025

Jerusalem

Israels Regierungschef wirft Australien Tatenlosigkeit gegen Judenhass vor

Nach einem Anschlag in Sydney fordert Netanjahu von Australien entschlosseneres Handeln gegen Judenhass. Er macht der Regierung einen schweren Vorwurf

 14.12.2025

Kommentar

Müssen immer erst Juden sterben?

Der Anschlag von Sydney sollte auch für Deutschland ein Weckruf sein. Wer weiter zulässt, dass auf Straßen und Plätzen zur globalen Intifada aufgerufen wird, sollte sich nicht wundern, wenn der Terror auch zu uns kommt

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025 Aktualisiert

Anschlag in Sydney

Felix Klein: »Von Terror und Hass nicht einschüchtern lassen«

Zwei Männer töten und verletzen in Sydney zahlreiche Teilnehmer einer Chanukka-Feier. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung äußert sich zu der Tat

 14.12.2025

Terror in Sydney

Zivilist entwaffnet Angreifer und wird als »Held« gefeiert

Zwei Männer schießen auf Teilnehmer einer Chanukka-Feier in Sydney: Es gibt Tote und Verletzte. Ein Video soll nun den mutigen Einsatz eines Passanten zeigen

 14.12.2025

Australien

Merz: »Angriff auf unsere gemeinsamen Werte«

Bei einem Anschlag auf eine Chanukka-Feier in der australischen Metropole gab es viele Tote und Verletzte. Der Bundeskanzler und die Minister Wadephul und Prien äußern sich zu der Tat

 14.12.2025 Aktualisiert

Terror in Sydney

Zentralrat der Juden: »In Gedanken bei den Betroffenen«

Der Zentralrat der Juden und weitere jüdische Organisationen aus Deutschland äußern sich zu dem Anschlag auf eine Chanukka-Feier im australischen Sydney

 14.12.2025 Aktualisiert