Sicherheit

»Ich wünsche mir ein ruhiges Leben in Deutschland«

Polizeischutz in Halle Foto: Stephan Pramme

Sicherheit

»Ich wünsche mir ein ruhiges Leben in Deutschland«

Nach dem Anschlag von Halle wird das Thema in vielen kleinen Gemeinden verstärkt diskutiert

von Elke Wittich  21.11.2019 10:37 Uhr

Nicht nur sichtbar verstärkter Schutz von jüdischen Einrichtungen, sondern auch Überprüfungen und sicherheitstechnische Beratungen – nach dem Anschlag von Halle arbeiten Ministerien der Bundesländer und Polizeibehörden ganz konkret daran, weiteren antisemitischen Terrorismus zu verhindern. In einigen Bundesländern wurde die Polizeipräsenz unter anderem vor Synagogen und jüdischen Schulen noch einmal erhöht.

Über einzelne Sicherheitsmaßnahmen und Empfehlungen möchten begreiflicherweise weder Behörden noch Gemeinden sprechen. »Wir wurden von den Behörden bereits kontaktiert, und es kommt zu Gesprächen«, sagt Friedrich Thull, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Aachen. Weitere Einzelheiten möchte er nicht nennen. Dass die Behörden von sich aus aktiv wurden und das Gespräch suchten, sei schon sehr positiv, fügt er hinzu.

führungen Das Interesse am Leben der jüdischen Bürger sei in Aachen groß, stellt Thull weiter fest. Jedes Jahr melden sich rund 100 Gruppen, meistens Schulklassen, zu Führungen durch die Synagoge der Stadt an, »das Interesse ist sogar noch größer«, sagt Thull. »Aber das ist auch gleichzeitig ein Problem, denn Offenheit kostet Geld, wir brauchen dann mehr Sicherheit, und das Risiko erhöht sich dadurch auch.«

Nach dem Anschlag von Halle arbeiten Ministerien der Bundesländer und Polizeibehörden ganz konkret daran, weiteren antisemitischen Terrorismus zu verhindern.

In Bad Kreuznach wurden nach Halle die Sicherheitsvorkehrungen vom LKA bereits geprüft, »man war mit unseren Maßnahmen soweit schon sehr zufrieden«, berichtet der Gemeindevorsitzende Valeryan Ryvlin und klingt dabei durchaus ein bisschen stolz.

Die Synagoge war erst 2002 eingeweiht worden, ursprünglich hatte das Gebäude der US-Armee als Kapelle gedient. »Sie war in den 50er-Jahren errichtet worden«, berichtet Ryvlin, der studierter Bauingenieur ist. »Und sie war kein besonders sicheres Gebäude, das musste sie auch damals nicht sein, denn sie befand sich auf dem Gelände der US-Streitkräfte, und dessen Ein- und Ausgänge wurden von bewaffneten Wachposten gesichert.«

security Das Gebäude sei sicherheitstechnisch schon auf einem recht guten Stand, Sorgen macht aber langfristig die Security. »Wir haben sehr viele alte Menschen als Mitglieder«, erklärt Ryvlin, »wir können selbst keine Sicherheitskräfte stellen, unsere Leute schaffen das nicht mehr.« Und als kleine Gemeinde habe man auch keine großen finanziellen Mittel, »wir haben keine Immobilien, keine finanziellen Möglichkeiten, auf die wir in Notsituationen zurückgreifen könnten.«

Die Bad Kreuznacher Juden setzen auf gute Kontakte, unter anderem mit den anderen Religionsgemeinschaften der Stadt. »Wir sind alle verschieden, wir leben und glauben verschieden, wir haben unterschiedliche Riten und Sitten, aber man muss sich gegenseitig akzeptieren und respektieren«, sagt Ryvlin. Nur so könne man etwas Gemeinsames schaffen, wie eben »eine Stadt, in der alle gut leben können«.

Über einzelne Sicherheitsmaßnahmen und Empfehlungen möchten weder Behörden noch Gemeinden sprechen.

Gleichzeitig warnt er davor, »alles durch die rosarote Brille« zu sehen. »Der Antisemitismus hat natürlich zugenommen. Man muss realistisch bleiben, niemand kann ausschließen, eines Tages wieder weggehen zu müssen«, sagt er.

unterstützung »Viele Leute kamen in letzter Zeit zu uns, Politiker, Polizei, Zeitungen«, stellt Leonid Gajdichowytsch, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Königs Wusterhausen, fest. »Wir bekommen gute Unterstützung, und wir haben gute Beziehungen zu allen.« In KW, wie die Stadt in der Region manchmal verkürzt genannt wird, »ist man tolerant, wir hatten bisher keine Übergriffe zu verzeichnen«.

Im Mai 2000 war die Gemeinde gegründet worden, nächstes Jahr begeht man das 20-jährige Jubiläum, »es fällt zusammen mit dem 700. Jahrestag der Stadtgründung von Königs Wusterhausen, da feiern wir dann alles zusammen«, freut sich Gajdichowytsch.

In der kleinen Gemeinde mit gerade 58 Mitgliedern ist man sehr aktiv. Natürlich seien insbesondere die älteren Menschen nach dem Anschlag von Halle ängstlicher, »alte Menschen haben generell mehr Angst als junge, aber wir sind ja nicht allein, zu Veranstaltungen fahren wir zum Beispiel immer zusammen«.

»Ein ruhiges Leben in Deutschland« wünsche man sich, sagt Gajdichowytsch, »wir hoffen, dass alles gut weitergeht, aber wir werden natürlich auch immer an die Geschichte erinnert«.

Gedenkstätten

Gedenkzeichen für jüdische Ravensbrück-Häftlinge

Zur feierlichen Enthüllung werden unter anderem Zentralratspräsident Josef Schuster, die brandenburgische Kulturministerin Manja Schüle (SPD) und der Beauftragte für Erinnerungskultur beim Kulturstaatsminister, Robin Mishra, erwartet

 03.11.2025

Innere Sicherheit

Dschihadistisch motivierter Anschlag geplant: Spezialeinsatzkommando nimmt Syrer in Berlin-Neukölln fest 

Nach Informationen der »Bild« soll der Mann ein Ziel in Berlin im Blick gehabt haben

 02.11.2025 Aktualisiert

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  02.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Ich kann euch nicht hören

Während im Sudan die schwerste humanitäre Krise der Welt tobt, schweigen die selbst ernannten Menschenrechts-Demonstranten in Europa und auf der Welt

von Sophie Albers Ben Chamo  02.11.2025

Berlin/München

Nach Terror-Skandal beim ZDF: ARD überprüft Mitarbeiter in Gaza

Alle in Gaza tätigen Mitarbeiter hätten versichert, keinerlei Nähe zu Terrororganisationen zu haben, sagt der zuständige Bayerische Rundfunk

 02.11.2025 Aktualisiert

Jerusalem/Düsseldorf

Yad Vashem will beim Standort in Deutschland eine schnelle Entscheidung

In Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Sachsen soll erstmals außerhalb Israels ein Bildungszentrum zum Holocaust entstehen. Die Entscheidung soll zügig fallen

 02.11.2025 Aktualisiert

Düsseldorf

Wolfgang Rolshoven mit Josef-Neuberger-Medaille geehrt

Mit der Auszeichnung würdigte die Jüdische Gemeinde Rolshovens jahrzehntelanges Engagement für jüdisches Leben und seinen entschlossenen Einsatz gegen Judenhass

 31.10.2025

Nürnberg

»Nie wieder darf Hass die Oberhand gewinnen«

Kongressabgeordnete aus Washington D.C., Touristen aus China und Geschichtsinteressierte aus Franken: Das Interesse an den Nürnberger Prozessen ist 80 Jahre nach dem Start des historischen Justizereignisses ungebrochen

von Michael Donhauser  31.10.2025

Ankara

Offene Konfrontation zwischen Erdogan und Merz über Israel und Gaza

Eigentlich wollte der Bundeskanzler bei seinem Antrittsbesuch neue Harmonie in die deutsch-türkischen Beziehungen bringen. Bei einer Pressekonferenz mit mit türkischen Präsidenten kommt es stattdessen zur offenen Konfrontation

von Anne Pollmann, Michael Fischer, Mirjam Schmitt  31.10.2025