USA

»Ich denke, du wärst stolz«

Preisträgerin 2022: Amy Gutmann Foto: David Brown / LBI

USA

»Ich denke, du wärst stolz«

Washingtons Botschafterin in Deutschland, Amy Gutmann, erhielt die Leo-Baeck-Medaille – und widmete sie ihrem Vater

von Jessica Donath  26.10.2022 13:01 Uhr

Amy Gutmann, seit Februar dieses Jahres Botschafterin der Vereinigten Staaten in Deutschland, hat am Dienstag im Center for Jewish History in New York die Leo-Baeck-Medaille entgegengenommen. Das Leo Baeck Institute (LBI), das sich der Erforschung der deutsch-jüdischen Geschichte und Kultur verschrieben hat, ehre mit Gutmann eine Wissenschaftlerin und Diplomatin, die wie wenige Personen die Ideale der nach dem liberalen Rabbiner Leo Baeck benannten Forschungseinrichtung verkörpere, sagte Institutspräsident David Marwell zur Einführung.

Die Tochter eines deutsch-jüdischen Einwanderers bekannte sich dann auch gleich zu Beginn ihrer Dankesrede zu ihrer Biografie und zur Geschichte. »Die Erinnerung an Überlebende der Schoa wachzuhalten, ist für mich die größte Verantwortung«, sagte Gutmann. Sichtlich bewegt sprach sie über ihren Vater, »einen der wunderbarsten Menschen, die ich je kennengelernt habe«, der plötzlich und unerwartet verstarb, als Gutmann erst 16 war.

EMIGRATION Kurt Gutmann wuchs als jüngstes von fünf Kindern in einer orthodoxen jüdischen Familie in Nürnberg auf. Als 23-Jähriger verließ er 1934 seine Heimat. Später gelang es ihm, auch seinen Eltern und Geschwistern die Flucht zunächst nach Indien und dann in die USA zu ermöglichen.

Nach der Emigration sprach der Vater nur noch Englisch und kaufte keine deutschen Produkte. In die alte Heimat reiste er nie. Über seine Erfahrungen habe er der Tochter nicht viel berichtet.

Ihr wissenschaftliches Interesse an Demokratie, Ethik und Identität führt die Politikwissenschaftlerin, Professorin und ehemalige Universitätspräsidentin, die als Erste in ihrer Familie ein Hochschulstudium abschloss, dennoch auf den Einfluss des Vaters zurück. »Er hat mir gezeigt, dass es wichtig ist, sich früh – und wann immer möglich – gegen alle Formen von Hass, Fanatismus und Diskriminierung auszusprechen«, sagte Gutmann.

DEMOKRATIE Für Gutmann heißt der Slogan »Never again«, dass jeder Einzelne in der Verantwortung steht, sich aufzulehnen gegen Hass und Intoleranz. Aus ihrer Forschung habe sie gelernt, dass Demokratie eine fragile Gesellschaftsform sei, die verteidigt werden muss – notfalls auch mit Gewalt.

Zwischenapplaus gab es, als sie zur weiteren Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland aufrief. »Wenn wir ›Never again‹ ernst meinen, müssen wir den Menschen in der Ukraine beistehen, bis sie gewonnen haben.«

Angesichts der Entwicklung, die das neue Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkriegs genommen habe, wäre ihr Vater sicherlich zufrieden mit der Berufswahl der Tochter, hofft Gutmann. »Deutschland ist sich seiner historischen Verantwortung gegenüber den Opfern der Schoa und gegenüber Israel zutiefst bewusst«, führte sie aus.

Hommage Zum Abschluss ihrer Rede hielt Gutmann ein kleines Foto ihres Vaters hoch. An ihn gewandt, widmete sie ihm die Leo-Baeck-Medaille. »Ich denke, du wärst nicht nur sehr stolz auf deine Tochter, sondern auch auf dein Land, Amerika, das dein Land wurde, und auch auf das Land, aus dem du fliehen musstest, und was aus ihnen geworden ist. Dieser Preis ist eine Hommage an dich und an das Andenken an die Opfer der Schoa und die Überlebenden«, sagte Gutmann.

Die Leo-Baeck-Medaille wird seit 1978 an Persönlichkeiten verliehen, die sich um die deutsch-jüdische Aussöhnung und das Andenken der deutschsprachigen Juden in Mitteleuropa besonders verdient gemacht haben. Zu den früheren Preisträgern gehören Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Gegründet wurde das Leo Baeck Institute 1955 von deutsch-jüdischen Immigranten in den Vereinigten Staaten. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten neben dem Namensgeber unter anderem auch der Religionsphilosoph Martin Buber und die politische Theoretikerin Hannah
Arendt. Ihr Anliegen war die Bewahrung der reichen und lebendigen deutsch-jüdischen Kultur vor und während des Zweiten Weltkriegs. Heute beherbergt das LBI eine Forschungsbibliothek und ein Archiv. Es hat Zweigstellen in mehreren Ländern.

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 26.11.2025

Urteil

Verbot des Berliner Palästina-Kongresses war rechtswidrig

Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Verbot eines Palästina-Kongresses nachträglich für rechtswidrig erklärt

 26.11.2025

Hans-Jürgen Papier

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  26.11.2025

Wehrpflicht

Freiheit gemeinsam verteidigen

Russlands Angriffskrieg unterstreicht die Notwendigkeit einer starken Bundeswehr. Wenn die Situation es erfordert, dann müssen auch wir Juden bereit sein, unseren Beitrag zu leisten

von Josef Schuster  26.11.2025

Verhandlung

Verbot israelfeindlicher Proteste: Berlin mit Klagen konfrontiert

Das Verwaltungsgericht prüft zwei unterschiedlich gelagerte Klagen von Veranstaltern einer Demonstration im Dezember 2023 und des sogenannten Palästina-Kongresses im April 2024

 26.11.2025

Potsdam

BSW vor Zerreißprobe: Dorst stellt Parteiverbleib infrage

Die jüngsten Ereignisse haben Implikationen für die Landesregierung. Bei nur zwei Stimmen Mehrheit im Landtag könnte jeder Bruch in der BSW-Fraktion ihr Ende bedeuten

 26.11.2025

Buenos Aires

Milei will 2026 Botschaft in Jerusalem eröffnen

Israels Außenminister Sa’ar erklärte in der argentinischen Hauptstadt, »im April oder Mai« werde die Eröffnung erfolgen

 26.11.2025

Montréal

Air Canada prüft Beschwerde über Palästina-Anstecker in der Form Israels

Der Passagier Israel Ellis beschwert sich über das israelfeindliche Symbol an der Jacke einer Stewardess. Sie habe ihn zudem angeschrien, als sie seine Davidstern-Kette gesehen habe

 26.11.2025

Berlin

Friedrich Merz besucht Israel

Als Kanzler ist es sein erster Aufenthalt im jüdischen Staat. Die Beziehungen hatten zuletzt unter Druck gestanden

 25.11.2025