Interview

»Ich bin dankbar und gerührt«

Pinchas Goldschmidt, Vorsitzender der Europäischen Rabbinerkonferenz Foto: picture alliance/dpa

Interview

»Ich bin dankbar und gerührt«

Rabbiner Pinchas Goldschmidt über den Erhalt des renommierten Aachener Karlspreises und seine Flucht aus Russland

von Michael Thaidigsmann  10.05.2024 00:03 Uhr

Rabbiner Goldschmidt, Sie bekommen diese Woche den renommierten Aachener Karlspreis verliehen. Was bedeutet Ihnen das ganz persönlich?
Es ist eine ganz besondere Ehre, ich bin dankbar und gerührt. Nicht nur für mich, sondern auch für die jüdischen Gemeinden in Europa und für das Judentum insgesamt. Das ist ein starkes Signal, und der Zeitpunkt könnte nicht besser gewählt sein.

Sie mussten vor zwei Jahren Russland im Zuge des Ukraine-Kriegs verlassen, nach fast drei Jahrzehnten als Moskauer Oberrabbiner. Geht Europa richtig mit der Aggression des Kreml um?
Die einzige Sprache, die der Kreml versteht, ist Einigkeit, Entschlossenheit und Stärke. Europa hat reagiert, nimmt aber die ausgerufene Zeitenwende noch als etwas Theoretisches hin, anstatt aktiv zu handeln und Abschreckung und Verteidigungsbereitschaft zu zeigen. Langfristig muss Europa seine Identität stärken und sich auf mögliche Angriffe vorbereiten, zur Not auch ohne die Hilfe der Vereinigten Staaten. Denn fällt die Ukraine, wären als Nächstes Polen und die baltischen Länder bedroht und damit wir alle.

Wo verläuft Ihrer Meinung nach die Grenze zwischen gerechtfertigter Kritik an Israel und Antisemitismus?
Wenn mit zweierlei Maß gemessen und versucht wird, eine Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben, die in meist unsäglichen Holocaust-Vergleichen oder Genozid-Vorwürfen endet. Manche Gruppen haben inzwischen jegliches Maß verloren, was ihre Israel-Kritik angeht. Es ist schon unerträglich, mit welch eklatantem historischen Unwissen und mit welcher Ignoranz da falsche Narrative nachgeplappert werden und wie über Israel und das jüdische Volk gerichtet wird.

Die Lage für Europas Juden ist nicht erst seit dem 7. Oktober 2023 dunkel. Sind Auszeichnungen wie der Karlspreis da mehr als bloß ein Trostpflaster?
Wenn der Ausruf »Nie wieder!« mehr als eine leere Worthülse sein soll, dann muss gehandelt werden. Der Karlspreis an die jüdische Gemeinschaft ist ein Impuls zur richtigen Zeit, dass Europas Juden hier tatsächlich eine Zukunft haben können.

Was kann die Politik konkret tun, um die Situation jüdischer Menschen in Europa zu verbessern?
Die Europäische Rabbinerkonferenz hat jetzt zu den Europawahlen ein Manifest veröffentlicht, in dem wir die europäische Politik auffordern, den grassierenden Antisemitismus durch Bildung, durch interreligiöse Arbeit und klare Gesetze besser zu bekämpfen. Wir fordern auch, dass religiöse Praktiken wie die Schechita oder die Brit Mila geschützt werden. Sie sind für jüdisches Leben von grundlegender Bedeutung, aber leider in vielen EU-Staaten bedroht. Wir fordern deshalb, sie stärker gesetzlich zu schützen.

Das Interview mit dem Präsidenten der Europäischen Rabbinerkonferenz führte Michael Thaidigsmann.

Nahost

Israel: Wir stehen kurz vor Abschluss des Einsatzes in Gaza

US-Präsident Donald Trump sagte jüngst, dass es bald im Gaza-Krieg eine Waffenruhe geben könnte. Auch Israels Verteidigungsminister Katz äußert sich nun optimistisch

 30.06.2025

Debatte

Anti-Israel-Parolen: USA entziehen britischer Band Visa

Ein britischer Festivalauftritt mit israelfeindlichen Parolen wird live von der BBC übertragen. Der Sender steht unter Druck – und die USA kündigen an, der Band die Einreise zu verweigern

 30.06.2025

Interview

Nuklearforscher: »Das iranische Atomprogramm neu aufzubauen wird Jahre dauern«

Georg Steinhauser über die israelischen und amerikanischen Schläge gegen Atomanlagen im Iran, die Eigenschaften von Uran-235 und mögliche Szenarien für die Zukunft

von Michael Thaidigsmann  30.06.2025

Israel

Früherer Geheimdienstchef der israelischen Armee: Jerusalem musste das Atomprogramm der Mullahs stoppen

Im Juni 1981 war Amos Yadlin an der Zerstörung von Saddam Husseins Kernreaktor beteiligt. Nun hat er ausführlich über Israels Präventivschlag gegen das Mullah-Regime und den angeblichen »Völkermord« in Gaza Auskunft gegeben

von Imanuel Marcus  30.06.2025 Aktualisiert

Drohung

Iranische Zeitung fordert Todesstrafe gegen IAEA-Chef Grossi

Das staatliche Propagandablatt wirft Rafael Grossi vor, für Israel spioniert zu haben

 30.06.2025

Düsseldorf

Islamistischer Tiktok-Star gesteht Spendenbetrug

Der Islamist »Abdelhamid« hat unter seinen Followern Spenden »für Palästina« gesammelt und diese dann unter anderem für einen BMW ausgegeben. Das gestand er nun vorm Düsseldorfer Landgericht

von Martin Höke  30.06.2025

Düsseldorf

NRW: Zahl antisemitischer Straftaten gestiegen

Fast 700 Fälle wurden im vergangenen Jahr registriert - ein Zuwachs von 27 Prozent

 30.06.2025

Uni Duisburg

Online-Mahnmal gegen Schändung jüdischer Friedhöfe gestartet

Die Universität Duisburg-Essen hat ein Online-Projekt zum Schutz jüdischer Friedhöfe vorgestellt. Grundlage dafür ist eine interaktive Karte

von Raphael Schlimbach  30.06.2025

Atomprogramm

Iran signalisiert Bereitschaft zu Verhandlungen

Nach den US-Angriffen auf iranische Nuklearanlagen wurden die Atomgespräche zunächst unterbrochen. Nun mehren sich Signale Teherans, an den Verhandlungstisch zurückzukehren - unter Bedingungen

 30.06.2025