Brit Mila

Hoffen auf Karlsruhe

Das Verfassungsgericht wird möglicherweise das letzte Wort haben. Foto: dpa

Der Gesetzgeber muss handeln. Das fordern nach dem umstrittenen Beschneidungsurteil des Landgerichts Köln nicht nur der Zentralrat der Juden in Deutschland und die muslimischen Verbände. Auch die Katholische Bischofskonferenz und die evangelische Kirche verlangen Rechtssicherheit zugunsten der Religionsfreiheit.

Nur beim Gesetzgeber selbst, den Abgeordneten des Bundestags, wird derzeit kaum über parlamentarische Initiativen diskutiert. »Ich wünsche mir eine höchstrichterliche Überprüfung des Urteils«, sagt Maria Flachsbarth, kirchenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Da das Kölner Urteil aber mittlerweile rechtskräftig ist – sowohl der verurteilte muslimische Arzt als auch die Staatsanwaltschaft verzichteten auf Revision –, überlegt Flachsbarth, ob nicht aus dem Parlament heraus eine solche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts initiiert werden kann.

Selbstanzeige Wie die Beschneidungsfrage vors Verfassungsgericht kommen soll, ist allerdings völlig unklar: Eine Organklage von Abgeordneten beispielsweise ist nur dann möglich, wenn die Rechte des Parlaments beeinträchtigt wurden. Das aber liegt hier nicht vor. Gehofft wird nun auf eine Selbstanzeige eines Mohels oder eines Arztes, der Beschneidungen durchführt. Am besten, so eine Konstruktion, die Justiziare ausgetüftelt haben, wäre, wenn der gerade verurteilte muslimische Arzt aus Köln eine Beschneidung wiederholte, am besten unter Aufsicht eines Arztkollegen, der ihm bescheinigt, medizinisch sauber gearbeitet zu haben. Dann würde der Fall wieder beim Landgericht Köln landen, der Arzt würde wieder verurteilt und könnte diesmal Revision notfalls bis zur höchsten Instanz einlegen, dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Dass diese Idee umgesetzt wird, ist allerdings unwahrscheinlich: Der Arzt müsste das volle rechtliche und finanzielle Risiko tragen. Auch Volker Beck von den Grünen gibt zu bedenken: »Wenn sich selbst jüdische Mediziner weigern, hier ein persönliches Risiko einzugehen und vor Gericht zu kämpfen, wird es diesen Weg nicht geben.« Dann wäre aus Sicht Becks ein eigenes neues Gesetz nötig.

Für eine schnelle Änderung des Strafgesetzbuchs tritt auch der FDP-Abgeordnete Serkan Tören, selbst Muslim, ein. Im Paragraph 228 StGB heißt es, dass eine Körperverletzung mit Einwilligung erlaubt ist, es sei denn, sie verstoße »trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten«. Tören fordert, dass dort auch jüdische und islamische Beschneidungsriten als Ausnahme benannt werden. »Sollte die Beschneidung aus religiösen Gründen in Deutschland verboten sein«, sagt Serkan Tören, »kann sich das Land jede weitere Integrationspolitik sparen.«

Törens Fraktionskollege Pascal Kober gibt allerdings zu bedenken: »Wenn wir ein Gesetz machen, könnte das auch bis nach Karlsruhe gehen.« Der evangelische Theologe hofft auf eine höchstrichterliche Klarstellung, die, sagt er, schnell kommen muss: »Ein Verbot ist unzumutbar für Muslime und Juden«, so Kober. »Sonst ist jüdischer Glaube in Deutschland nicht möglich.«

einwilligung Im von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) geleiteten Justizministerium sieht man dagegen keinen Handlungsbedarf: »Das Urteil ist eine singuläre Entscheidung«, sagt eine Sprecherin. »Jedes andere Gericht kann anders entscheiden.« Nach Ansicht des Ministeriums sei eine Beschneidung aus religiösen Gründen weiterhin »einwilligungsfähig«.

Anfang der Woche trafen sich die SPD-Justiziminister der Länder und besprachen das Thema. Man kam aber nur überein, es in der Sommerpause wieder zu behandeln.

Auf ein Problem einer gesetzlichen Regelung weist Volker Beck hin: die Haltung der Bundesregierung. »Es besteht durchaus in solchen Gesetzgebungsprozessen immer die Gefahr, dass unklare Kompromisse geschlossen werden«, sagt Beck. »Eine klare Ansage der Kanzlerin für eine klare Regelung könnte hier hilfreich sein.« Dabei dürfte auch die Mehrheitsmeinung in Deutschland gegenüber den beschnittenen Rechten der Minderheiten eine Rolle spielen: Laut einer Emnid-Umfrage für den »Focus« halten 53 Prozent der Bundesbürger das Kölner Urteil für richtig, nur 35 Prozent halten es für falsch.

Brüssel

Keine Nato-Rüstungsaufträge mehr an israelische Firma?

Einem Bericht verschiedener Medien zufolge ist Israels führendes Wehrtechnikunternehmen Elbit Systems wegen Korruptionsverdachts vorläufig von weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen worden

 10.12.2025

Polen

Neun polnische KZ-Opfer werden im Juni seliggesprochen

Die Nationalsozialisten brachten in Dachau und Auschwitz auch Hunderte polnische Priester um. Die katholische Kirche verehrt mehrere von ihnen als Märtyrer. Bald werden neun weitere Geistliche in Krakau seliggesprochen

 10.12.2025

Soziale Medien

Historiker: Geschichte von tanzendem Mädchen in KZ frei erfunden

Ein Faktencheck

 10.12.2025

Deutschland

Rechtsextremismus beunruhigt Deutsche stärker als Zuwanderer

Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu, während die Angst vor Rechtsextremismus bei Deutschen ohne Migrationshintergrund besonders hoch ist. Was verrät die neue KAS-Studie noch?

 09.12.2025

Medien

Äußerst ungewöhnlicher Schritt: Irans Staatssender gesteht Fehler bei Kriegsberichterstattung ein

Nach dem Krieg gegen Israel gesteht der Präsident des iranischen Staatssenders eine Falschmeldung ein. Die Hintergründe

 09.12.2025

Umfrage

KAS-Studie: Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine neue Studie zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft vorgelegt. Dabei wurden auch Einstellungen zu Juden abgefragt

 09.12.2025

Naher Osten

Bericht: Keine Rolle für Tony Blair bei Gaza-Friedensrat

Anstelle Blairs ist der bulgarische Diplomat und ehemalige Nahostgesandte Nickolay Mladenov im Gespräch, wie die »Financial Times« vermeldete

 09.12.2025

Frankfurt am Main

Lufthansa Cargo stoppt Militärtransporte nach Israel

Während die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Jerusalem eine Annäherung erleben, ist dies im Luftfahrt-Bereich nicht der Fall. Warum?

 08.12.2025

Berlin

Presseschau zum Israel-Besuch von Kanzler Friedrich Merz

Wie bewerten deutsche Leit- und Regionalmedien Merz‘ Antrittsbesuch bei Ministerpräsident Benjamin Netanjahu?

 08.12.2025