Meinung

Hitler, Chaplin und Oliver Polak

Es sind befremdliche Klänge, die derzeit durchs Netz schwappen. »Ich ziehe ’ne Hakenkreuz-Line aus purem Speed, Hitler, ich ziehe was, was du nicht ziehst!«, heißt es da, oder auch »Wenn ich mit meinem Finger schnipse, stehst du Plus-2 auf Schindlers Liste«. Doch keine Sorge: Das ist keine Neonazi-Hymne, sondern der neue Song der Berliner Hip-Hop-Truppe »K.I.Z.«. Und als wäre der Titel – Ich bin Adolf Hitler – nicht schon provokant genug, sorgt der jüdische Comedian Oliver Polak, der im dazugehörigen Video den Proleten-Hitler mimt, letztlich für vollendete Empörung.

Denn das Gezeigte ist zuweilen gruselig bis ekelerregend. Am liebsten würde man abschalten, wäre man nicht gezwungen, doch hinzusehen. Polak mimt nicht einfach nur Hitler. Vielmehr verkörpert er einen in Adiletten und Unterhemd verpackten Hitler-Abklatsch, der, mal rülpsend, mal sich übergebend, durch ein höchst erlebnisarmes Leben wankt, seine letzten Euros vorwiegend in Pizza und Bier investiert und dabei sehr von sich selbst überzeugt ist.

prolet Dann wird dieser rassistische Prolet ausgerechnet von einer Gruppe orthodoxer Juden vermöbelt. Als im Fernsehen ein schwarzer US-Präsident auftaucht, bricht sein Weltbild endgültig zusammen. Wir erleben eine ungeheuer selbstverliebte Gestalt, die abstoßender und armseliger nicht sein könnte und die doch nichts zu sagen hat, nichts bewirken kann.

Ist das Kunst, Satire, Gesellschaftskritik oder einfach nur Musik? In jedem Fall ist es Provokation, wofür Oliver Polak, der es sich gern mal in der Grauzone zwischen gutem und schlechtem Geschmack gemütlich macht, bekannt ist. Schon schrillen die ersten Alarmglocken. Für verharmlosend, geschmacklos, gar gefährlich hält man das Werk. »Darf der das?«, so die unterschwellige Frage.

Nun, warum nicht? Der nichtjüdische Helge Schneider durfte es doch auch. Natürlich darf er das. Denn Polak mimt eben nicht nur den »Führer«, sondern präsentiert gleichermaßen eine Witzfigur. Damit gibt er ihn der Lächerlichkeit preis. Zwar nicht so, wie es ein großer Darsteller wie Charlie Chaplin vermochte, sondern um einiges brachialer – dafür allerdings mit aktuellem Bezug, wenn Polak neben seiner Hitlerfigur zugleich noch die Lebenswelt eines Rassisten des Jahres 2013 persifliert. Und über beides sollte man an dieser Stelle durchaus lachen können.

Die Autorin ist freie Journalistin und Politikwissenschaftlerin in München.

Israel

Silbergegenstände an Nachfahren enteigneter Juden übergeben

Es handelt sich auch um Kiddusch-Becher, Leuchter und Gewürzgefäße

 06.06.2023

AfD

Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Björn Höcke

Der Hintergrund ist bezeichnend

 05.06.2023

USA

»Israel Parade« in New York: Solidarität und Kritik

Mehr als 40.000 Teilnehmer zeigten auf der Fifth Avenue ihre Verbundenheit mit dem jüdischen Staat

 05.06.2023

Parteien

Rechtsextreme NPD heißt nun »Die Heimat«

Die Heimat-Partei soll den »Widerstand« gegen die Politik der »Etablierten«, wie es hieß, besser vernetzen

 04.06.2023

Fußball

Trotz Vorwürfen: Marciniak leitet Finale

Seine Teilnahme an einer Veranstaltung mit judenfeindlichem Hintergrund war kritisiert worden. Nun zeigt er Reue

von Doris Heimann  04.06.2023

Plön

Umstrittenes Urteil

Der Mediziner Sucharit Bhakdi wurde vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen – viele finden, zu Unrecht

von Michael Thaidigsmann  02.06.2023

Geschichte

Jenseits der Legende

Vor 50 Jahren besuchte Willy Brandt als erster deutscher Bundeskanzler den Staat Israel. Fakten zu einem Jubiläum

von Michael Wolffsohn  02.06.2023

Einspruch

Niemand muss klatschen

Noam Petri hält den Protest junger Juden gegen Claudia Roth auf der Jewrovision für legitim

von Noam Petri  02.06.2023

Erinnerung

»Vorbehalte überwinden«

Rainer Bonhof über einen Besuch in Bergen-Belsen und die Rolle des Sports beim Schoa-Gedenken

von Michael Thaidigsmann  02.06.2023