Meinung

Helmut Schmidt – ganz unbelastet

Sabine Pamperrien Foto: Bernd Lammel

Helmut Schmidts Bücher sind Bestseller. Auch das soeben erschienene Buch Ein letzter Besuch, in dem Gespräche mit Singapurs ehemaligem Herrscher Lee Kuan Yew dokumentiert sind, kam sofort unter die ersten zehn der »Spiegel«-Liste. Wieder sind sich Kritik und Leser einig, dass der brillante Verstandesmensch dringend notwendige Nachhilfe in Sachen Welterklärung gibt.

Was Schmidt menschlich antreibt, konnte nach eigener Aussage nicht einmal eine Freundin wie die verstorbene »Zeit«-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff in Erfahrung bringen. Schmidts in Singapur geäußerten Vorstellungen zur Entlastung der Sozialsysteme lassen nun vermuten, dass Menachem Begin mit seiner Polemik gegen ihn Anfang der 8oer-Jahre doch ganz richtig erfühlte, was Dönhoff lieber nicht wissen wollte.

Überalterung »Muss man also darüber nachdenken, Menschen zu töten?«, fragt Schmidt im Laufe des Gesprächs über den bevorstehenden Kollaps der Rentenversicherungen durch zunehmende Überalterung. Lee entgegnet: »Natürlich nicht!« Doch Schmidt denkt schon laut weiter: »In Deutschland leiden heute schon 1,5 Millionen Menschen an schwerer Demenz. Wie viele Demenzkranke haben Sie hier?«

Nein, das Buch dokumentiert nicht, dass Lee und Schmidts Protegé Mathias Nass, der das Gespräch moderierte, nachhakten. Ist Schmidts Logik monströs oder zeigt sich nur erneut der berühmte Pragmatismus des kühl kalkulierenden Rechners, der sein Urteil nicht durch sachfremde Argumente verwässern lässt?

Zur Erinnerung: Begin wütete gegen Schmidt nicht nur, weil der damalige Kanzler Panzergeschäfte mit Saudi-Arabien einfädelte, sondern auch, weil er öffentlich die Geschäftsbeziehungen mit den Arabern dafür lobte, unbelastet vom »historisch-moralischen Gepäck« zu sein. Immer wieder erklärt Schmidt zur Last, was doch historische Verpflichtung ist. Zuletzt fiel im 2010 veröffentlichten Gespräch mit Fritz Stern die Intransigenz auf, mit der Schmidt alle Versuche abblockte, menschlich verständliche Begründungen für Schmidts Behauptung zu finden, von den NS-Verbrechen nichts bemerkt zu haben.

Ihm verstellt kein »historisch-moralisches Gepäck« den klaren Blick, will uns das sagen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass Schmidt seine technokratische Empathielosigkeit noch irgendwann reflektiert. Zu hoffen ist allerdings, dass seine Anhänger endlich merken, dass ihrem Idol Entscheidendes fehlt.

Die Autorin ist freie Journalistin in Berlin und Bremen.

Luxemburg

Kallas: EU-Sanktionen gegen Israel bleiben auf dem Tisch

Die EU-Außenbeauftragte will die Vorschläge für Strafmaßnahmen vorerst nicht zurückziehen - der CDU-Politiker Armin Laschet nennt Kaja Kallas deswegen »unbedarft«

von Michael Thaidigsmann  20.10.2025

Hamburg

Entwürfe für Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge werden ausgestellt

Wie soll Hamburgs neues jüdisches Wahrzeichen aussehen? Kürzlich wurde der Sieger eines Architektenwettbewerbs zum Wiederaufbau der früheren Synagoge gekürt. Nun zeigt Hamburg alle eingereichten Entwürfe

 20.10.2025

Berlin

CDU-Chef Merz: »Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben«

Es klingt wie eine Drohung: CDU-Chef Merz nennt die zumindest in Teilen rechtsextremistische AfD den wahrscheinlichen Hauptgegner im Wahljahr 2026. Wen die CDU so einstufe, den bekämpfe sie wirklich, sagt der Kanzler

 20.10.2025

Meinung

Warum ich Angst vor der politischen Linken habe

Dass Links bedeutet, sich für mit sozialem Gewissen für die Schwachen einzusetzen, gehört längst der Vergangenheit an

von Michel Ronen  20.10.2025

Berlin

»Ich bediene keine Zionisten«: Paar aus Café geworfen

Das »K-Fetisch«, das von einem »linken, trans* und nichtbinärem Kollektiv« betrieben wird, war früher ein Treffpunkt auch für linke Israelis. Heute sorgt dort ein T-Shirt mit hebräischer Aufschrift für Ärger

 20.10.2025

Berlin

Klein: Medien brauchen Ansprechpartner für Antisemitismus

Judenhass ist in Deutschland so präsent wie seit Jahren nicht. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung sieht hier einen Beratungsbedarf für Medienhäuser

 20.10.2025

Florida

»Die Zeit der ungestraften Israel-Boykotte ist vorbei«

Der US-Bundesstaat geht gegen Israel-Boykotteure weltweit vor: Florida verbietet seinen öffentlichen Einrichtungen die Zusammenarbeit mit Regierungen, Universitäten und Unternehmen, die BDS propagieren

von Michael Thaidigsmann  19.10.2025

»Brandmauer«

Internationales Auschwitz Komitee empört über neue Diskussion

Früherer einflussreiche Unionspolitiker hatten sich für eine neue Strategie im Umgang mit der AfD ausgesprochen

 19.10.2025

Schwerpunkt-Thema

Wie stark bleibt der Antisemitismus?

Die Zahlen von judenfeindlichen Vorfällen sind hoch. Fachleute zeigen sich abwartend bis skeptisch, wie die weitere Entwicklung sein wird

von Leticia Witte  19.10.2025