António Guterres

»Habe die Plakette immer in meiner Manteltasche«

Schaute vor der Münchner Sicherheitskonferenz noch bei der IKG vorbei: António Guterres Foto: Marcus Schlaf/WJC

Hoher Besuch bei der Israelitischen Kultusgemeinde München: António Guterres kam am Donnerstag am Sankt-Jakobs-Platz vorbei. Am Freitag wird der Generalsekretär der Vereinten Nationen die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) eröffnen. Dass er am Vorabend noch in die Hauptsynagoge in der bayerischen Landeshauptstadt kam, war der Arbeit von Maram Stern, dem geschäftsführenden Vizepräsidenten des Jüdischen Weltkongresses (WJC), zu verdanken. Stern hat seit vielen Jahren einen guten Draht zu Guterres.

Ebenfalls bei dem Synagogenbesuch dabei war der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Margaritis Schinas, der Staatsminister im Auswärtigen Amt Tobias Lindner und Deborah Lipstadt, Antisemitismusbeauftragte der US-Regierung. Christoph Heusgen, Chef der MSC, war nicht gekommen, dafür aber sein Vorgänger Wolfgang Ischinger.

»Ich war von meinem Besuch in der Ohel-Jakob-Synagoge in München, einer Stadt, die eng mit dem Aufstieg der Nazi-Partei verbunden ist, sehr bewegt. Es gibt keinen Platz für Antisemitismus und für alle anderen Formen von Hass in der Welt von heute«, schrieb Guterres anschließend auf X (Twitter). Dass es für Judenhass keinen Platz mehr gebe, das wusste auch der Generalsekretär, war sicher keine Zustandsbeschreibung, sondern ein frommer Wunsch.

Der Portugiese, der seit 2017 das Amt des UN-Generalsekretärs bekleidet, sieht sich seit den Hamas-Terroranschlägen vom 7. Oktober massiver Kritik ausgesetzt. Die kommt nicht nur aus Israel, sondern auch aus der jüdischen Gemeinschaft weltweit, inklusive der deutschen. Viele nehmen Guterres seine Beteuerungen, sich auch innerhalb der Vereinten Nationen energisch alle Formen von Judenhass einzusetzen, nicht – oder nicht mehr – ab. Dabei hatte er bei Amtsantritt 2017 genau das versprochen.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Zwar hat Guterres wiederholt den Terror der Hamas scharf verurteilt und die Freilassung der mehr als 200 Geiseln aus der Gewalt der Hamas gefordert. Viele werfen ihm aber vor, die Terrorakte mit Äußerungen wie der, der 7. Oktober habe eine Vorgeschichte gehabt, relativiert zu haben.

Zudem sprach Guterres von einer »Kollektivbestrafung« der Palästinenser in Gaza durch die israelischen Militärschläge. Wörtlich sagte er im November: »Das palästinensische Volk hat 56 Jahre lang unter einer erdrückenden Besatzung gelitten. Aber die Beschwerden des palästinensischen Volkes können die entsetzlichen Angriffe der Hamas nicht rechtfertigen. Und diese schrecklichen Angriffe können die kollektive Bestrafung des palästinensischen Volkes nicht rechtfertigen.«

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Hinzu kam scharfe Kritik an der israelfeindlichen Haltung der Vereinten Nationen auch nach dem 7. Oktober. Zu den Skandalen beim UN-Hilfswerk UNRWA und dem Schweigen von Unterorganisationen wie »UN Women« kamen zuletzt auch die Bemerkungen von UN-Offiziellen wie Martin Griffiths. Der Chef von »UN Relief« erklärte im Sender »Sky News«, die Hamas sei für ihn gar keine Terrororganisation, sondern eine »politische Bewegung«. Die UN-Sonderbeauftragte Francesca Albanese hatte vergangene Woche die Aussage des französischen Präsidenten Macron bestritten, beim 7. Oktober habe es sich um einen antisemitischen Angriff gehandelt. Albanese wurde anschließend von Deutschland, Frankreich und den USA angegriffen. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen nannte ihre Worte gar »antisemitisch«.

Auf diese Kontroversen ging Guterres in seiner kurzen Ansprache im jüdischen Gemeindezentrum nicht ein. Er hob aber hervor, dass die sichere Rückkehr der Geiseln, die sich noch in der Gewalt der Hamas befänden, höchste Priorität für ihn habe. Dann zeigte er die Plakette mit der Gravur »Bring them home now«. Die, so sagte Guterres, werde er so lange in seiner Manteltasche mitführen, bis alle Geiseln freigelassen würden. Er werde sich auch weiterhin »voll engagieren«.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Dass er direkte Kontakte zur Hamas unterhalte, bestritt der Generalsekretär jedoch. »Aber wir arbeiten mit den Kataris, mit den Ägyptern und mit Israel zusammen, um sicherzustellen, dass alles getan wird, damit die Geiseln freikommen.«

Das Eintreten gegen Antisemitismus nannte er eine »moralische Verpflichtung« aller, und auch das Recht der Menschen in Israel, in Frieden leben zu können, müsse anerkannt werden, so Guterres – aller Kritik am Regierungshandeln zum Trotz.

Ob er mit diesen Worten alle Anwesenden überzeugen konnte, darf bezweifelt werden.  Die Hausherrin, IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, gab ihm einige kritische Worte mit auf den Weg. Die Vereinten Nationen dürften niemals dem Judenhass Vorschub leisten, sagte die 92-jährige Schoa-Überlebende, denn die UN seien schließlich als Antwort auf den Holocaust gegründet worden.

Mit Israel seien die Vereinten Nationen zuletzt nicht gut umgegangen, schrieb sie Guterres ins Stammbuch. Dabei seien sie aktuell wichtiger denn je. »Sehr geehrter Herr Generalsekretär Guterres, helfen Sie, die Wunden zu heilen. Für Israel, für die jüdische Diaspora, und für die ganze Welt«, appellierte Knobloch.

Maram Stern hatte zuvor die Gäste der Münchner Sicherheitskonferenz aufgefordert, der Geiselfrage höchste Priorität zu geben. »Die Geiseln sind im Moment unsere einzige Priorität«, sagte Stern. »Alles andere ist zweitrangig.« Auf Einladung des WJC wollen Angehörige einiger israelischer Geiseln am Freitagabend in der Synagoge gemeinsam mit der israelischen Delegation bei der Sicherheitskonferenz und Vertretern der USA den Beginn des Schabbats feiern.

Erinnerung

Gedenken an erste Deportationen aus Berlin am »Gleis 17«

Deborah Hartmann, Direktorin der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, warnte mit Blick auf das Erstarken der AfD und wachsenden Antisemitismus vor einer brüchigen Erinnerungskultur

 16.10.2025

Jakarta

Zwischen Schalom und Boykott

Staatschef Subianto hatte zuletzt Friedensbotschaften an Israel ausgesendet. Bei den Turnweltmeisterschaften in Jakarta sind israelische Sportler hingegen nicht willkommen

von Michael Thaidigsmann  16.10.2025

Hamburg

Zeuge vermittelte Kontakt vor Entführung der Block-Kinder

Wie kamen die mutmaßlichen Entführer in Kontakt mit der Familie Block? Diese Frage beschäftigt das Landgericht Hamburg derzeit im Prozess. Eine israelische Sicherheitsfirma spielt weiterhin eine Rolle

von Stephanie Lettgen  16.10.2025

Meinung

Amichai Chikli: Ein Minister gegen die Diaspora

Statt die Beziehungen zu den Juden außerhalb Israels zu pflegen, gefährdet der Diasporaminister diese. Jüngstes Beispiel: Auf Einladung des Likud-Politikers besucht derzeit der britische Rechtsextremist Tommy Robinson den jüdischen Staat

von Ruben Gerczikow  16.10.2025

Nachruf

Freund der Freiheit, Freund Israels

Richard Herzinger war ein lebenslanger Streiter gegen Autoritarismus und Antisemitismus. Nun ist der Publizist und Ausnahme-Intellektuelle im Alter von 69 Jahren gestorben

von Marko Martin  16.10.2025

Nahost

Trump zeigt Verständnis für mutmaßliche Hamas-Hinrichtungen

Videos sollen zeigen, wie Hamas-Mitglieder brutal mit Rivalen abrechnen. In Ramallah spricht man von »abscheulichen Verbrechen«. Israel sieht aus anderen Gründen einen Verstoß gegen die Waffenruhe

 16.10.2025

Hochschulen

Jüdische Studenten fordern mehr Schutz vor Antisemitismus

Seit dem 7. Oktober hat der Antisemitismus an Hochschulen deutlich zugenommen. Was können Universitäten tun? Die JSUD hat einen Katalog veröffentlicht

von Nikolas Ender  16.10.2025

Berlin

Israel erwartet Aufhebung der Rüstungsexport-Beschränkungen

Die stellvertretende israelische Außenministerin Sharren Haskel verlangt auch die Aufhebung einer Reisewarnung durch das Auswärtige Amt

 16.10.2025

Magdeburg

Rechtsextremistische AfD in Sachsen-Anhalt bei 40 Prozent

In einem Jahr wird in Sachsen-Anhalt gewählt. Die selbsternannte »Alternative« liegt in den Umfragen vorn und baut ihren Vorsprung noch aus. Wie sieht es im direkten Vergleich der Spitzenkandidaten aus?

 16.10.2025