München

Grünen-Stadtrat tritt nach Holocaustvergleich zurück

Bezeichnete die Grünen als »die neuen Juden«: Ex-Stadtrat Bernd Schreyer Foto: Grünen-Fraktion München

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Grünen-Stadtrat tritt nach Holocaustvergleich zurück

Ein Tweet brachte Bernd Schreyer in die Kritik - jetzt legte der Grünen-Politiker sein Stadtratsmandat nieder

von Michael Thaidigsmann  12.06.2023 16:32 Uhr Aktualisiert

Bernd Schreyer ist in der Münchner Kommunalpolitik, was man gemeinhin einen alten Hasen nennt. 1979 war er Mitgründer des Münchner Ortsverbands der Grünen, bereits von 1986 bis 1990 saß er für die Partei im Stadtrat der bayerischen Landeshauptstadt.

Seit der letzten Kommunalwahl 2020 ist er dort wieder vertreten und engagiert sich vor allem für bezahlbaren Wohnraum. Auch dem bayerischen Landesverband der Grünen stand Schreyer bereits einmal vor – obwohl auch das mittlerweile 25 Jahre zurückliegt.

Am Sonntag schaffte es der 71-Jährige bundesweit in die Schlagzeilen – mit einem viel kritisierten Tweet. Es ging um die laufende, sehr hitzig geführte Debatte um die Energiepolitik des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck. Am Samstag hatten in Erding rund 10.000 Menschen dagegen protestiert. Die Kundgebung war von der Kabarettistin Monika Gruber mit organsiert worden.

Unter den Rednern waren auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Ihre Zielscheibe: Habeck und sein angeblich schädliches »Heizungsgesetz«.

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Bernd Schreyer stellte die heftige Kritik an seiner Partei in einen Zusammenhang mit dem Hass auf Juden vor hundert Jahren – und twitterte: »Es tut mir leid, dass ich das sagen muss. Aber ich habe mir mal die Flut an Kommentaren von sog. ›bürgerlich konservativen‹ und ›rechtsextremen‹ ›Meinungen‹ angesehen. Obwohl es nie ein Heizungsverbot gab, ist es gelungen so gegen Grüne aufzuwiegeln, als seien sie d. ’neuen Juden‹, die ›ausgemerzt‹ werden müssen um Deutschland wieder alles Glück und Wohlstand zu bringen.«

Er fügte noch einen Satz hinzu, in dem er die seiner Meinung nach für diese Situation Verantwortlichen benannte: »Das ist auch Ihre Tat, @Markus_Soeder, @HubertAiwanger, @_FriedrichMerz u. @Bild.«

ERKLÄRUNG Schnell hagelte es scharfe Kritik an dem Tweet, auch aus den eigenen Reihen. Schreyer wurde unterstellt, den Holocaust zu verharmlosen und die Opfer der Schoa zu verhöhnen. Sein Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, Dominik Krause, distanzierte sich gegenüber der »Bild«-Zeitung »auf das Schärfste« von dem Vergleich und kündigte für Montag ein Gespräch mit seinem Fraktionskollegen an.

Der »Abendzeitung München« sagte Krause: »Der Fraktionsvorstand der Stadtratsfraktion ist über diese Aussage zutiefst entsetzt und distanziert sich davon auf das Schärfste. Über Konsequenzen beraten wir heute im Laufe des Tages.«

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Einer Twitter-Nutzerin, die ihm in der Sache grundsätzlich gewogen war, seine Anspielung auf die Judenverfolgung aber deplatziert fand, hatte Schreyer direkt geantwortet: »Ich respektiere sehr dass Sie das so sehen. Ich habe aber so furchtbare Kommentare gelesen, dass ich es gewagt habe es mal in Anführungszeichen anzusprechen. Ich meine der Fall Walter Lübcke zeigt welche Verrohung und Mordphantasien (sic) hier um sich greifen.«

MANDATSVERZICHT Für seinen schiefen Vergleich wollte sich Schreyer zunächst aber nicht entschuldigen. Er löschte zwar den umstrittenen Tweet, twitterte dann aber, in einer Konversation mit dem ehemaligen AfD-Politiker Marcus Pretzell, folgende Erklärung: »Es gab eine Zeit in den 20ern, weit vor dem Holocaust. Aber lassen wir das. Sie verstehen mich schon. Aber ich habe Verständnis, dass es fehlinterpretiert werden kann, deshalb habe ich den Tweet gelöscht.«

Am Montagnachmittag entschuldigte sich Schreyer dann aber bei seinen Fraktionskollegen, legte sein Mandat im Münchner Gemeindeparlament nieder und gab folgende Erklärung ab: »Mit allergrößtem Bedauern entschuldige ich mich für meinen Tweet vom 11.6. zum Judenvergleich im Zusammenhang mit Aufwiegelung und Verschwörung gegen Grüne. Ich distanziere mich ohne Wenn und Aber von dieser Aussage, deren schreckliche Bedeutung mir zu spät klar wurde. Ich bedaure das aus tiefstem Herzen. Niemals wollte ich einen Vergleich mit dem Holocaust bzw. der Schoa zum Ausdruck bringen.«

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Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, begrüßte diesen Schritt. Sie sagte dieser Zeitung: »Die Äußerungen von Herrn Schreyer waren verletzend und verantwortungslos. Sie haben die nötige öffentliche Debatte in eine völlig falsche Richtung gelenkt und damit erheblichen Schaden angerichtet. Sie konnten deshalb nicht ohne Konsequenzen bleiben, und ich bin froh, dass es diese Konsequenzen gegeben hat. Der grünen Rathausfraktion danke ich für ihre rasche und eindeutige Reaktion.«

VORERMITTLUNGEN Zuvor schon hatte sich auch der Münchner Oberstaatsanwalt Andreas Franck in die Angelegenheit eingeschaltet. Franck ist Antisemitismusbeauftragter der bayerischen Justiz. Er will nun Vorermittlungen gegen Schreyer wegen möglicher Volksverhetzung aufnehmen. Das bestätigte er der Jüdischen Allgemeinen auf Nachfrage.

Laut Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs kann mit Geld- oder Freiheitsstrafe bestraft werden, wer NS-Verbrechen öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost, allerdings nur, sofern dies auch geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Wurden Holocaustvergleiche früher oft als legitime Äußerungen angesehen, hat in Teilen der Justiz im Zuge der Corona-Proteste ein Umdenken eingesetzt. Allerdings gelten wegen des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung hohe juristische Hürden, insbesondere in der politischen Debatte, welche eine Verurteilung nach Paragraf 130 StGB häufig verhindern.

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