#unteilbar

Gegen Rassismus und Hetze

»Für eine offene und freie Gesellschaft – Solidarität statt Ausgrenzung«: Mehr als 240.000 Menschen demonstrierten am Samstag in Berlin. Foto: dpa

Rund 240.000 Menschen aus ganz Deutschland haben nach Veranstalterangaben in Berlin gegen einen Rechtsruck und für die Einhaltung der Menschenrechte in Deutschland demonstriert. Zahlreiche Parteien, Organisationen, Gewerkschaften, Initiativen, kirchliche Gruppen, Sozial- und Flüchtlingsverbände sowie Kulturschaffende unterstützten die Aktion am Samstag. Das Motto lautete »Für eine offene und freie Gesellschaft – Solidarität statt Ausgrenzung«.

Unterzeichnet wurde der Aufruf von über 4500 Organisationen und Einzelpersonen, darunter auch die Jüdische Gemeinde zu Berlin, das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus, die Schriftstellerin Eva Menasse, Léontine Meijer-van Mensch, die Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin, und die Union progressiver Juden.

unterzeichner Es finde eine dramatische politische Verschiebung statt, so die Unterzeichner: »Rassismus und Menschenverachtung werden gesellschaftsfähig.« Humanität und Menschenrechte, Religionsfreiheit und Rechtsstaat würden offen angegriffen. Es sei ein Angriff, »der uns allen gilt«.

Das Bündnis »Unteilbar« als Organisator zeigte sich überwältigt von dem Zuspruch. Dies sei ein »deutliches Signal der Hoffnung« gegen Ausgrenzung und für einen Aufbruch in eine solidarische Gesellschaft, sagte Bündnissprecherin Anna Spangenberg nach der Veranstaltung. Mit 242.000 Teilnehmern wäre die ursprünglich angemeldete Größenordnung von 40.000 um das Sechsfache übertroffen worden.

»Es sind definitiv mehr Menschen als erwartet gekommen«, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag auf Anfrage dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die von der Polizei geschätzte Teilnehmerzahl sei allerdings niedriger als die von den Veranstaltern genannte, betonte der Sprecher, ohne konkretere Angaben machen zu wollen. Zuvor war eine Zahl im »unteren sechsstelligen Bereich« von Einsatzkräften als realistisch benannt worden. Die Demonstration sei eine der größten in diesem Jahr in der Bundeshauptstadt gewesen und weitgehend störungsfrei verlaufen, sagte der Sprecher.

religionen Unter anderem Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) unterstützte die Demonstration für ein weltoffenes und tolerantes Deutschland. »Eine Vielfalt der Herkünfte, Hautfarben, Religionen und Lebensstile ist für uns eine Bereicherung, keine Bedrohung«, twitterte Maas. Gesellschaftlicher Zusammenhalt werde nicht durch Abgrenzung und Homogenität, sondern durch gleiche Freiheit für alle gesichert.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) schrieb auf Twitter, die vielen Menschen, die für Zusammenhalt und eine offene Gesellschaft demonstrierten, machten Mut. Der Geschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, betonte in dem Kurznachrichtendienst, dass 242.000 Menschen »nicht irgendwo virtuell im Netz auf einer Homepage mit einem Klick, sondern auf Berlins Straßen« ein Aufbruch sein könnten.

Der Generalsekretär der deutschen Sektion von Amnesty
International, Markus Beeko, verwies als Redner auf der Demonstration auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die vor fast 70 Jahren verabschiedet wurde. Diese garantiere »jedem Menschen auf dieser Erde universelle und unteilbare Rechte«, betonte Beeko und fügte hinzu: »Das Recht, zu denken und zu sagen, was man möchte; zu glauben, an wen man möchte; geschützt zu sein, vor Folter oder Verfolgung; zu heiraten, wen man liebt - was für eine große Idee!«

antisemitismus Die Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein betonte, dass Hass dem gesellschaftlichen Zusammenleben schade. Sie verwies auf die friedlichen Demonstrationen in Ostdeutschland im Herbst 1989. Der gemeinsame und erfolgreiche Ruf sei damals »Keine Gewalt« gewesen. »Das soll uns auch heute verbinden! Keine Gewalt!«, sagte Trautwein. Sie verurteilte, dass Hass, Rassismus und Antisemitismus offensichtlich wieder salonfähig gemacht werden sollen.

Die Geschäftsführerin der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF), Jutta Weduwen, äußerte sich besorgt über die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland. Rechtspopulismus wirke bis in die Mitte der Gesellschaft, sagt sie. Die jüngsten politischen Debatten über die Abweisung von Geflüchteten an den Grenzen seien »von Entsolidarisierung, von Gefühlskälte und rassistischer Hetze« geprägt gewesen.

Zum Abschluss der Großdemonstration fand ein Konzert an der
Berliner Siegessäule unter anderen mit den Musikern Herbert
Grönemeyer, Konstantin Wecker und Dirk von Lowtzow von der Band Tocotronic statt. epd/ja

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert

Vor 80 Jahren

Zentralrat der Juden: Nürnberger Prozesse waren Wendepunkt

Es waren hochrangige NS-Kriegsverbrecher, die vor 80 Jahren in Nürnberg vor Gericht standen. Was diese Prozesse aus Sicht des Zentralrats der Juden bedeuten - auch heute

von Leticia Witte  21.11.2025

Paris

EJC warnt vor wachsender Radikalisierung junger Menschen im Netz

»Hass ist viral gegangen«, sagt Moshe Kantor, der Präsident der Organisation

 21.11.2025