Herr Lauder, wie beurteilen Sie die Bereitschaft deutscher Museen, den eigenen Bestand auf Raubkunst zu überprüfen?
Die Bilanz fällt sehr gemischt aus. Nur ein Drittel aller Museen in Deutschland hat gerade einmal damit begonnen, seine Sammlungen auf Raubkunst zu überprüfen. Und es ist wohlgemerkt sehr kompliziert und langwierig, die rechtmäßigen Erben von NS-Raubkunst zu ermitteln. Das zeigt, dass wir noch immer nicht auf dem richtigen Weg sind, faire Lösungen für die von den Nazis beraubten jüdischen Eigentümer und ihre Nachkommen zu erreichen.
Sind die Museen nicht in der Lage oder schlicht unwillig, ihre Bestände auf Raubkunst zu durchsuchen?
Es ist oft beides. Hinzu kommen meistens mangelnde Expertise und fehlende Ressourcen. Der wesentliche Punkt aber ist, dass Restitution auf freiwilliger Basis nicht funktioniert. Wir brauchen eine gesetzliche Verpflichtung. Wir schulden den Opfern, dass geraubte Gemälde zurückgegeben werden. Es ist auch eine Frage von Moral und Anstand.
Bei unklaren Fällen kann die Limbach-Kommission angerufen werden. Das Gremium kann laut Statuten aber nur unverbindliche Empfehlungen aussprechen. Ein weiterer Missstand?
Ja, das ist ein ein Problem. Genauso problematisch ist es, dass Museen und Sammlungen in Deutschland ihren Bestand schützen wollen und deshalb Verhandlungen vor der Kommission von vornherein ablehnen. Die Kommission darf ja nur dann tätig werden, wenn sowohl die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben als auch die heutigen Besitzer ihr Einverständnis erklärt haben. Ich begrüße deshalb die Erklärung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters, wonach sich alle Museen und Sammlungen zur Untersuchung ihres Bestandes vor der Limbach-Kommission verpflichten sollten. Dieser Schritt ist überfällig.
Stichwort Gurlitt: Die Bilanz der Gurlitt-Taskforce war blamabel. Wegen schlechter Ergebnisse wurde sie Ende 2015 aufgelöst. Wie bewerten Sie die Arbeit des Nachfolgers, der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste?
Die Stiftung ist nicht nur mit der Gurlitt-Aufarbeitung betraut, sondern auch mit der Provenienzforschung. Zugleich ist sie auch die Geschäftsstelle der Limbach-Kommission. Und auch für die Aufarbeitung der in der DDR entzogenen Kulturgüter ist sie zuständig. Das ist ein gravierender struktureller Fehler, denn das Thema Raubkunst muss bei der Stiftung Priorität haben.
Findet es Ihrer Ansicht nach im öffentlichen Bewusstsein genügend Beachtung, dass die Schoa nicht nur ein Massenmord, sondern auch ein Massenraubmord war?
Nun, es ist einfacher, um Tote zu trauern, als auf legitime rechtliche Forderungen der Lebenden einzugehen. Das Thema Raubkunst verdeutlicht das sehr eindrücklich. Kränze an Gedenktagen abzulegen, reicht nicht aus. Es muss eine faire Lösung gefunden werden.
Mit dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses sprach Philipp Peyman Engel.