Kundgebung

Für Religionsfreiheit und das Recht auf Beschneidung

Kurz nach 11 Uhr auf dem Berliner Bebelplatz. Trompetentöne lassen die etwa 300 Menschen, die an diesem Sonntag hergekommen sind, um für Religionsfreiheit und das Recht auf Beschneidung zu demonstrieren, vor die kleine Bühne strömen.

Am Rande steht auch Wolfgang Thierse, Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Der Sozialdemokrat ist privat gekommen, denn das Thema ist ihm wichtig. Die Übergangsregelung, mit der das Land Berlin bis zu einer bundesweiten gesetzlichen Regelung die Beschneidung straffrei halten möchte, ärgert ihn. »Sie ist gut gemeint, aber, vorsichtig ausgedrückt: missverständlich«, sagt Thierse. Gerade der Passus, der vorschreibt, dass Eltern eine »religiöse Notwendigkeit« der Beschneidung nachweisen müssen, macht ihn wütend. Im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen fragt er: »Heißt das, dass wir jetzt statt eines Ariernachweises einen Judennachweis haben?«

Nachweis Die Regelung, die Berlins Justizsenator Thomas Heilmann in der vergangenen Woche vorgestellt hat, ist ein wichtiges Thema bei den Demonstranten und Rednern auf dem Bebelplatz. Lala Süsskind, die Vorsitzende des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus, bedankt sich bei Heilmann, denn dass an einer Regelung gearbeitet wurde, beweise guten Willen. Aber, fragt die frühere Berliner Gemeindevorsitzende mit Blick auf den auch von Thierse beanstandeten Pasus: »Muss ich nachweisen, dass ich jüdisch bin? Oder sieht man mir an, dass ich jüdisch bin?« Vor 70 Jahren hätte man die Juden daran erkannt, dass sie einen Stern tragen mussten – »das wollen wir nicht«.

Auch der orthododoxe Rabbiner Yitshak Ehrenberg von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin äußert sich zu der Regelung des Landes Berlin. »Seine Absicht ist gut gewesen«, sagt Ehrenberg über Senator Heilmann. »Ich bin auch der Meinung, dass er kein Antisemit ist, aber das Resultat ist unglücklich.« Einerseits wolle Heilmann die Mohalim nicht ausschließen, andererseits müsse die Beschneidung von einem Arzt durchgeführt werden. »Wie soll das gehen?«, fragt Rabbiner Ehrenberg.

Kindeswohl Neben ihm auf der Bühne steht Tuvia Ben-Chorin, der liberale Rabbiner der Berliner Gemeinde. »Ist Medizin jetzt die neue Religion?«, fragt er und beklagt die Art, wie in Deutschland über Beschneidung diskutiert und von Gerichten entschieden wird. In Israel seien über 90 Prozent der männlichen Juden beschnitten, auch die Säkularen – »sind die alle dumm?«. Es werde auf einmal so getan, als sei das Wohl von Kindern allein bei Medizinern gut aufgehoben. Aber, sagt Ben-Chorin, »eine Stadt ohne Juden ist eine andere Stadt. Wo immer wir sind, wird über ethische Fragen gesprochen.«

Auch Kenan Kolat ist zum Bebelplatz gekommen. Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland wird von Lala Süsskind als guter Freund begrüßt. Zur Berliner Regelung, die von sich behauptet, im Einvernehmen aller beteiligten Gruppen entstanden zu sein, sagt Kolat: »Manchmal führt Konsens zu Nonsens.« Und für die muslimischen Verbände teilt er mit, was die jüdischen Repräsentanten genauso sehen: »Die Beschneidung wird es weiter geben. Niemand wird die Beschneidung stoppen.«

Zu Beginn seiner Rede hat Rabbiner Ehrenberg von einer Strafanzeige berichtet, die erst jüngst gegen ihn gestellt wurde, weil er nach dem umstrittenen Kölner Urteil gesagt habe, dass die Brit Mila selbstverständlich weiter Teil auch des deutschen Judentums sei. Also sage er es hier erneut: »Wir machen weiter.«

Wien

Juden protestieren gegen FPÖ-Veranstaltung für Antisemiten im Parlament

Als »radikalen Antisemiten« hatte sich der Österreicher Franz Dinghofer einst selbst bezeichnet - auch der NSDAP trat er bei. Die rechtsextreme FPÖ gedenkt des Politikers nun - und wird dafür hart kritisiert

 11.11.2025

Projekte gegen Antisemitismus

Berliner Kultursenatorin räumt Defizite bei Fördermittel-Vergabe ein

In Berlin sollen Mittel für Projekte gegen Antisemitismus nach unklaren Kriterien und auf Druck und Wunsch aus der CDU-Fraktion vergeben worden sein. Kultursenatorin Wedl-Wilson will nun »aufräumen«

 11.11.2025

Initiative

Knesset stimmt über Gesetz zu Todesstrafe ab

Wer in Israel tötet, um dem Staat und »der Wiedergeburt des jüdischen Volkes« zu schaden, soll künftig die Todesstrafe erhalten können. Das sieht zumindest ein umstrittener Gesetzentwurf vor

 11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Terror

Netanjahu: Israels Kampf gegen Feinde noch nicht vorbei

Laut Ministerpräsident Netanjahu beabsichtigen die Hamas und die Hisbollah weiterhin, Israel zu vernichten. Die Waffenruhe-Abkommen mit beiden will Israel demnach durchsetzen - solange diese gelten

 11.11.2025

Diplomatie

Al-Schaara schließt normale Beziehungen zu Israel aus

Der syrische Staatschef wurde von US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus empfangen. Bei dem historischen Treffen ging es auch um die Abraham-Abkommen

 11.11.2025

Meinung

Wahlen in Ostdeutschland: Es gibt keine Zeit zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt wird im September gewählt. Es steht viel auf dem Spiel: Eine AfD-Regierung könnte großen Schaden anrichten. Leidtragende wären nicht zuletzt die jüdischen Gemeinden

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  10.11.2025 Aktualisiert

Würzburg

Zentralrat der Juden fordert mehr Zivilcourage gegen Hass

Beim Gedenken an die Novemberpogrome in Würzburg hat Juden Schuster die grassierende Gleichgültigkeit gegen Judenhass kritisiert

 10.11.2025