KZ-Gedenkstätten

Felix Klein fordert Pflichtbesuche für Lehrer

Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung Foto: imago/epd

Zum 80. Jahrestag der Wannsee-Konferenz hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, Pflichtbesuche für angehende Lehrer und Lehrerinnen in KZ-Gedenkstätten gefordert. »Mir fehlt das Verständnis dafür, dass es in Deutschland nach wie vor möglich ist, ein Lehramtsstudium ohne jeden Berührungspunkt mit der Schoa abschließen zu können«, sagte Klein den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag).

Schüler könnten die heutige Gesellschaft nur verstehen, wenn ihnen die deutsche Geschichte bewusst sei. Historiker warnen hingegen vor »Zwangsbesuchen« in Gedenkstätten und einem ritualisierten Erinnern an die NS-Verbrechen. Die Auseinandersetzung junger Menschen mit der NS-Zeit müsse freiwillig erfolgen.

wannsee-konferenz Auf der Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 plante die NS-Führung die Aufgabenverteilung für den systematischen Völkermord an den Juden. Zu der Besprechung in der Berliner Villa mit Seeblick trafen sich dazu 15 NS-Parteigrößen, Ministerialbeamte und die Spitzen des Polizei- und Sicherheitsapparates.

Klein betonte, er wolle sich dafür einsetzen, dass die Auseinandersetzung mit der Schoa und mit Antisemitismus bundesweit ein verpflichtender Bestandteil des Lehramtsstudiums werde.

Schüler könnten die heutige Gesellschaft nur verstehen, wenn ihnen die deutsche Geschichte bewusst sei, so Klein.

Pflichtbesuche von allen angehenden Lehrerinnen und Lehrern in Gedenkstätten wie der Wannsee-Konferenz wären ein wichtiger Beitrag gegen den wiedererstarkenden Antisemitismus, sagte der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus.

interesse Der stellvertretende Leiter der Berliner Gedenk- und Bildungsstätte »Haus der Wannsee-Konferenz«, Matthias Haß, sagte am Donnerstag im RBB-Inforadio: »Wir lernen am besten freiwillig. Wir lernen am besten, wenn Interesse abgefragt wird. Und wir lernen nicht gut, wenn gesagt wird: Das musst du aber jetzt tun.«

Von daher sehe er »Zwangsbesuche« eher skeptisch. Haß forderte, den Lehrkräften die Rahmenbedingungen und die Zeit für Gedenkstätten-Besuche zu ermöglichen. Wenn diese Fortbildungsangebote wahrnehmen könnten und Schulklassen dann vorbereitet kämen, könne dies »produktiv sein«.

Der Jenaer Historiker und Leiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, kritisierte eine zum Ritual erstarrte Gedenkkultur: »Auch wenn es richtig ist, um die Opfer zu trauern, fehlt das Nachdenken darüber, warum diese Menschen überhaupt zu Opfern geworden sind.« Eine echte Aufarbeitung der NS-Zeit bedeute, nachzufragen, warum damals viele mitgemacht hätten, sagte Wagner dem Evangelischen Pressedienst (epd).

sonntagsreden Er persönlich habe schon Probleme mit dem Begriff »Erinnern«: »Er wird von allen hochgehalten, vor allem in Sonntagsreden an Jahrestagen.« Der Begriff sei ein erhobener Zeigefinger: »Man muss sich fragen, an was sich eigentlich 16-Jährige erinnern sollen, wenn sie eine Gedenkstätte besuchen. Erinnern kann man sich ja nur an etwas, das man selbst erlebt hat.«

Wenn dann Erinnerung eingefordert werde, »verpufft das entweder wirkungslos oder löst Abwehrreaktionen aus«. »Eine Auseinandersetzung – das ist der passendere Begriff – muss immer selbstbestimmt und freiwillig sein«, sagte Wagner.

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Gaza/Westjordanland

Umfrage: Mehr als die Hälfte der Palästinenser befürwortet die Massaker vom 7. Oktober 2023

Klare Mehrheit der Palästinenser zudem gegen Entwaffnung der Hamas

 21.12.2025

Interview

»Die Zustände für Juden sind unhaltbar. Es braucht einen Aufstand der Anständigen«

Zentralratspräsident Josef Schuster über den islamistischen Anschlag von Sydney und das jüdische Leben in Deutschland nach dem 7. Oktober

 21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 20.12.2025

Analyse

Ankaras Machtspiele

Manche befürchten schon einen »neuen Iran«. Warum Israel die Türkei zunehmend als Bedrohung wahrnimmt

von Ralf Balke  20.12.2025

Bundestag

Zentralrat verteidigt Weimers Gedenkstättenkonzept

Der Ausschuss für Kultur und Medien hörte Experten zu der Frage an, ob über den Holocaust hinaus auch andere Verbrechen Teil der deutschen Erinnerungskultur sein sollen

 19.12.2025

Frankreich

Drei Jahre Haft für antisemitisches Kindermädchen

Ein französisches Gericht hat eine Algerierin zur einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einer jüdischen Familie Reinigungsmittel ins Essen, Trinken und die Kosmetika mischte

 19.12.2025

Berlin

Bericht über Missbrauch internationaler Hilfe durch Hamas im Bundestag vorgestellt

Olga Deutsch von der Organisation NGO Monitor sagt, während die Bundesregierung über Beiträge zum Wiederaufbau Gazas berate, sei es entscheidend, auf bestehende Risiken hinzuweisen

von Imanuel Marcus  19.12.2025