Berlin

Felix Klein: Corona-Proteste sind »hochgefährlich«

Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung Foto: imago/epd

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen als »hochgefährlich« kritisiert.

Diese Art von Protesten bilde ein Sammelbecken, »in dem sich neben teils sehr obskuren anderen Geisteshaltungen verschwörungswütige Antisemiten und Holocaust-Leugner finden«, sagte Klein der »Süddeutschen Zeitung« (Donnerstag). Es sei absolut nicht hinnehmbar, dass auf Demonstrationen die Schoa relativiert werde, indem etwa die Maskenpflicht mit dem Tragen des Judensterns im Nationalsozialismus verglichen werde.

SCHWEIGEN Staat und Zivilgesellschaft müssten solchen Tabubrüchen und einer Verhöhnung der Holocaust-Opfer mit aller Macht entgegentreten, forderte Klein. Jeder einzelne Bürger solle reagieren, wenn er problematische Äußerungen höre, da Schweigen als Zustimmung gewertet werde.

»Es bedroht uns alle, wenn Verschwörungsmythen unwidersprochen bleiben«, betonte der Antisemitismusbeauftragte. Das Aufkommen dieser Bewegungen müsse sehr ernst genommen werden, da sie mit dem Ende der Corona-Krise vermutlich nicht verschwinden würden.

Auch der Berliner Extremismusforscher Uffa Jensen sieht die Ausbreitung von Verschwörungsmythen in der Corona-Krise mit Sorge.

ERKLÄRUNGEN Die Zweifel und die Suche nach alternativen Erklärungen seien bis weit in die sogenannte gesellschaftliche Mitte populär, sagte der stellvertretende Leiter des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung dem Evangelischen Pressedienst (epd): »Es ist ja kein Zufall, dass ein FDP-Politiker wie Thomas Kemmerich auf solchen Demonstrationen mitläuft.«

Jensen verwies auch auf die Erklärung katholischer Geistlicher, unter anderem von Kardinal Gerhard Ludwig Müller, die von einer Weltregierung fasele. Er warne deshalb davor, die durch die Corona-Krise ausgelöste Verunsicherung und auch das Verschwörungsgerede nur bei extremen Rechten oder Linken zu verorten.

Die aktuelle Konjunktur von Verschwörungstheorien habe sicherlich mit der völlig präzedenzlosen Situation zu tun, in der sich die Gesellschaft gerade befinde, sagte der Historiker. Viele Menschen erlebten durch den Corona-Lockdown schwere Einschränkungen und echtes Leid. In dieser Situation empfänden Menschen extreme Emotionen wie Angst, Verunsicherung, Wut und Verzweiflung.

EXPERTEN »Allein das würde schon für einen Aufwind kruder Verschwörungstheorien reichen«, sagte Jensen. Hinzu komme: Die Einzigen, die hier Wissen anzubieten hätten, seien Wissenschaftler, auf die sich selbst die Politik in einer völlig neuen Weise verlassen müsse. Das führe zu Kritik an solchen Experten, und alternatives Wissen könne sich besonders gut verbreiten.

Gerade weil Deutschland besser durch die Krise gekommen sei als andere Länder, könne sich jetzt der Zorn auf die Politik viel leichter manifestieren, sagte der Autor des 2017 erschienenen Buches Zornpolitik: »Zum einen weil die Leute schlicht nicht mit dem bloßen Überleben beschäftigt sind. Zum anderen haben viele Menschen in Deutschland die Verheerungen des Virus nicht aus eigener Anschauung erlebt, wie etwa in Norditalien oder in New York.« Für viele sei diese tödliche Seuche doch etwas Abstraktes geblieben, fast ein Gerücht und eine Obsession der Medien, der Politiker und Eliten.

Zugleich habe dieses vermeintliche Gerücht enorme Konsequenzen im Leben aller. Daher glaubten die Leute gerne, wenn ihnen Verschwörungsideologen erzählen, es sei alles erstunken und erlogen.

Dabei sei das Grundmuster aller Verschwörungstheorien fast deckungsgleich mit Antisemitismus und es sei »sehr gefährlich«, wenn dieser jetzt neue Nahrung erhalte. »Das mag für viele auf den ersten Blick wie simpler Blödsinn erscheinen, aber es ist eben sehr alter, sehr wirksamer und leicht zu glaubender Blödsinn«, sagte Jensen. epd

Wien

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