Anschlag von Halle

»Er hat kein Herz im Körper«

Besitzer des »Kiez-Döners« Ismet Tekin (r.) Foto: dpa

Der Nebenkläger im Prozess um den antisemitischen Anschlag von Halle, Ismet Tekin, ist über die fehlende Reue des Attentäters entsetzt. Der Angeklagte Stephan B. habe an den beiden bisherigen Prozesstagen vor dem Oberlandesgericht Naumburg überhaupt keine Reue und kein Bedauern über seine Tat gezeigt, sagte der Besitzer des »Kiez-Döners« in Halle dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Prozess gegen Stephan B. wird am Dienstag in Magdeburg fortgesetzt.

Tekin resümierte zum Attentäter über die bisherigen zwei Verhandlungstage: »Er hat nicht gesagt, dass es ihm leid tut, was er getan hat.« Und weiter: »Wenn er morgen rauskäme, würde er genauso weitermachen«, sagte Tekin, der selbst dem Anschlag am 9. Oktober vergangenen Jahres nur knapp entging: »Er hat kein Herz im Körper, das merkt man.«

»Er darf uns nicht verhöhnen«, sagt Ismet Tekin.

In dem Döner-Imbiss unweit der Synagoge von Halle hatte der Rechtsterrorist an dem Tag einen 20-jährigen Gast erschossen. Für die weiteren Verhandlungstage wünscht sich Tekin, dass der Angeklagte den Gerichtssaal nicht mehr als Bühne nutzen darf, »um sich wichtiger zu machen als er ist«.

»Das ist nicht schön und daran muss man etwas ändern«, forderte Tekin. Auch sei es nervig, dass er bei Fragen der Anwälte der Nebenkläger immer lache. »Er darf uns nicht verhöhnen«, sagte Tekin. Das sei respektlos: »Aber wenn er Respekt haben würde, hätte er diese Sache auch nicht getan.«

BRUDER Ismet Tekin, der seit über zwölf Jahren in Halle lebt, war damals Angestellter in dem Döner-Imbiss. An jenem 9. Oktober war er noch nicht im Laden. Als er auf dem Weg zur Arbeit die Straße entlang lief, schoss der Attentäter auch auf ihn. Monate später hat er gemeinsam mit seinem Bruder den Imbiss übernommen, um ihn zu erhalten.

Seit dem Anschlag habe es keinen Tag gegeben ohne finanzielle Schwierigkeiten, berichtete Tekin. Die von Land und Stadt zugesicherte Unterstützung sei ausgeblieben. »Wir haben am Anfang eine Härtefallleistung bekommen und seitdem nichts mehr«, sagte der Imbiss-Besitzer. Auch habe sich seitdem kein Politiker mehr blicken lassen. »Sie haben viel versprochen, aber nichts getan«, sagte Tekin.

»Wenn man als Politiker und Bürgermeister sein Wort gibt, muss man das halten. Oder man verspricht erst gar nichts.«

Nebenkläger Ismet Tekin

Zuletzt sei am 1. März ein Termin mit Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) vereinbart gewesen. »Leider ist Herr Wiegand nicht selbst gekommen, sondern hat sich von zwei Kollegen vertreten lassen«, sagte Tekin. Er sei seit über zwölf Jahren in Deutschland und habe in der Zeit nicht einen Tag staatliche Unterstützung in Anspruch genommen. »Aber jetzt habe ich keine andere Wahl, ich komme nicht mehr klar«, sagte Tekin.

VERSPRECHEN Dass der Oberbürgermeister sich keine Zeit genommen habe, habe ihn mehr verletzt als der Tag des Anschlags: »Wenn man als Politiker und Bürgermeister sein Wort gibt, muss man das halten. Oder man verspricht erst gar nichts.«

Stephan B. hatte am 9. Oktober 2019 einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt, zwei Menschen erschossen und weitere verletzt. Die Bundesanwaltschaft klagt den 28-Jährigen wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiteren Straftaten an. Es gibt zudem 43 Nebenkläger. epd

Existenzrecht Israels

Objektive Strafbarkeitslücke

Nicht die Gerichte dafür schelten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben nicht macht. Ein Kommentar

von Volker Beck  23.11.2025

Dortmund

Ermittlungen gegen Wachmann von NS-Gefangenenlager 

Die Polizei ermittelt gegen einen Ex-Wachmann des früheren NS-Kriegsgefangenenlagers in Hemer. Er soll an Tötungen beteiligt gewesen sein - und ist laut »Bild« inzwischen 100 Jahre alt

 22.11.2025

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Kommentar

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Martin Hikel, Neukölln und die Kapitulation der Berliner SPD vor dem antisemitischen Zeitgeist

Der bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025