Verhandlungen

Endspurt bis zur schwarz-roten Koalition?

Auf dem Weg? Die Spitzen von CDU, CSU und SPD Friedrich Merz, Markus Söder, Lars Klingbei und Saskia Esken Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Wegen sinkender Umfragewerte und interner Kritik von der Basis steht die Union bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD unter Druck. Heute wollen die Unterhändler wieder in Berlin verhandeln – führende Köpfe der Union zeigten sich zuletzt optimistisch, dass diese Woche die Schlussrunde eingeläutet wird. 

CDU und CSU pochen in dieser entscheidenden Phase darauf, dass der Koalitionsvertrag eine deutliche schwarze Handschrift tragen muss. So sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit Blick auf das Wahlergebnis: »Grundsätzlich gilt: Zwischen Union und SPD besteht auf Bundesebene ein enormer prozentualer Abstand. Das muss sich im Koalitionsvertrag klar abbilden.«

Hintergrund ist der Unmut innerhalb der Unionsbasis darüber, dass CDU-Chef Friedrich Merz den im Wahlkampf versprochenen Politikwechsel bei Themen wie Migrations-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik nicht gegen die Sozialdemokraten durchsetzen könne. 

Brandenburger Abgeordnete kritisiert Wandel seit Wahlkampf 

Zu den Kritikerinnen gehört etwa die Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig. »Seit der Gründung der AfD 2013 ist klar, warum diese Partei wächst. Die CDU hat die Anhänger einer Mitte-Rechts-Politik all die Jahre nicht bedient«, sagte sie dem »Tagesspiegel«. »Im Wahlkampf 2025 haben wir dann deutlich gemacht, dass wir wieder eine liberal-bürgerliche Politik machen wollen.« Aus ihrer Sicht werde dieses Versprechen aktuell nicht eingehalten. 

Auch in der Jungen Union (JU) wird Kritik an den bisherigen Verhandlungen laut. JU-Chef Johannes Winkel (CDU) sagte der »Süddeutschen Zeitung« am Sonntag auf die Frage, ob er gegen eine Koalition mit der SPD stimmen würde, wenn es keinen Politikwechsel in den Bereichen Migration, Wirtschaft und Bürokratieabbau gebe: »Alles andere entspräche ja dem Motto «Macht als Selbstzweck».«

»Die CDU darf keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, ohne dass ein Politikwechsel kommt«, forderte der Chef der Nachwuchsorganisation. »Die Zeiten, in denen das Motto galt, wir bekommen das Kanzleramt und die Sozialdemokraten die Inhalte, die sind tatsächlich vorbei.«

Esken: Wollen ganz klar an Grundrecht auf Asyl festhalten

Derweil schlug SPD-Chefin Saskia Esken beim Knackpunkt Migration eher konfrontative Töne an. Es sei ganz klar, dass die SPD am Grundrecht auf Asyl festhalten wolle, sagte sie am Abend in der ZDF-Sendung »Berlin direkt«. Es sei zu Recht in der Verfassung verankert. 

Darauf angesprochen, ob Asylverfahren auch in Drittstaaten ausgelagert werden könnten, sagte Esken, dass andere Staaten das bereits ausprobiert hätten. »Es hat überall nicht funktioniert«, sagte sie etwa mit Blick auf Italien. »Wir sollten unsere Energie nicht auf solche Versuche verschwenden.«

Die Union hatte vor der Bundestagswahl einen deutlich härteren Kurs in der Migrationspolitik gefordert. Merz hatte im Wahlkampf gesagt, er wolle am ersten Tag einer Amtszeit als Bundeskanzler das Innenministerium mittels seiner Richtlinienkompetenz anweisen, »ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen«. 

AfD gewinnt, Union verliert seit Bundestagswahl 4,5 Punkte 

Die Wählerinnen und Wähler straften die Union zuletzt ab. Sechs Wochen nach der Bundestagswahl hat die Konkurrenz von Rechtsaußen aufgeholt: AfD und CDU/CSU liegen in einer Erhebung des Meinungsforschungsinstitutes Insa für die »Bild«-Zeitung jeweils bei 24 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl am 23. Februar holte die Union noch 28,5 Prozent, die AfD landete dahinter mit 20,8 Prozent.

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien zeigte Verständnis für eine mögliche Ungeduld in der Bevölkerung. »Ich verstehe, dass viele Bürgerinnen und Bürger sich schnelle und deutliche Veränderungen wünschen«, sagte sie der Funke Mediengruppe. Das Ziel sei, eine Regierung für alle Deutschen zu bilden. »Das wird gelingen und das werden auch die sehen, die sich jetzt in den Umfragen weiter den Rändern zuwenden«, sagte die schleswig-holsteinische Bildungsministerin. 

CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte in der »Augsburger Allgemeinen«, viele Menschen fühlten sich aufgrund der Weltlage verunsichert. »Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen: Wir werden in den Koalitionsverhandlungen ein gutes Ergebnis für das Land erreichen.«

Lesen Sie auch

Wann aber ein Koalitionsvertrag vorliegen könnte, ist unklar. CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Torsten Frei sagte am Wochenende, er sei »sehr zuversichtlich, dass wir nächste Woche zu einem Ergebnis kommen«. Auch CSU-Chef Markus Söder schrieb auf X von der »Schlussrunde«. dpa

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 05.11.2025

Laudatio

»Wie hält man so etwas aus?«

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hielt die Laudatio auf Karoline Preisler anlässlich der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises in Berlin. Eine Dokumentation

von Julia Klöckner  05.11.2025

Thüringen

Universität Jena berät über Umgang mit israelischen Partnern

Jenaer Professoren wollen die Kooperationen ihrer Hochschule mit israelischen Partnern prüfen lassen, die Verbindungen zur israelischen Armee haben könnten. Das Netzwerk Jüdischer Hochschullehrender mahnt, Wissenschaft dürfe kein Ort für Ausgrenzung werden

von Matthias Thüsing  05.11.2025

Prozesse

Berliner Verwaltungsgericht verhandelt Waffenlieferungen an Israel

Zwei unterschiedliche Klagen im Zusammenhang mit Waffenlieferungen an Israel beschäftigen am 12. November das Berliner Verwaltungsgericht. Unter anderem geht es um mehrere Tausend Panzerabwehrwaffen

 05.11.2025

Berlin

Davidstern-Gemälde an East Side Gallery beschmiert

Ein Gemälde an der bekannten East Side Gallery ist Ziel einer antisemitischen Schmiererei geworden. Der Tatverdächtige konnte gefasst werden. Bei der Begehung seines Wohnhauses fand die Polizei mehrere Hakenkreuze

 05.11.2025

Islamismus

Dobrindt: Muslim Interaktiv spaltet die Gesellschaft

Der Innenminister hat die Organisation, die sich gezielt an junge Menschen richtet, verboten. Jetzt erklärt er warum

 05.11.2025

Ostdeutschland

Zentralrat warnt vor AfD-Regierung: »Echte Gefahr für jüdisches Leben«

Der Präsident des Dachverbands der jüdischen Gemeinden sieht in den hohen Umfragewerten der AfD zehn Monate vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt einen »Weckruf«

von Joshua Schultheis  05.11.2025

Berlin

Dobrindt verbietet islamistische Vereinigung Muslim Interaktiv

Zudem laufen gegen die Vereine Generation Islam und Realität Islam vereinsrechtliche Ermittlungen

von Martina Herzog  05.11.2025 Aktualisiert

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  05.11.2025