Gesetzesänderung

Einen weiteren Riegel vorschieben

»Free Palestine«-Demo am 9. Juni in München Foto: imago images/Alexander Pohl

In vielen Städten kam es im Mai wegen des Nahostkonflikts zu wütenden Anti-Israel-Kundgebungen. Der Adressat: die jüdische Gemeinschaft in Deutschland. Nicht alle, aber doch zahlreiche Demons­tranten sind türkisch- oder arabischstämmig. Zahlen, wie viele einen deutschen Pass besitzen oder seinen Erwerb anstreben, gibt es nicht. Just an diesem Punkt hat die Politik nun erste Konsequenzen gezogen.

Ohne Gegenstimmen verabschiedete der Bundestag vergangene Woche eine kurzfristig initiierte Gesetzesänderung, welche Ausländern, die wegen judenfeindlicher oder rassistischer Straftaten auffällig geworden sind, den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft verwehren soll. Schon jetzt gilt als Einbürgerungshindernis, wenn jemand zu mehr als drei Monaten Haft oder mehr als 90 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt ist.

VORSTRAFEN Künftig entfällt diese »Bagatellgrenze« bei antisemitischen Vorstrafen. Solche Taten seien niemals eine Bagatelle, betont der CDU-Innenpolitiker Mathias Middelberg, der Initiator der Gesetzesänderung. Zudem beschloss der Bundestag, bei Einbürgerungstests den Fragenkatalog zu überarbeiten, um antisemitische Einstellungen bei Bewerbern zu entdecken.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, findet lobende Worte. Mit diesem Schritt übernehme Deutschland »die Verantwortung, dass Juden sicher in diesem Land leben können«. Schuster weiter: »Wer gegen den Geist des Grundgesetzes handelt und sich strafbar macht, sollte nicht das Privileg der deutschen Staatsangehörigkeit erhalten.«

»Damit können nun auch volksverhetzende Hass-Zuschriften an den Zentralrat der Juden strafrechtlich verfolgt werden, die aufgrund der fehlenden Öffentlichkeit bislang nicht strafbar waren.«

Zentralratspräsident Josef Schuster

Auch das Verbreiten von Propagandamitteln und das Zeigen von Abzeichen terroristischer Organisationen steht nach dem Willen des Bundestages künftig unter Strafe. Bei den Anti-Israel-Demonstrationen im Mai hatten zahlreiche Teilnehmer die Flagge der Hamas geschwenkt. Neu aufgenommen ins Strafgesetzbuch wird zudem der Tatbestand der »verhetzenden Beleidigung«. Gruppenbezogene Hassbotschaften können aktuell nur schwer geahndet werden, weil sie häufig nicht öffentlich geäußert werden und sich nicht auf eine bestimmte Person beziehen.

FAHNEN »Ich begrüße die Einführung des Straftatbestands der verhetzenden Beleidigung. Damit können nun auch volksverhetzende Hass-Zuschriften an den Zentralrat der Juden strafrechtlich verfolgt werden, die aufgrund der fehlenden Öffentlichkeit bislang nicht strafbar waren«, sagte Josef Schuster. Darüber hinaus sei es ein wichtiges Signal, dass der deutsche Gesetzgeber dem Verbreiten von terroristischer Propaganda »einen weiteren Riegel vorgeschoben« hat. »So ist es jetzt auch strafbar, Fahnen von Terrororganisationen, die auf der EU-Terrorliste stehen – wie der radikalislamischen Hamas – bei Demonstrationen zu schwenken oder anderweitig zu verwenden.«

Neben dem Bund wollen auch die Innenminister der Länder entschlossener gegen Judenhass vorgehen. Eine Arbeitsgruppe soll nun mit den Antisemitismusbeauftragten von Bund und Ländern Präventionsmaßnahmen entwickeln.

Josef Schuster soll bei der nächsten Sitzung der Innenministerkonferenz erläutern, wie (un)sicher sich Deutschlands Juden gegenwärtig fühlen. Schon jetzt ist sich die Politik einig, dass nicht nur der Rechtsrahmen verändert, sondern Synagogen und sonstige jüdische Einrichtungen besser geschützt werden müssen.

BEDROHUNGSSITUATION Doch was bringen all diese Maßnahmen tatsächlich? Irene Mihalic ist ausgebildete Polizistin und stammt aus Gelsenkirchen. Die innenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag ist skeptisch. Nach dem Anschlag von Halle im Oktober 2019 sei zwar viel über neue Einsatzkonzepte zum Schutz jüdischer Einrichtungen gesprochen worden.

Aber passiert sei dann, abgesehen von »der Ertüchtigung von ein paar Gebäuden«, viel zu wenig, findet sie. Allzu oft gebe es noch keinen ausreichenden Schutz für jüdische Einrichtungen. »Die Bedrohungssituation wird zu oft zum privaten Problem der Einrichtung erklärt«, so Mihalic. Bundesinnenminister Horst Seehofer habe es versäumt, dieses Problem im Gespräch mit seinen Kollegen aus den Ländern »abzuräumen«

Frankreich

Spezialeinsatz vor iranischem Konsulat in Paris

Ein Mann soll mit Granaten am Gürtel das Gebäude betreten haben

 19.04.2024

Wiesbaden

Hessen lädt iranischen Generalkonsul aus

Es könne nicht so getan werden, »als ob nichts gewesen wäre«, sagt Manfred Pentz (CDU)

 19.04.2024

Nahostkonflikt

»Israel muss iranische Rakete mit Atomsprengkopf fürchten«

John Bolton warnt im NZZ-Interview vor der Verbreitung von Nukleartechnologie durch Nordkorea

 19.04.2024

Meinung

Gezielte Aktionen gegen das iranische Regime werden weitergehen müssen

Warum Teheran nicht nur eine Gefahr für die Region, sondern auch für die Ukraine ist

von Saba Farzan  19.04.2024

Iran/Israel

Scholz warnt erneut vor Eskalation im Nahen Osten

Es habe »erneut eine militärische Aktivität« gegeben, stellt der Bundeskanzler fest

 19.04.2024

Gmund

Merz: Selbstverteidigungsrecht Israels endet nicht an eigener Grenze

»Die Eskalationsdominanz liegt allein beim Mullah-Regime in Iran«, so der CDU-Chef

 19.04.2024

Antisemitismus

Zentralrat der Juden äußert sich zu Hallervordens Gaza-Video

Das Gaza-Gedicht des Schauspielers wurde in den vergangenen Tagen massiv kritisiert

 19.04.2024

Vereinte Nationen

Amerikanisches Veto gegen UN-Vollmitgliedschaft für Palästina

Die USA sehen Einigung auf eine Zweistaatenlösung als Voraussetzung für eine Anerkennung

 19.04.2024

Berlin

Zeitung: Anstieg rechtsextremer und antisemitischer Straftaten

Durch Judenhass motivierte Straftaten nehmen stark zu

 19.04.2024