Interview

»Eine totalitäre Religion«

Einat Wilf Foto: Flash 90

Interview

»Eine totalitäre Religion«

Einat Wilf über den politischen Islam und historische Parallelen zum Europa des 19. Jahrhunderts

von Katrin Richter  13.10.2014 15:13 Uhr

Frau Wilf, der sogenannte Islamische Staat ist auf dem Vormarsch. Wie gefährlich ist die Situation für den Nahen Osten und Israel?
Die Bedrohung ist sehr ernst zu nehmen. In den westlichen Ländern gibt es den Wunsch, dass alle gemeinsam miteinander leben können. Doch dabei wird das Politische des Islam schnell heruntergespielt. Der Islam ist eine totalitäre Religion, die denkt, sie könne alles bestimmen – beginnend von der Regierung bis hin zum Privaten. Anders als das Christentum, das einen langen Prozess durchlaufen musste, bis es sich ganz auf das Private zurückziehen konnte, hat der Islam eine solche Wandlung niemals vollzogen. Der Islam sieht die Einheit von Religion und Regierung, der IS ist die Verwirklichung der Eckpunkte des Islam.

Warum zieht die Terrororganisation so viele junge Menschen an – auch aus Europa und den USA?
Wir würden ja gern sagen, dass es arme, nicht integrierte junge Leute sind, die sich dem IS anschließen. Aber wir müssen verstehen, dass diese Menschen von der Macht und der vermeintlichen Verwirklichung einer Utopie angezogen werden. Es gibt also einen ideologischen und emotionalen Appell an diese jungen Muslime. Dieser IS wird wahrscheinlich mit Gewalt besiegt werden, aber zehn andere warten schon. Die Ideologie des IS ist eine Gefahr, weil sie, und das sage ich als Jüdin, intolerant gegenüber Minderheiten, Pluralismus und Frauen ist. Der IS ist die Anti-Ideologie und nicht nur eine kleine extremistische Gruppe.

Benjamin Netanjahu hat in seiner Rede vor der UN gesagt, dass sowohl Hamas als auch IS Zweige vom gleichen giftigen Baum sind. Stimmen Sie dem zu?
Lassen Sie es mich so sagen: Wir möchten glauben, dass die Palästinenser allein daran interessiert sind, Frieden zu schließen, einen eigenen Staat zu haben und die Besatzung des Westjordanlandes durch Israel zu beenden. Wir müssen aber verstehen, dass sie, weil sie schwach sind, die Sprache der Schwachen annehmen. Aber ihre Träume sind die der Starken. Nämlich die, dass Israel verschwindet. Nur weil sie so wenig Kraft haben, werden sie davon abgehalten, dieses Ziel umzusetzen.

Sie haben in einem Artikel den Zustand des Nahen Ostens mit dem des frühen 19. Jahrhunderts in Europa verglichen. Welche Parallelen sehen Sie?

Das, was gerade im Nahen Osten passiert, geschieht ganz selten. Die Revolutionen von 1848/49 hatten, ähnlich wie der Arabische Frühling, tolle Ideen. 100 Jahre später waren diese Ideen alle verwirklicht. Und so könnte das auch mit dem Arabischen Frühling geschehen. Was allerdings in Europa folgte, war eines der brutalsten und blutigsten Jahrhunderte. Das wird auch im Nahen Osten passieren. Die reaktionären Kräfte werden zurückschlagen. Ich glaube, dass es im Nahen Osten brutal zugehen wird. Israel sollte dabei die Schweiz sein: Wir müssen eine Insel der Stabilität bilden.

Mit der Politikwissenschaftlerin sprach Katrin Richter.

Krieg

Bericht: Humanitäre Stadt in Rafah würde Israel Milliarden kosten

Unterdessen mehreren sich die Zweifel, ob das Projekt überhaupt realisiert werden wird

 13.07.2025

Meinung

Die AfD schreckt vor nichts mehr zurück

Im Bundestag bagatellisiert die AfD sogar den Völkermord an bosnischen Muslimen 1995, um gegen Muslime in Deutschland zu hetzen

von Michael Thaidigsmann  11.07.2025

Berlin

AfD-Eklat im Bundestag bei Debatte über Völkermord

Der Bundestag unterbricht seine Haushaltsberatungen für eine Diskussion zum Gedenken an das Kriegsverbrechen in Srebrenica vor 30 Jahren. Bei AfD-Reden kommt es zum Skandal

 11.07.2025

Justiz

Berufung wegen antisemitischer Inhalte auf X zurückgewiesen

Das Landgericht hatte die Klage im Juni 2024 mit Verweis auf fehlende internationale Zuständigkeit abgewiesen

 11.07.2025

Ravensbrück

Familie von KZ-Überlebender erhält Ring zurück

Im Frühjahr war es demnach einer Freiwilligen gelungen, die Familie von Halina Kucharczyk ausfindig zu machen

 11.07.2025

Thüringen

Voigt für deutsch-israelisches Jugendwerk in Weimar

Er führe dazu Gespräche mit israelischen Partnern, die bereits Interesse an einer Ansiedlung in Thüringen signalisiert hätten

 11.07.2025

Washington D.C.

US-Behörde wartet auf Daten zu attackierten Iran-Atomanlagen

In welche Tiefen drangen die bunkerbrechenden Bomben in die iranischen Atomanlagen vor? Die für die Entwicklung der Bomben zuständige Behörde hat darauf noch keine Antwort

 11.07.2025

Sarajevo/Berlin

Rabbiner: Srebrenica-Gedenken in Deutschland besonders wichtig

8.000 Tote und eine Wunde, die nicht verheilt: Heute gedenkt die Welt der Opfer des Massakers von Srebrenica. Das liberale Judentum sieht eine gemeinsame Verantwortung - auch bei der deutschen Erinnerungskultur

 11.07.2025

Brüssel

EU baut Drohkulisse gegen Israel auf

Die EU will Israel zu einer besseren humanitären Versorgung der Menschen in Gaza drängen - und präsentiert das Inventar ihrer Daumenschrauben

 11.07.2025