Gespräch

»Eine Krise der Mitte«

Herr Brähler, Sie haben im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Studie über rechtsextreme Einstellungen in der Gesellschaft erstellt. Dafür wurden 2.400 Menschen im Alter zwischen 14 und 90 Jahren befragt. Die Untersuchung hat ergeben, dass es eine »Krise der Mitte« gibt. Wie konnte es dazu kommen?
Zum einen hatten wir eine Wirtschaftskrise, bei der die Banken zusammengebrochen sind und das Bruttosozialprodukt zurückgegangen ist. Zum anderen wird in Deutschland die Kluft zwischen dem sogenannten Prekariat und den oberen Einkommensklassen immer größer. Und darunter leidet die Mitte der Gesellschaft

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Wirtschaftskrise und rechtsextremistischen Einstellungen?
Selbstverständlich. Wenn es der Wirtschaft schlecht geht und die Arbeitslosenzahlen zeitweise steigen, dann nimmt Ausländerfeindlichkeit zu. Hinzu kommt, dass sich immer mehr Menschen vom sozialen Abstieg bedroht fühlen. Wir haben zudem festgestellt, dass die Bürger glauben, nicht durch unsere Demokratie repräsentiert zu werden.

Und wenn sich die wirtschaftliche Situation verbessert, nimmt die rechtsextreme Haltung ab?
Es gibt dann sicherlich weniger Ausländerfeindlichkeit. Ein Beispiel: Viele Arbeitslose sehen die aktuelle Diskussion über die Notwendigkeit von ausländischen Fachkräften mit großer Skepsis. Die Politik muss ihnen vermitteln, dass die Unterstützung aus dem Ausland wichtig für unsere Wirtschaft ist. Auf keinen Fall dürfen die Verantwortlichen diese Verunsicherung mit populistischen Parolen ausnutzen. Der Wunsch nach einem starken Führer, einer starken Partei wird in der Gesellschaft größer. Das ist, wie man am Beispiel Holland sieht, auch eine europäische Entwicklung.

Und was ist mit Antisemitismus?
Bei unserer ersten Erhebung 2002 hatten wir mit 9,3 Prozent eine relativ hohe Zustimmungsrate bei judenfeindlichen Einstellungen, was damals mit der Debatte um den FDP-Politiker Jürgen Möllemann zusammenhing.

Laut Studie pendelt der Antisemitismus in Deutschland seit 2002 zwischen 8,4 und 10 Prozent. Ist das viel oder wenig?
Verglichen mit anderen europäischen Staaten ist das ein relativ niedriger Wert. In Österreich, Tschechien und Polen sind antisemitische Vorurteile wesentlich verbreiteter. Dort sagt man zum Beispiel, dass die Juden schuld an der Wirtschaftskrise sind. Womöglich fallen die Ergebnisse für Deutschland so gering aus, weil man sich nicht traut, negativ über Juden zu urteilen. Antisemitismus wird hierzulande von der Öffentlichkeit geächtet.

Tritt Antisemitismus in anderer Form auf?
Es gibt judenfeindliche Stereotype im Antiamerikanismus und bei der Globalisierungskritik. »Internationales Finanzjudentum«, ein Begriff aus den dunklen Untiefen der Geschichte, hört man in diesem Zusammenhang häufig. Das kommt von Rechts und Links.

Zu rechtsextremen Einstellungen gehört mittlerweile auch der Anti-Islamismus, der laut Ihrer Studie inzwischen weit verbreitet ist. Dabei haben Sie die Befragung durchgeführt, noch bevor von Thilo Sarrazin und seinen Thesen die Rede war. Würden die Antworten heute anders ausfallen?
Möglicherweise. Umso auffälliger ist es, dass sich schon vor Sarrazin mehr als 50 Prozent der Befragten dafür aussprachen, die Religionsausübung von Muslimen einzuschränken.

Mit dem Leiter der Studie »Die Krise in der Mitte« sprach Katrin Richter.

www.fes-gegen-rechtsextremismus.de

Vatikanstadt

Papst Leo XIV. verurteilt Terroranschlag in Sydney

Bei einem Terroranschlag auf eine Chanukka-Feier in Australien gibt es mindestens 15 Todesopfer. Der Papst findet deutliche Worte

 15.12.2025

USA

Ministerin: Silvester-Terrorattacke in Kalifornien vereitelt

Eine »linksextreme, propalästinensische, regierungsfeindliche und antikapitalistische« Gruppe soll Terroranschläge an der Westküste der USA vorbereitet haben

 15.12.2025

Australien

Faktencheck zum Terroranschlag in Sydney

Nach dem Blutbad am Bondi Beach ist noch vieles unklar. Solche Situationen nutzen Menschen in sozialen Netzwerken, um Verschwörungsmythen zu verbreiten

 15.12.2025

Faktencheck

Ahmed Al Ahmed hat einen Angreifer am Bondi Beach entwaffnet

Ein Passant verhindert Schlimmeres - und wird im Netz umbenannt. Angeblich soll Edward Crabtree einen der Täter von Sydney entwaffnet haben. Doch die Geschichte stammt von einer Fake-Seite

 15.12.2025

Dresden

Hauptverfahren gegen »Sächsische Separatisten«

Acht Mitglieder einer rechtsextremistischen Gruppe sollen sich vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden verantworten. An einem »Tag X« wollten sie laut Anklage gewaltsam an die Macht

 15.12.2025

Oranienburg

Gedenken an NS-Völkermord an Sinti und Roma

Bei der Gedenkveranstaltung wollen Schülerinnen und Schüler Textpassagen aus Erinnerungsberichten verfolgter Sinti und Roma vortragen

 15.12.2025

Sydney

Australiens Premierminister widerspricht Netanjahu

Nach dem Anschlag in Sydney betont Premierminister Albanese: Die Anerkennung Palästinas durch Australien steht nicht im Zusammenhang mit der Tat

 15.12.2025

Berlin

Hitlergruß im Bundestag? Anklage gegen AfD-Abgeordneten

Nach dem Vorwurf verliert Matthias Moosdorf seine Immunität. Auch innerhalb der AfD-Fraktion gab es zuletzt Spannungen um den Politiker

 15.12.2025

Anschlag

Sydney: Neue Details zu den mutmaßlichen Tätern

Hinweise aus Ermittlerkreisen deuten darauf hin, dass die Familie ursprünglich aus Pakistan stammt

 15.12.2025