Interview

»Eine einzige Katastrophe«

Prof. Michael Wolffsohn Foto: Gregor Matthias Zielke

Professor Wolffsohn, am 28. Mai 1964 wurde die Palästinensische »Befreiungsorganisation« gegründet. Wie betrachten Sie die 60-jährige Geschichte der PLO?
Vom politischen und wirtschaftlichen Output für das Volk der Palästinenser eine einzige, sich ständig steigernde Katastrophe. Man schaue sich den heutigen Zustand des Gazastreifens an: Schutt und Asche. Selbstverschuldet, weil Israel dazu kontinuierlich und dann besonders an 10/7 provoziert wurde. Hamas ist zwar kein PLO-Mitglied, aber eben doch ein gewichtiger Teil der palästinensischen Nationalbewegung. Im Vergleich dazu ist das PLO- bzw. Fatah-regierte Westjordanland ein Paradies. Die PLO war, wie die Hamas, bislang nicht willens oder fähig, Politik zu betreiben, also zumindest zeitweilig Kompromisse zu schließen und auf Gewalt kategorisch zu verzichten. Also: »Besser den Spatzen in der Hand als die Taube auf dem Dach.«

Laut der Palästinensischen Nationalcharta ist der bewaffnete Kampf der einzige Weg zur Befreiung Palästinas. Wie passt es dazu, dass im Westen weiterhin eine Verhandlungslösung als Weg zum Frieden betrachtet wird?
Zwar beschloss der Palästinensische Nationalrat 1998, diese Klausel aus dem Jahre 1968 zu streichen. Das ist jedoch bislang nicht geschehen. Dennoch sind Verhandlungen, ist also Politik, unverzichtbar, zumal jeder Krieg ein Instrument der und zur Politik ist. Krieg ist Politik in Form von Gewalt, Verhandlungen Politik ohne Gewalt, und dauerhafte Gewalt kein erstrebenswerter oder dauerhaft aushaltbarer Zustand. Verhandeln ist gut, Appeasement fatal.

Seit 20 Jahren ist Mahmud Abbas Chef der PLO. Welchen Einfluss hat er noch, und hat die PLO nicht schon längst den Anspruch verwirkt, Vertretung aller Palästinenser zu sein?
»Aller Palästinenser«, das war nicht einmal ab 1964 Wirklichkeit, sondern Wunsch. Und der Wunsch wurde Politik. Auch der Akteure internationaler Politik. Arafat bekam von Israel spätestens 1993 die Chance durch das Oslo-Abkommen sowie 2000 und 2001, Camp David und Taba, einen Palästinensischen Staat zu bekommen, mit 97 Prozent des Westjordanlandes plus Ost-Jerusalem plus Gaza. Abbas bekam 2005 mit Israels Rückzug aus Gaza die Chance und 2008 unter Olmert. Alles verpasst. Unverdrossen wird aber behauptet: Israel hätte sich seit jeher geweigert. Nein, die PLO ist gescheitert. Und erst recht Hamas. Die Tragödie des palästinensischen Volkes besteht darin, dass es von seinen eigenen Führungen als Kanonenfutter missbraucht wurde.

Der damalige PLO-Chef Jassir Arafat rief 1988 während der Ersten Intifada einen palästinensischen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt aus. Mehr als 140 UN-Mitgliedsstaaten erkennen den Staat bereits an. Was bedeutet das?
Man gehe durch das heutige Jerusalem. Ob es gefalle oder nicht, Jerusalem als Hauptstadt eines Palästina-Staates existiert in Wolkenkuckucksheim. Da war der Visionär oder, wenn Sie wollen, Utopist in seinem Roman »Altneuland« realistisch. Der endet bekanntlich so: »Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen.« Die Unfähigkeit der palästinensischen Politiker besteht auch darin, Wunsch und Wirklichkeit, zumindest nach außen, gleichzusetzen. Also noch ein Beweis für die Unfähigkeit zur Politik.

Mehr als sieben Monate nach dem Angriff der Hamas auf Israel haben Irland, Norwegen und Spanien angekündigt, einen palästinensischen Staat anzuerkennen – am 28. Mai. Ist das eine Würdigung der PLO, ein Zugeständnis an die Hamas oder einfach ein Sieg des Terrors?
Auch da ist ein Beleg für die Unfähigkeit zur Politik. Bombastische Worte ersetzen keine Politik. Konkret: Was verbessert sich dadurch für die Palästinenser im Alltag? Nichts.

Das Interview führte Detlef David Kauschke. Michael Wolffsohn ist Historiker, Publizist und Autor unter anderem von »Eine andere Jüdische Weltgeschichte« und »Wem gehört das Heilige Land?«

Hamburg

Block-Prozess: Israelischer Firmenchef vernommen

Die Block-Kinder sollen an Silvester 2023/24 von einer israelischen Sicherheitsfirma aus der Obhut ihres Vaters entführt worden sein. Nun hat der Firmenchef bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt

von Bernhard Sprengel, Sebastian Engel  18.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  18.11.2025

Berlin

Israelfeindliche Aktivisten beschmieren Kanzleramt

Die Täter, ein Mann und eine Frau, befinden sich bereits wieder auf freiem Fuß

 18.11.2025

Meinung

Die Gut-Wetter Freunde Israels sind zurück! 

Die Wiederaufnahme der Waffenexporte ist richtig und notwendig. Doch das ändert nichts daran, dass die Bundesregierung das Vertrauen Israels und vieler Juden vorerst verloren hat

von Sarah Cohen-Fantl  18.11.2025

Berlin

Mehr als 500 Rechtsextremisten mit Haftbefehl gesucht

Nach knapp 40 von ihnen wird wegen Gewaltstraftaten gefahndet

 18.11.2025

Berlin

Deutsch-Israelische Gesellschaft kritisiert geplante deutsche Millionenhilfen für UNRWA

Volker Beck: »Hilfe darf nicht über einen Kanal erfolgen, der in die terroristischen Aktivitäten der Hamas verstrickt war und ist«

 18.11.2025

Deutschland

»Das ist Verrat am Vaterland«

Unionsfraktionschef Jens Spahn äußert sich einmal mehr klar zur AfD

 18.11.2025

Riad/Washington

USA liefern F-35-Kampfjets an Saudi-Arabien

Bislang wurden diese in der Region nur an den engen Verbündeten Israel abgegeben

von Christoph Meyer, Cindy Riechau, Franziska Spiecker  18.11.2025

USA

Clinton-Minister zieht sich wegen Kontakt zu Epstein zurück

Der Skandal um den verstorbenen Sexualstraftäter zieht weitere Kreise. Ein früherer Minister kündigt nun wegen seiner persönlichen Beziehung zu Epstein Konsequenzen an

 18.11.2025