Weltweite Umfrage

Drei Viertel aller jüdischen Studenten verbergen ihre Identität

Der durch Israel- und Judenhasser beschädigte Emil-Fischer-Saal der Berliner Humboldt-Universität im April Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

Eine neue weltweite Umfrage der Anti-Defamation League (ADL) und der World Union of Jewish Students (WUJS) fördert ein alarmierendes Bild zutage: 78 Prozent der jüdischen Studenten weltweit geben an, ihre religiöse Identität an Hochschulen zu verbergen. Noch mehr, nämlich 81 Prozent, verschweigen ihre zionistische Haltung – aus Angst vor Anfeindungen und Gewalt.

Die Befragung, die im akademischen Jahr 2024/25 unter 1727 jüdischen Studenten aus mehr als 60 Ländern durchgeführt wurde, ist die erste globale Studie dieser Art. Deutschland ist der Staat, in dem die meisten Studenten befragt wurden, nämlich 205. Die Studie ergänzt bisherige Untersuchungen der ADL in den USA um eine internationale Perspektive – und zeigt, dass Antisemitismus an Hochschulen kein regionales Phänomen, sondern weltweit verbreitet ist.

Mehr als ein Drittel der Befragten kennt jüdische Kommilitonen, die im vergangenen Jahr bedroht wurden, knapp ein Fünftel berichtet von Fällen körperlicher Angriffe. Besonders orthodoxe Juden seien betroffen. Sie erleben laut Studie doppelt so häufig Diskriminierung wie andere jüdische Studenten – möglicherweise, da sie am leichtesten als Juden identifizierbar sind.

Geschlechtsspezifische Unterschiede

Hinzu kommen institutionelle Hürden: Fast 30 Prozent der jüdischen Studenten, die aus religiösen Gründen Sonderregelungen im Studium beantragen, erhalten diese nicht oder nur teilweise. In Europa ist das Problem besonders gravierend: Hier werden laut Studie 44 Prozent der Anträge abgelehnt, im weltweiten Schnitt sind es 20 Prozent.

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Auch geschlechtsspezifische Unterschiede werden deutlich: Jüdische Studentinnen verstecken ihre Identität häufiger als ihre männlichen Kommilitonen (82 zu 73 Prozent bei der religiösen Identität, 85 zu 75 Prozent bei der zionistischen Haltung).

Fast ein Drittel der jüdischen Studenten berichtet von Diskriminierung durch Mitstudenten – deutlich mehr als durch Dozenten oder andere Hochschulmitarbeiter (9 Prozent). Für viele sei es daher Alltag geworden, ihre Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinschaft zu verschweigen.

»Verheerende Realität«

Marina Rosenberg, die bei der ADL für internationale Angelegenheiten zuständig ist, spricht von einer »verheerenden Realität«: »Wenn über drei Viertel der jüdischen Studenten ihre religiöse und zionistische Identität aus Angst verbergen müssen, ist die Lage mehr als alarmierend.«

Josh Cohen, Präsident der WUJS, warnt: »Seit dem 7. Oktober berichten jüdische Studenten weltweit über einen starken Anstieg von Antisemitismus und Ausgrenzung. Diese Erhebung macht sichtbar, wie tiefgehend das Problem tatsächlich ist.«

ADL und WUJS forderten Universitäten in aller Welt auf, entschlossen gegen Antisemitismus vorzugehen. Dazu gehöre unter anderem, die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) offiziell zu übernehmen, Ansprechpersonen für jüdische und israelische Studenten zu benennen, regelmäßig die Campus-Stimmung zu erfassen und verpflichtende Schulungen für Studenten anzubieten. Außerdem müssten Hochschulen für religiöse Bedürfnisse klare und zugängliche Regelungen schaffen.

Die ADL bezeichnet die aktuellen Ergebnisse als Weckruf: Hochschulen müssten jetzt handeln, damit jüdische und israelische Studenten nicht länger Angst haben müssten, offen zu ihrer Identität zu stehen. Nur so könne ein sicheres und respektvolles Lernumfeld gewährleistet werden.

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