Interview

»Die documenta-Geschäftsführung ist ungeeignet«

Jacob Gutmark über die Antisemitismus-Skandale bei der Kunstausstellung, fehlende Aufarbeitung und notwendige Konsequenzen

von Eugen El  30.06.2022 08:12 Uhr

»Eine schlimme Aussage«: Jacob Gutmark Foto: Rafael Herlich

Jacob Gutmark über die Antisemitismus-Skandale bei der Kunstausstellung, fehlende Aufarbeitung und notwendige Konsequenzen

von Eugen El  30.06.2022 08:12 Uhr

Herr Gutmark, am Dienstagabend haben Sie gemeinsam mit dem Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt die hessische Kunstministerin Angela Dorn zu einem Gespräch über die documenta getroffen. Von wem ging die Initiative aus?
Wir hatten dieses Gespräch angestrebt, zusammen mit der Landesregierung. Für den Landesverband war neben mir mein Vorstandskollege Alfred Jacoby dabei.

Welche Erkenntnisse haben Sie aus dem Gespräch mitgenommen?
Es scheint zunehmend um Politik zu gehen und weniger um Kunst. Auch scheint es mir so zu sein, dass die Geschäftsführung der documenta für die Aufarbeitung der Antisemitismus-Skandale ungeeignet ist.

Wie war die Gesprächsatmosphäre?
Es war ein freundschaftliches Format. Auch schwierige Themen lassen sich in einer solchen Atmosphäre angehen. Wir kennen Frau Dorn schon seit Längerem und kennen ihre Einstellung zu Antisemitismus nicht erst seit der documenta. Sie hat eine lobenswerte, aufgeschlossene Haltung.

Wünschen Sie sich eine Fortsetzung des Dialogs mit der Landesregierung?
Wir wünschen uns, dass regelmäßig Gespräche stattfinden. Ich glaube nicht, dass der Judenhass verschwindet, wenn der Antisemitismus auf der documenta aufgearbeitet worden ist. Antisemitismus ist eine Plage, die uns noch lange beschäftigen wird.

Wie konnte es in Kassel zu solch gravierenden judenfeindlichen Eklats kommen?
Das, was sich auf der documenta gezeigt hat, war schon im Vorfeld begleitet von vielen Warnungen: Es wurde bereits angenommen, dass antisemitische Werke ausgestellt werden könnten. Dennoch traf das auf taube Ohren.

Zeugt der Skandal von einer neuen Qualität des Judenhasses?
Es gibt heute eine Unbefangenheit in Sachen Antisemitismus. Die Hemmungen sind deutlich weniger geworden. Bei der documenta war man blind – als ob man nicht wusste, worum es geht. Doch auch die Kunstfreiheit legitimiert keinen Judenhass.

Wie geht die Kasseler Gemeinde mit den Eklats um?
Es geht den Kasselern direkt unter die Haut. Sie haben vor Ort protestiert – und zwar mit Recht. In Kassel ist das deutschlandweit erste Zentrum gegen Antisemitismus entstanden, daher waren die Kasseler besonders sensibilisiert.

Wie blicken Sie persönlich auf die Vorgänge bei der Weltkunstausstellung?
Wir sehen, dass es ganz verschiedene Äußerungen seitens der documenta gab, etwa, dass ihnen der antisemitische Charakter des Bildes nicht aufgefallen sei. Das ist eine ganz schlimme Aussage. Denn damit sagt man, dass es einen nichts anging.

Wie verfolgen Sie die öffentliche Debatte über die Vorgänge?
In der Öffentlichkeit haben sich viele zu der Thematik geäußert. Ich denke, dass die Landesregierung sich mit den Vertretern der großen Mehrheit der Juden in Hessen und Frankfurt trifft, zeigt, dass die Politik hier nun an der richtigen Adresse ist.

Mit dem Vorsitzenden des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Hessen sprach Eugen El.

Debatte

Rabbiner für Liberalisierung von Abtreibungsregelungen

Das liberale Judentum blickt anders auf das ungeborene Leben als etwa die katholische Kirche: Im jüdischen Religionsgesetz gelte der Fötus bis zur Geburt nicht als eigenständige Person, erklären liberale Rabbiner

von Leticia Witte  11.12.2024

Gelsenkirchen

Bekommt Bayern-Torhüter Daniel Peretz Konkurrenz?

Münchens Sportvorstand Max Eberl macht eine klare Ansage

 11.12.2024

Meinung

Syrien und die verfrühte Freude des Westens über den Sieg der Islamisten

Ein Gastkommentar von Ingo Way

von Ingo Way  11.12.2024

Porträt

Wer ist der Mann, der Assad gestürzt hat?

Abu Mohammed al-Golani hat sich oft gewandelt. Der Anführer des Aufstandes, der der jahrzehntelangen Diktatur der Familie Assad in Syrien binnen Tagen ein Ende setzte, hat jahrelang an seinem Image gearbeitet

von Kareem Chehayeb  10.12.2024

Jubiläum

100 Jahre Wohlfahrtsverbände - Politik lobt unverzichtbare Arbeit

Bundespräsident Steinmeier betonte, mit ihrer Arbeit und ihrer Solidarität stärkten die Wohlfahrtsverbände wie die ZWST auch die Demokratie

von Birgit Wilke  10.12.2024

Brandenburg

Holocaust-Gedenken soll ohne AfD stattfinden

Führende AfD-Vertreter hätten die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost und die Ausrichtung der gegenwärtigen Erinnerungskultur massiv infrage gestellt

 10.12.2024

Meinung

Der Papst und sein einseitiges Mitgefühl für Judenfeinde

Das Jesus-Kind in ein Palästinensertuch einzuwickeln zeigt, dass der Vatikan seine Tradition verleugnet, um im Nahostkonflikt Partei zu ergreifen

von Maria Ossowski  10.12.2024

Meinung

Amnesty, Israel und die »Untermenschen«

Die Verleumdung Israels durch die Menschenrechtsorganisation ist einmal mehr beispiellos. Ein Kommentar von Wolf J. Reuter

von Wolf J. Reuter  10.12.2024

Stuttgart

Drei mutmaßliche Islamisten wegen Terrorplänen festgenommen

Zwei Brüder und ein junger Mittäter sollen sich ein Sturmgewehr besorgt und einen islamistischen Anschlag geplant haben. Einer ist gerade mal 15 Jahre alt

 10.12.2024