Josef Schuster

Die Bundeswehr kann eine moralische Institution sein

Josef Schuster vergangene Woche im Militärrabbinat Foto: Gregor Zielke

Es ist mir eine große Ehre, mit Ihnen heute den Einzug des Militärrabbinats in diese neuen Räumlichkeiten sowie die Einweihung der Torarolle zu feiern. Und das ist übrigens eine besondere Tora – eine Reise-Rolle, die nachher ganz unglamourös, wie es sich militärisch gehört, in einer Reise-Box für den Transport verwahrt wird. Das ist – viereinhalb Jahre nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags zur Einrichtung des Militärrabbinats – ein weiteres Zeichen, dass die jüdische Militärseelsorge angekommen ist in der Bundeswehr und das macht mich stolz.

Es freut mich in diesem Sinne auch besonders, dass Sie, Herr Bundesminister (gemeint ist Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, Anm. d. Red.), aus diesem Anlass heute hier sind. Ihr Besuch unterstreicht die Bedeutung dieser Ereignisse.

Meine Damen und Herren, die jüdische Gemeinschaft hat ihren Platz innerhalb der Bundeswehr eingenommen. Er steht ihr zu. Jüdische Soldaten haben im Ersten Weltkrieg – bereits unter dunklen Vorzeichen eines Antisemitismus innerhalb des Militärs und der Militärverwaltung – überproportional zum jüdischen Anteil in der Gesellschaft ihren Dienst für Deutschland geleistet. Und mit ihnen auch bereits zahlreiche Militärrabbiner, unter ihnen Leo Baeck seligen Angedenkens. Viele von jenen, die aus diesem grausamen Krieg zurückkehrten, wurden mit Tapferkeitsmedaillen ausgezeichnet. Sie haben ihnen drei Jahrzehnte später nichts genützt.

Nach der Schoa hat es eine Weile gedauert, bis sich die Bundeswehr der dunklen Vergangenheit angenommen hat. Das betraf auch das aufeinander Zugehen mit der jüdischen Gemeinschaft. Heute sind Szenen wie auf dem jüdischen Friedhof in Würzburg selbstverständlich, wo jedes Jahr am Volkstrauertag den gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkrieges im Beisein von Bundeswehrsoldaten gedacht wird. Und das passiert in ganz Deutschland.

Mit dem Ankommen der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland in der Bundeswehr verbindet sich aber noch viel mehr als die Stärkung der Sichtbarkeit jüdischen Lebens in der Gesellschaft, der Förderung des Verständnisses des Judentums innerhalb der Bundeswehr oder der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Nein, uns stellt sich die Frage, welche Rolle kann eine solche Bundeswehr, geprägt von innerer Führung und moralischer Stabilität, für unsere Gesellschaft einnehmen? Welche Funktion hat sie? Und welchen Beitrag kann die in ihr verankerte jüdische Gemeinschaft dafür leisten?

Ich denke gerade nach dem grausamen Massaker der Hamas vom 7. Oktober häufig an eine Analyse des britischen Rabbiners Lord Jonathan Sacks seligen Angedenkens, die er zehn Jahre nach dem Anschlag auf das World-Trade-Center vom 11. September 2001 gezogen hat. Er schrieb 2011 in einem Artikel in der »Times«, der größte Feind der freien Welt seien wir selbst. Wann immer das »Ich« wichtiger werde, als das »Wir«, wann immer der Nutzen von heute Vorrang vor der Lebensfähigkeit von morgen habe, ist eine Gesellschaft in Schwierigkeiten.

Wir sollten nach den antisemitischen Ausschreitungen auf deutschen Straßen sowie den im Wochentakt auftretenden Skandalen nicht nur auf die anderen schauen. Ich sage bewusst nicht nur, denn natürlich gehört es dazu vor den bestehenden gesellschaftlichen Problemen nicht die Augen zu verschließen, so wie wir es vielleicht bereits nach nine-eleven taten, als vielerorts – von der Westbank über Europa – Menschen jubelnd durch die Straßen zogen. Was fehlte, war die Verbreitung über Social Media.

Aber, meine Damen und Herren, wir sollten zu einem großen Stück doch auch auf uns selbst schauen. Was können wir besser machen? Wie können wir, um bei Jonathan Sacks zu bleiben, unsere eigenen Werte und Institutionen stärken und wieder an uns glauben? Darauf kam es ihm an und seine Botschaft ist heute wichtiger, denn je.

Die Bundeswehr, und das ist in meinen Augen eine erfreuliche Entwicklung, hat in den vergangenen Jahren einen Weg eingeschlagen, der sie zu solch einer moralischen Institution machen kann. Eine Institution, in der die Pflicht zur Verantwortung füreinander im Zentrum steht. Die Erfüllung dieser Pflicht mache nach dem bereits erwähnten Leo Baeck überhaupt erst einen Menschen aus, der immer auch ein »Mitmensch« sei. Baeck, der nach seiner Zeit als Militärrabbiner zu einer Art Lichtgestalt des deutschen Judentums aufstieg und dessen Ideen auch heute noch die Arbeit des Zentralrats entscheidend prägen, schrieb diesen Aufsatz über das »Menschsein« am Vorabend des Ersten Weltkriegs.

Es ist mir in diesem Sinne eine Ehre, dass die jüdische Gemeinschaft ihren Beitrag zu dieser wichtigen Entwicklung der Bundeswehr leisten kann. Ich danke allen, die das möglich machen mit ihrer Arbeit!

Teheran

Iran schießt mit russischer Hilfe drei Satelliten ins All

Im Mullah-Staat machen Gerüchte über einen möglichen neuen Militärkonflikt mit Israel die Runde. Mit Raumfahrtprojekten will das Land Stärke demonstrieren

 28.12.2025

Berlin

Mehr Demonstrationen mit Nahost-Bezug

Auf den Straßen der Hauptstadt ist 2025 weniger demonstriert worden, die Kundgebungen mit Bezug zum Nahen Osten haben jedoch zugenommen

 28.12.2025

Berlin

»Jeder sollte sich überlegen, ob er mit dem Teufel ins Bett geht«

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hält Koalitionen mit der AfD auf Länderebene für gefährlich

 27.12.2025

Genua

Italien geht gegen mutmaßliches Hamas-Netzwerk vor

Die Ermittler decken ein Netzwerk zur Unterstützung der islamistischen Terrororganisation auf

 27.12.2025

Berlin

Wadephul: Keine deutsche Beteiligung an Gaza-Stabilisierungstruppe

Er sei dafür, »dass Deutschland eine vermittelnde Rolle einnimmt, um der Sicherheit Israels Rechnung zu tragen«, so der Außenminister

 26.12.2025

Istanbul

Türkei nimmt 115 mutmaßliche IS-Mitglieder fest

Die Verdächtigen sollen Anschläge während der Weihnachts- und Neujahrszeit geplant haben

 25.12.2025

Australien

Mann solidarisiert sich mit Sydney-Attentätern – Festnahme

Bei dem Verdächtigen wurden Einkaufslisten für den Bau einer Bombe und Munition gefunden. Es erging bereits Anklage

 24.12.2025

Washington

US-Regierung nimmt deutsche Organisation HateAid ins Visier

Die beiden Leiterinnen wurden wegen angeblicher Zensur amerikanischer Online-Plattformen mit Einreiseverboten belegt. Die Bundesregierung protestiert

 24.12.2025

Großbritannien

Israelfeindlicher Protest: Greta Thunberg festgenommen

In London treffen sich Mitglieder der verbotenen Gruppe Palestine Action zu einer Protestaktion. Auch die schwedische Aktivistin ist dabei. Die Polizei schreitet ein

 23.12.2025