Meinung

Der Fall einer Ministerin

Die Wissenschaftsministerin der Bundesregierung, Annette Schavan, ist zurückgetreten. Bekanntlich musste sie auf ihr Amt verzichten, nachdem die Universität Düsseldorf ihr die Promotion aberkannt hat. Es kann davon ausgegangen werden, dass die zuständigen Gremien diesen Schritt erst nach reiflicher Prüfung unternommen haben. Es ist ein massiver Eingriff in eine Biografie und in die berufliche Identität, wenn eine Universität einen Titel aberkennt.

Schavans Rücktritt ist in vielfacher Hinsicht zu bedauern: Aus jüdischer Sicht muss man konstatieren, dass sie Bildungsinitiativen im jüdischen Spektrum stets unterstützt und begleitet hat. Und aus Sicht eines Hochschullehrers ist zu sagen, dass sie notwendige Reformprozesse angeschoben, dass sie im sogenannten Bologna-Prozess die Integration der deutschen Wissenschaftslandschaft in die internationale Scientific Community forciert hat und dass ihre Arbeit den von ihr selbst gesetzten Ansprüchen genügt hat. Aber die Bildungsinstitutionen sind angehalten, wissenschaftliche Exponate, die sie erhalten, gründlich zu prüfen.

wissenschaftlichkeit In der Regel findet das auch statt, und wenn, wie im vorliegenden Fall, Zweifel an der Wissenschaftlichkeit auch erst nach Jahrzehnten bekannt werden, müssen sie eben dann geprüft werden. Genau solche Prüfverfahren sind es, die für Vertrauen in die bundesdeutsche Bildungslandschaft sorgen. Trotz mancher Plagiatsaffären ist die deutsche Bildungslandschaft international hoch angesehen, und die zu Tage geförderten Ergebnisse sind für die gesellschaftliche Weiterentwicklung von großer Relevanz.

Insofern taugt der Fall Schavan nicht dazu, das Vertrauen in die Tradition und in die wissenschaftliche Kompetenz von Dozenten und Professoren infrage zu stellen. Unabhängig vom Prüfungsergebnis der universitären Kommission ist eine Abwertung der umfassenden beruflichen Leistung von Annette Schavan völlig deplatziert.

Der Autor ist Professor für Interkulturelle Pädagogik an der Fachhochschule Erfurt und Wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Deutschland

»Völlige Schamlosigkeit«: Zentralrat der Juden kritisiert AfD-Spitzenkandidat für NS-Verharmlosung

Der AfD-Spitzenkandidat aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, äußert sich einschlägig in einem Podcast zur NS-Zeit

von Verena Schmitt-Roschmann  21.11.2025

München

»Wir verlieren die Hoheit über unsere Narrative«

Der Publizist und Psychologe Ahmad Mansour warnte in München vor Gefahren für die Demokratie - vor allem durch die sozialen Netzwerke

von Sabina Wolf  21.11.2025

Tobias Kühn

Wenn Versöhnung zur Heuchelei wird

Jenaer Professoren wollen die Zusammenarbeit ihrer Universität mit israelischen Partnern prüfen lassen. Unter ihnen ist ausgerechnet ein evangelischer Theologe, der zum Thema Versöhnung lehrt

von Tobias Kühn  21.11.2025

Kommentar

Wenn Ideologen mehr zu wissen scheinen als Expertinnen

Der Antisemitismusbekämpfer und bisherige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Martin Hikel, ist abgestraft worden - weil er die Grundwerte der sozialdemokratischen Partei vertreten hat

von Renée Röske  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

Deutschland

»Hitler ist niedergekämpft worden. Unsere Städte mussten in Schutt und Asche gelegt werden, leider«

Militanter Linker, Turnschuhminister, Vizekanzler und Außenminister: Das sind die Stationen im Leben des Grünenpolitikers Joschka Fischer. Warum er heute vom CDU-Kanzler Konrad Adenauer ein anderes Bild als früher hat

von Barbara Just  21.11.2025

Berlin

Bundesinnenministerium wechselt Islamismusberater aus

Beraterkreis statt Task Force: Die schwarz-rote Bundesregierung setzt einen anderen Akzent gegen islamistischen Extremismus als die Ampel. Ein neues Expertengremium, zu dem auch Güner Balci gehören wird, soll zunächst einen Aktionsplan erarbeiten

von Alexander Riedel  21.11.2025

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  21.11.2025 Aktualisiert