interview

»Das spricht viele Leser an«

Herr di Lorenzo, die Präsidentin des Zentralrats der Juden erklärt ihren Verzicht auf eine zweite Amtszeit – und die deutsche Presselandschaft steht kopf. Gibt es nichts Wichtigeres auf der Welt?
Ich kann für uns nur sagen: »Die Zeit« hatte sich ganz unabhängig von den personellen Weiterungen im Zentralrat dafür entschieden, die Zukunft der Juden in Deutschland zum Thema einer Titelgeschichte zu machen.

Warum widmet »Die Zeit« einem Thema, bei dem es um eine winzige Minderheit geht, so viel Aufmerksamkeit?
Weil wir glauben, dass in dem Beitrag etwas beschrieben wird, was man so noch nicht gelesen hat: Das Judentum steht vor einem Paradigmenwechsel – junge Juden wollen endlich unbelastet in Deutschland leben. »Un- belastet« und »unbefangen« sind klassische Codewörter der raunenden Rechten. Diese Begriffe hat sich eine neue Generation zurückerobert.

Das erklärt noch nicht, warum in den Tagen nach Charlotte Knoblochs Rückzugserklärung Hunderte Beiträge über das Judentum und den Zentralrat erschienen sind.
Wenn man zynisch wäre, würde man sagen: Der eine oder andere überschätzt die Größe der jüdischen Gemeinschaft und folgerichtig auch die ihrer politischen Vertretung. Das ist ein Stereotyp, seitdem über Juden geschrieben wird.

Geht es womöglich darum, dass man sich an einem Gremium wie dem Zentralrat einfach gerne mal »abarbeitet«?
Ich habe die vielen Beiträge nicht so gelesen, auch wenn der Unmut über den Zentralrat seit dem Tod von Ignatz Bubis, der aus vielen Mustern ausgebrochen war, gewachsen ist. Übrigens schätze ich Frau Knobloch persönlich sehr und bedauere ihren Verzicht.

Dennoch: In Ländern wie Frankreich oder Großbritannien wird der bevorstehende Wechsel an der Spitze eines jüdischen Verbandes allenfalls kurz vermeldet.
Sie verweisen auf Länder, die zwischen 1933 und 1945 doch eine etwas andere Vergangenheit gehabt haben als Deutschland.

Sind Mediennutzer hierzulande am Judentum ebenso interessiert wie die Medienmacher?
Ich kann nicht behaupten, dass wir mit dieser Geschichte einen sensationellen Auflagenerfolg erzielt haben. Das war auch nicht beabsichtigt. Allerdings war es in der Redaktion nicht unumstritten, dieses Thema zur Titelgeschichte zu machen.

Was sprach dagegen?
Manche meinten, dass es nur wenige Menschen angehe und anspreche. Ich war anderer Meinung. Wir haben schließlich auch Titelgeschichten über Muslime oder Katholiken in Deutschland gemacht. Aber »normal« wird eine Titelgeschichte über Juden wohl erst sein, wenn man hinterher nicht gefragt wird, warum man sie gemacht hat.

Mit dem Chefredakteur der Wochenzeitung »Die Zeit« sprach Christian Böhme.

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