Terrorismus

Bundestag gedenkt der Opfer von Halle

Schweigeminute im Bundestag für die Opfer von Halle am 17. Oktober Foto: dpa

Der Bundestag hat der Opfer des Terroranschlags von Halle gedacht. »Der Anschlag hat das bedrohliche Ausmaß rechtsextremer Gewaltbereitschaft offenbart, erneut«, sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) am Donnerstag in Berlin. »Es war eine Tat, die dem klaren Ziel folgte, möglichst viele Juden zu töten. Nur glückliche Umstände haben weitere opfer verhindert.«

Schäuble sprach allen Opfern, Angehörigen und Zeugen des Terroranschlags sein Mitgefühl aus. Er wies auf alltäglichen Antisemitismus hin und die Angst vieler Juden, ihre Jüdischkeit in Deutschland öffentlich zu zeigen. Das sei »beschämend für unser Land«, sagte Schäuble.

VERFOLGUNG Die Versäumnisse im Kampf gegen Rechtsextremismus müssten aufgearbeitet, die bestehenden Rechtsgrundlagen bei der Verfolgung besser angewendet werden. Im Anschluss an seine kurze Rede erhoben die Abgeordneten sich.

https://twitter.com/ARD_BaB/status/1184745618885038082

SPD und FDP kritisierten in der Bundestagsdebatte die AfD scharf. Vielleicht habe der Täter allein gehandelt, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich. »Aber er wird getragen von einem System der Hetze, des Chauvinismus und des Rechtsextremismus. Und die AfD ist Teil dieses Systems.«

Mitten in den Reihen der AfD säßen Abgeordnete, die »widerliche Kommentare« über die Opfer des Anschlags verbreitet hätten. Der SPD-Politiker griff auch AfD-Fraktionschef Alexander Gauland direkt an: »Sie treiben diese Hetze an.«

GAULAND Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner betonte, der Angriff von Halle sei nicht nur ein Angriff auf eine Gruppe in unserer Gesellschaft gewesen. »Wenn einige sich in unserer Mitte heute nicht mehr sicher fühlen können, dann wird sich morgen niemand mehr in Deutschland sicher fühlen.«

Gauland habe die Gelegenheit verpasst, auch nur einen Satz »zu den Entgleisungen auf Twitter« aus den Reihen seiner Fraktion zu sagen. Auch aus der AfD-Fraktion habe es keine Distanzierung gegeben. »Hier gilt: Wer schweigt, stimmt zu.« Wenn die AfD einen solchen Abgeordneten weiter einen Ausschuss des Bundestag leiten lasse, »dann sagt das etwas über ihren Charakter in Wahrheit aus«.

Mitten in den Reihen der AfD sitzen Abgeordnete, »die widerliche Kommentare« über die Opfer des Anschlags verbreitet haben, kritisiert Mützenich die AfD.

Dies bezog sich auf den Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Stephan Brandner (AfD). Dieser hatte mit einem Tweet zu einem ZDF-Interview für Empörung gesorgt, in dem der jüdische Publizist Michel Friedman zum Terroranschlag von Halle befragt worden war. Friedman sagte dort, »Judenhass und Menschenhass« hätten bei der AfD eine »politische Heimat« gefunden. Brandner twitterte daraufhin: »Jede Sendeminute dieses deutschen Michel treibt uns neue Anhänger in Scharen zu - weiter so!«

In der Kritik steht Brandner zudem wegen eines Retweets, mit dem er eine Nachricht eines anderen Nutzers weiterverbreitet hatte. Dieser hatte geschrieben, die Opfer von Halle seien »eine Deutsche, die gerne Volksmusik hörte« und »ein Bio-Deutscher« gewesen. »Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?« Der Rechtsausschuss hatte sich daraufhin gegen Brandner gestellt.

HINTERGRUND In Halle in Sachsen-Anhalt hatte ein 27-jähriger Deutscher am Mittwoch vergangener Woche versucht, sich mit Waffengewalt Zutritt zu der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Halle zu verschaffen. Über 50 Menschen hielten sich zu diesem Zeitpunkt in dem Gebäude auf, um den Jom-Kippur-Gottestdienst zu besuchen.

Der Attentäter konnte nicht ins Haus gelangen. Er tötete eine Passantin und später einen Mann in einem Döner-Imbiss. Er hat die Tat gestanden und rechtsextremistische sowie antisemitische Motive angegeben.

INNENMINISTER Rund eine Woche nach dem antisemitisch motivierten Attentat werden sich am Freitag die Innenminister von Bund und Ländern in Berlin treffen. Sie wollen sich über das weitere Vorgehen abstimmen, teilte das Innenministerium von Schleswig-Holstein am Donnerstag mit.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der dortige Ressortchef Hans-Joachim Grote (CDU) ist Vorsitzender der Innenministerkonferenz. An dem Treffen, über dessen Ergebnisse am Freitagnachmittag informiert werden soll, wird auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) teilnehmen.

Die »Rheinische Post« (Donnerstag) berichtete, dass der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) dort unter anderem vorschlagen will, Anhänger des vom Verfassungsschutz beobachteten »Flügels« der AfD vom Beamtenstatus auszuschließen. Wer sich als Beamter offen zum sogenannten »Flügel« der AfD bekenne, dem sollte bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Beamtenstatus aberkannt werden, zitiert die Zeitung aus einem Papier von Pistorius zur Sondersitzung der Innenminister.  epd/dpa/ja

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Gaza

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat nennt Ausladung Shanis »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025

Berlin

Soziale Medien: »TikTok-Intifada« und andere Probleme

Denkfabrik Schalom Aleikum beschäftigt sich auf einer Fachtagung mit Hass im Netz: »Digitale Brücken, digitale Brüche: Dialog in Krisenzeiten«

 11.09.2025

Urteil

Bundesgerichtshof bestätigt Geldstrafen gegen Höcke

Das Landgericht Halle habe in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der AfD-Politiker die verbotene SA-Parole »Alles für Deutschland« und »Alles für« gerufen hat

 11.09.2025