Niedersachsen

Breiter Protest gegen geplanten Reformationstag

»Eine Belastung und ein Affront«: Michael Fürst, Präsident des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen Foto: dpa

Die mit Spannung erwartete Entscheidung über einen neuen gesetzlichen Feiertag in Niedersachsen rückt näher. Am Dienstag stimmen die 137 Abgeordneten des Landtags in Hannover darüber ab, ob der Reformationstag am 31. Oktober künftig landesweit arbeitsfrei wird. So sieht es ein Gesetzentwurf der rot-schwarzen Landesregierung vor.

Ein zweiter Vorschlag von Abgeordneten vor allem aus der CDU setzt sich für den Buß- und Bettag im November ein. Ein Entwurf der Grünen fordert gleich zwei neue Feiertage: den Internationalen Frauentag am 8. März und den Europatag am 9. Mai.

landtag Sollte der Landtag für den Reformationstag votieren, wird der 31. Oktober mit hoher Wahrscheinlichkeit in allen vier norddeutschen Bundesländern ein Feiertag. Hamburg und Schleswig-Holstein hatten sich bereits im Februar für den Reformationstag entschieden.

Die Bremer Bürgerschaft stimmte in erster Lesung ebenfalls dafür. Das kleinste Bundesland will aber mit der endgültigen Abstimmung zunächst abwarten, wie sich der niedersächsische Nachbar entscheidet. In Ostdeutschland außer Berlin ist der 31. Oktober bereits seit langer Zeit ein Feiertag.

Anders als in den übrigen norddeutschen Ländern verlief die Diskussion in Niedersachsen äußerst kontrovers. Während die evangelische Kirche den Vorschlag des Ministerpräsidenten begrüßte, übten die jüdischen Gemeinden, aber auch die katholische Kirche, die religionskritischen Humanisten und Wirtschaftsverbände scharfe Kritik.

Luther Die jüdischen Gemeinden verwiesen auf judenfeindliche Äußerungen des Reformators Martin Luther (1483–1546). Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen hat Proteste angekündigt, sollte der Reformationstag zum neuen Feiertag in dem Bundesland werden.

Eine Entscheidung für den 31. Oktober wäre »eine Belastung und ein Affront« für das christlich-jüdische Verhältnis, sagt der Vorsitzende des Landesverbandes, Michael Fürst. Er hätte von der evangelischen Kirche »mehr Demut erwartet angesichts der Tatsache, was Christen im Anschluss an Luthers antisemitische Ausfälle angerichtet haben«.

»Dieser Tag ist ohne Luther nicht denkbar, und Luthers gnadenloser Antisemitismus hat Jahrhunderte überdauert und schließlich in den Holocaust geführt«, äußerte sich Fürst vor Kurzem in der Jüdischen Allgemeinen. Die Nazis hätten die Worte des Reformators wortwörtlich umgesetzt. Die Evangelische Kirche habe an ihrem Problem mit Luther wahrhaftig gearbeitet, aber »reinwaschen« könne sie Luther nicht.

zentralrat Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland spricht sich gegen den geplanten Feiertag aus. Für Zentralratspräsident Josef Schuster soll ein neuer Feiertag den interreligiösen Dialog fördern. »Dafür eignet sich der Reformationstag in keiner Weise«, so Schuster.

Josef Schuster verweist auf die antisemitischen Schriften des Reformators Martin Luther. Wer an Luther denke, »muss auch an seinen Antisemitismus denken«, erklärt Schuster. Darüber hinaus halte er den Reformationstag als bundesweiten gesetzlichen Feiertag schlicht nicht für praktikabel. »Denn in einigen Bundesländern ist bereits der Tag darauf, Allerheiligen, ein Feiertag. Und zwei Feiertage hintereinander? Ich glaube nicht, dass das durchsetzbar wäre.«

Die religionskritischen Humanisten indes argumentierten, es gebe schon genug christliche Feiertage, und aus Sicht der Wirtschaft braucht Niedersachsen gar keinen neuen Feiertag. Entsprechend scharf fiel die Reaktion der Opposition im Parlament aus: Insbesondere FDP und Grüne attackierten Weils Feiertagspläne heftig. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Bevölkerungsstruktur des Landes: Anders als im hohen Norden oder in Bremen gibt es in Niedersachsen einige Gebiete mit katholischer Bevölkerungsmehrheit, etwa im Emsland oder im Eichsfeld.

Mehrheit Bei der Abstimmung am Dienstag braucht der Gesetzentwurf der rot-schwarzen Landesregierung mindestens 69 Stimmen für die einfache Mehrheit. Die CDU ließ bereits verlauten, in ihrer 50-köpfigen Fraktion zeichne sich eine deutliche Mehrheit für den 31. Oktober ab. Allerdings wollen 13 CDU-Abgeordnete für den Buß- und Bettag stimmen. Die AfD will den Reformationstag mittragen.

Aus der SPD mit 55 Sitzen wurden zuletzt auch Zweifel am Reformationstag laut – so sprach sich Landtagspräsidentin Gabriele Andretta öffentlich für den Internationalen Frauentag am 8. März aus. CDU und SPD haben angekündigt, bei der Abstimmung den Fraktionszwang aufzuheben.

Staatsbesuch

Kanzler Merz reist am nächsten Wochenende nach Israel

Das Datum steht: Bundeskanzler Merz reist in gut einer Woche zum Antrittsbesuch nach Israel. Der Gaza-Krieg hatte die Reise verzögert, durch die Waffenruhe wird sie jetzt möglich

 28.11.2025

Berlin

Anschlag auf israelische Botschaft geplant? Prozess beginnt

Ein mutmaßlicher IS-Unterstützer kommt vor Gericht. Der Prozess gegen den inzwischen 19-Jährigen beginnt am Montag

 28.11.2025

Brüssel

Weimer warnt vor Antisemitismus und Ausgrenzung beim ESC

Der Kulturstaatsminister will darüber mit seinen europäischen Kollegen sprechen

 28.11.2025

Eurovision Song Contest

Spanien bekräftigt seine Boykottdrohung für ESC

Der Chef des öffentlich-rechtlichen Senders RTVE gibt sich kompromisslos: José Pablo López wirft Israel einen »Genozid« in Gaza und Manipulationen beim Public Voting vor und droht erneut mit dem Austritt

 28.11.2025

USA

Mehrheit der Juden blickt nach Mamdani-Sieg mit Sorge nach New York

Eine Umfrage zeigt: Fast zwei Drittel der Befragten sind der Ansicht, Mamdani sei sowohl antiisraelisch als auch antisemitisch

 28.11.2025

Berlin

Israel, der Krieg gegen die Hamas und die Völkermord-Legende

Der israelische Militärhistoriker Danny Orbach stellte im Bundestag eine Studie und aktuelle Erkenntnisse zum angeblichen Genozid im Gazastreifen vor – und beklagt eine einseitige Positionierung von UN-Organisationen, Wissenschaft und Medien

 27.11.2025

USA

Staatsanwaltschaft rollt den Fall Etan Patz neu auf

Der jüdische Junge Etan Patz verschwindet am 25. Mai 1979 auf dem Weg zur Schule. Jahre später wird er für tot erklärt

 27.11.2025

Debatte

Neue Leitlinie zum Umgang mit NS-Raubgut für Museen und Bibliotheken

In Ausstellungshäusern, Archiven und Bibliotheken, aber auch in deutschen Haushalten finden sich unzählige im Nationalsozialismus entzogene Kulturgüter. Eine neue Handreichung soll beim Umgang damit helfen

von Anne Mertens  27.11.2025

Düsseldorf

Breite Mehrheit im Landtag wirbt für Holocaust-Zentrum in NRW

Große Mehrheit im NRW-Landtag: Fast alle Fraktionen werben für NRW als Standort eines vom Bund geplanten Holocaust-Bildungszentrums. Bayern und Sachsen sind ebenfalls im Rennen

von Andreas Otto  27.11.2025