US-Wahlen

Biden oder Trump?

Foto: imago

»I voted today« – mit diesem rot-weiß-blauen Aufkleber, einem Anstecker oder einfach einem Button im Facebook-Profilbild haben viele US-Bürgerinnen und Bürger in diesem Jahr schon vor dem 3. November ein Zeichen für die Demokratie gesetzt und gewählt. Sowohl die, die in den USA wohnen, aber vor allem auch die außerhalb der Vereinigten Staaten zu Hause sind.

Und das sind, nach einer Erhebung aus dem Jahr 2018 des »Federal Voting Assistance Program« (FVAP), das US-Bürgern im Ausland das Wählen ermöglicht, geschätzt 4,8 Millionen Menschen. Etwa 2,9 Millionen von ihnen waren über 18 und damit wahlberechtigt.

Tweet Damit die Entscheidung, seine Stimme abzugeben keine Schwere wird, rufen die Botschaften seit Monaten alle Wahlberechtigten auf, sich registrieren zu lassen und die Wahlunterlagen anzufordern. Per Facebook, Instagram oder Twitter.

»Die vergangenen vier Jahre waren ein Albtraum.«

Laurel Kratochvila (Berlin)

So wie es auch die US-Botschaft in der Dominikanischen Republik machte, die in ihrem Tweet damit warb: »It’s easy«. Und für Wähler, die das Prozedere weniger easy fanden, richtete das FVAP sogar Zoom-Sprechstunden ein, um das Verfahren – zwei einfache Schritte sind es nach FVAP-Grafik – zu erklären.

Democrats Diese beiden Schritte hat Laurel Kratochvila schon vor Wochen gemacht. Bei ihr ist die Wahl auf Biden gefallen. Und sie hat gute Gründe: »Die vergangenen vier Jahre waren ein Albtraum. Das Land macht einen riesigen Schritt zurück. Antisemitismus nimmt zu, Frauen verlieren ihre Rechte und die Gewalt der extremen Rechten ist außer Kontrolle«, sagt die Unternehmerin, die seit vielen Jahren in Berlin lebt und im Friedrichshain einen kleinen Laden für Bücher und Bagel betreibt.

Auch David Seldner hat gewählt. Er bekam seine Wahlunterlagen genau am Vorabend von Rosch Haschana per E-Mail. Ein paar Tage später hatte er alles abgeschickt. »Meine Unterlagen sind auch, das konnte ich verfolgen, am 17. Oktober fehlerlos eingegangen und für fehlerfrei befunden worden, können also gezählt werden.« Auch seine Stimme zählt für den Kandidaten der Demokraten, Joe Biden. »Ich habe Biden gewählt, denn ich denke, dass Trump zwar für den Nahen Osten besser ist, aber was er innenpolitisch macht, ist indiskutabel. Und Tacheles gesprochen: Er lügt, ist ein Egomane und ein Psychopath«, sagt der Diplom-Mathematiker.

Trumps Ruf in Europa ist alles andere als gut. Laut einer Studie des Pew Research Centers vom September 2020, haben nur zehn Prozent der Deutschen Vertrauen in US-Präsident Trump. Das ist nach einem achtjährigen Stimmungshoch während der Amtszeit von Barack Obama ein Absturz auf die Umfragewerte von George W. Bush.

Antisemitismus Seldner, der bei der letzten US-Wahl »unter Bauchschmerzen« für Hilary Clinton stimmte, blickt sehr besorgt auf die USA. »Das, was gerade in den USA passiert, ist furchtbar. Und Trump befeuert den Rassismus und Antisemitismus. Man hat das Gefühl, das Land steht kurz vor dem Bürgerkrieg.«

»Tacheles gesprochen: Trump lügt, ist ein Egomane und ein Psychopath.«

David Seldner

Die USA, das tief gespaltene Land. Dieser Satz wird besonders vor den Wahlen oft gesagt. Auch Karen A. sagt ihn: »Das Land ist sehr gespalten – mehr als je zuvor.« Die 73-jährige, die in Washington D.C. geboren wurde, in Kalifornien aufwuchs und seit 1973 in Berlin lebt, hat ebenfalls für Joe Biden gestimmt. »Ich kenne keine Amerikaner in Deutschland, die für Trump sind.« Warum das so ist? »Die Amerikaner im Ausland haben einen umfassenderen Blick auf die Welt. In den Staaten haben sie Angst vor Ausländern und keine Ahnung von Weltpolitik.«

Laurel Kratochvila findet das Land »gespaltener den je, und die Zukunft unserer Demokratie ist in Gefahr. Die Evangelikalen Christen haben etwas zu sagen in der Regierung, unverhältnismäßig zu ihrer eigentlichen Präsenz im Land ist.«

Israel Biden, davon ist Karen A. überzeugt, »ist besser für jüdische Belange«. »Ich bin gegen Trumps Politik in Israel und denke, dass sich Biden sehr für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern einsetzen würde. Trump habe schon etwas erreicht im Nahen Osten, »aber ich wünsche mir einen Präsidenten, der wert auf Diplomatie legt.«

»Das Land verdient einen Präsidenten, der versucht, Unterschiede zu überwinden.«

Marc Kaminski (München)

Das hofft auch der 27-jährige Marc Kaminski aus München, dessen Stimme vor vier Wochen ebenfalls an Joe Biden ging. »Trump hat außenpolitisch schon eine Menge Dinge, die er versprochen hatte, erreicht. Aber er hat auch vieles nicht umgesetzt. Frieden in Nahost zu schaffen, zum Beispiel. Und sein Verhalten hat nicht unbedingt dazu beigetragen, den Konflikt zu entschärfen.«

»Was Israel angeht, ist vieles bestimmt nicht so groß, wie es präsentiert wird. Dahinter steckt auch viel Politik. Alle Parteien in dieser Debatte haben daran ihren Anteil und profitieren davon. Aber es ist definitiv etwas in Bewegung geraten und das ist gut so«, betont David Seldner.

Frauen »Wenn Biden gewinnt, hoffe ich, dass Themen wie globale Erwärmung, Frauenrechte, Black Lives Matter, LGBT-Rechte oder auch Handelsbeziehungen zwischen den Ländern wieder in den Fokus rücken. Ich hoffe, dass die USA wieder ein Teil der Welt werden«, hofft Karen A.

Und wenn es Biden nicht schaffen sollte? Kaminski befürchtet, »wenn die Demokraten dieses Mal nicht gewinnen, wird es für lange Zeit keinen demokratischen Präsidenten mehr geben, denn es wird immer schwieriger für sie. Schauen wir nur auf die jüngsten Entwicklungen im Supreme Court.«

RBG Dorthin wurde als Nachfolgerin der kürzlich verstorbenen liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg die konservative Richterin Amy Coney Barrett berufen. Eine Entscheidung, die auch Karen A. nicht nachvollziehen kann. »Ich wünsch mir vor allen einen anderen Supreme Court«, sagt sie und blickt zurück: »Mit Obama ging es alles in eine richtige Richtung, aber mit Trump ist alles zerstört worden.«

Die Hoffnungen und Wünsche für den Wahlausgang sind enorm und konkret: Kratochvila wünscht sich vor allem drei Dinge: »Eine Deeskalation dieses Wahnsinns. Dass Biden Präsident wird und eine Reglementierung von Waffenbesitz.«

Die Hoffnungen und Wünsche für den Wahlausgang sind enorm und konkret.

Marc Kaminski hofft, dass »das Land es schafft, die Differenzen zu überwinden. Das Land verdient einen Präsidenten, der versucht, diese Unterschiede zu überwinden.«

Und David Seldner hegt den Wunsch, »dass es mit den amerikanischen Werten wieder aufwärts geht. Es ist doch ein tolles Land. Aber so wie sich die USA gerade entwickeln, ist es kein Land, in dem ich derzeit leben möchte.«

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