Justiz

Berlin ermittelt

Attila Hildmann bei einer Kundgebung im Mai vor dem Berliner Reichstag Foto: imago images/Stefan Zeitz

Einen gewissen Hang zur Kontroverse hatte der vegane Kochbuchautor Attila Hildmann schon vor Beginn der Corona-Pandemie: Von der öffentlichen Beschimpfung einer Journalistin, deren Kritik ihm nicht gefiel, über einen ausgedehnten Streit mit der Berliner Polizei wegen seines falsch geparkten Porsches bis hin zum Posieren mit einer Pumpgun sorgte der in Kreuzberg aufgewachsene Hildmann immer wieder für Negativschlagzeilen.

Seit dem ersten Covid-Lockdown verbreitet Hildmann verstärkt antisemitische Verschwörungsideologien, der Berliner Kultursenator Klaus Lederer nannte ihn im »Spiegel« »brandgefährlich« und seine Rhetorik »faschistisch«.

Nach zahlreichen Strafanzeigen wurde die Brandenburger Polizei Mitte November aktiv und durchsuchte Hildmanns Wohnung. Dabei wurden auch »elektronische Geräte sichergestellt, um zu verhindern, dass weiterhin im Netz Dinge gepostet werden, die strafrechtlich relevant sein könnten«, sagt Torsten Herbst, Sprecher des Polizeipräsidiums Brandenburg, der Jüdischen Allgemeinen.

GEFAHRENABWEHR Also werden die Computer, Laptops und Handys derzeit von Spezialisten ausgewertet? So schnell gehe das nicht, antwortet Herbst und erklärt, dass die Durchsuchung am 17. November nach Polizeirecht zur Gefahrenabwehr stattfand. Über die Auswertung der sichergestellten Gegenstände müsse nun die Staatsanwaltschaft entscheiden.

Seit dem 19. November ist die Staatsanwaltschaft Berlin zentral für Ermittlungen gegen Hildmann zuständig. Der Berliner Justizsensator Dirk Behrendt (Grüne) erklärte dazu, dass die Bündelung dieser Ermittlungen zu »einer effektiveren Strafverfolgung« beitrüge.

Nach Informationen der »Süddeutschen Zeitung« umfassen die Ermittlungen »60 Bände Akten und 33 Fallakten«.

Warum Berlin übernommen hat? »Hier in der Hauptstadt waren unter anderem bei den Hygienedemos Tatorte«, sagt der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. Eine Bündelung von Ermittlungen sei außerdem nicht so selten, wenn sie wegen ähnlicher Sachverhalte an verschiedenen Orten erfolgten.

Nach Informationen der »Süddeutschen Zeitung« umfassen die Ermittlungen »60 Bände Akten und 33 Fallakten«. Zur weiteren Entwicklung möchten derzeit weder Polizei noch Staatsanwaltschaft etwas sagen.

LANDGERICHT An anderer Stelle, nämlich am Landgericht Frankfurt am Main, war gegen den veganen Starkoch erst kürzlich ein Beschluss ergangen. Hildmann darf nicht mehr wörtlich oder sinngemäß behaupten, der Holocaust sei die größte Lüge der Geschichte und es habe im Rahmen des Holocaust keine Gaskammern gegeben. Für den Fall der Zuwiderhandlung ist ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder ersatzweise Ordnungshaft vorgesehen.

Geklagt hatte das Frankfurter Gemeindemitglied Igor Schwarzmann. Er sei »erleichtert, dass das Gericht meiner Rechtsauffassung gefolgt ist, denn es gab einige juristische Klippen zu umschiffen«, sagte er der Jüdischen Allgemeinen. Um einen Unterlassungsanspruch zu haben, müsse ein Kläger nämlich persönlich betroffen sein. »Die äußerungsrechtliche Rechtsprechung ist da recht schmerzfrei: Wird ein Kollektiv angegriffen, soll der Einzelne regelmäßig nicht betroffen sein.«

Eine Ausnahme habe der Bundesgerichtshof jedoch im Jahr 1979 postuliert: »Der Holocaust war als zionistischer Schwindel bezeichnet worden. Der BGH entschied damals, dass von dieser Äußerung jeder in Deutschland lebende Jude betroffen ist, da aufgrund der Singularität der Schoa eine besondere moralische Verantwortung gegenüber Juden besteht.«

HASSPREDIGER Seitdem habe es allerdings, sagt Schwarzmann, »soweit ersichtlich nie wieder eine Gerichtsentscheidung in Deutschland gegeben, die Juden einen Unterlassungsanspruch gegen die Leugnung des Holocausts zuerkannt hat«. Dass sich das Landgericht Frankfurt am Main »dieser Auffassung ausdrücklich angeschlossen hat, das hat mich gefreut«.

Für einen Unterlassungsanspruch muss ein Kläger persönlich betroffen sein.

Igor Schwarzmann ist nicht zum ersten Mal gegen einen prominenten Rechtsaußen vorgegangen, wie er berichtet: »Gegen den sogenannten Volkslehrer, einen ehemaligen Berliner Grundschullehrer, der heute seine Aufgabe unter anderem darin sieht, Schulklassen in der KZ-Gedenkstätte Dachau weiszumachen, dass der Holocaust nicht stattgefunden habe, habe ich unter anderem drei einstweilige Verfügungen erwirkt, die er danach alle anerkannt hat.«

Er denke, dass man »Hassprediger mit juristischen Mitteln wenn nicht in die Knie zwingen, so doch stark behindern kann«, sagt Igor Schwarzmann. Wenn man es geschickt anstelle, können »rechtsstaatliche Mittel also durchaus ein scharfes Schwert im Kampf gegen Extremismus sein«.

Igor Schwarzmanns Engagement blieb nicht folgenlos, im Internet finden sich zahlreiche Anfeindungen gegen seine Person. Entsprechend ist für ihn das Thema Sicherheit »nicht unwesentlich«, betont er, Details möchte er daher nicht preisgeben.

SZENE Igor Schwarzmann beobachtet die Szene der Verschwörungsideologen sehr genau. Und sieht entsprechend die Gefahren, die sich nun aus in der Corona-Pandemie kursierenden Lügen ergeben: »Die Geschichte hat gezeigt, dass Pandemien seit alters her verschwörungsideologische Narrative wahrscheinlicher machten«, sagt er. »Wir müssen erleben, dass auch viele, die eigentlich nicht dazu neigten, plötzlich »querdenken«.

Findet er, dass die Situation für Juden in Deutschland bedrohlicher geworden ist? »Na ja«, sagt Igor Schwarzmann, »das Leben ist für Juden sicherlich nicht leichter geworden.«

Washington D.C.

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